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Im Interview: TiJa

Tija auf der Spiel 2001 in Essen von Reich der Spiele

Abstrakte Pizza-Fladen gegen den Mainstream

Auf der Spiel in Essen stellten 2001 die beiden Jungautoren Klaus Tidow und Oliver Jakopaschke ihr Spiel TiJa und den TiJa Spiele-Ideen-Verlag vor. Uns ist der Stand der beiden deshalb aufgefallen, weil ihr Spiel eine eigenwillige Ausstattung hat: Ein paar bestempelte Spielsteine, die auf einer Art Pizzafladen aus bedrucktem Stoff eingesetzt werden, der wiederum mit einem Lederband zu einem transportablen Beutel verschnürt werden kann. Wir haben Oliver, der zweiten Namenshälfte von TiJa, einige Fragen gestellt.

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Oliver, wie seid ihr auf die Idee mit dem „Pizza-Fladen“ gekommen?
„Wir fanden es wäre eine witzige Idee ein Spiel zu haben, in das man einfach die Steine reinlegt, es zusammenbindet, in die Tasche steckt und kann im Café an an der Ecke wieder auspackt. Ursprünglich hatte ich das Spielfeld auf Leder aufgezeichnet. Das allererste Stück habe ich da noch nicht als Säckchen gebaut sondern mit einem schmalen Holzetui versehen, worin die Steine vornehm verschwanden. Ein zweites Spiel fertigte ich dann erstmals als Ledersäckchen an. so war das Prinzip geboren. Ein Spiel zum Einstecken, Mitbringen, Spielen.
Doch als wir uns entschlossen, nach den positiven Rückmeldungen – aber ebenso einer Negativbilanz von Rückmeldungen der erlauchtesten Spieleverlage des Landes – den waghalsigen Schritt in Richtung Essen zur Spiel ’01 anzutreten, war für uns schnell klar, dass Leder ein studentisches Budget schlichtweg übersteigt. Da wir aber an der Idee des Beutel- beziehungsweise Mitbring-Spiels festhalten wollten, hatte Klaus die Idee, das Ganze aus Leinenstoff zu machen und durch Siebdruck zu bedrucken.“

Wie habt ihr das Material fabriziert, war es Handarbeit?
„Die Vorbereitung für Essen hätte niemals ohne den tatkräftigen und spontanen Einsatz unserer Freunde geklappt. Pamela hatte uns über ihre Tante einen großen Ballen Leinen organisiert – für den eher symbolischen Preis von 50 Mark (!). Es war genug Leinen, um hundert Spielfelder daraus zu schneiden. Ohne Pamelas handwerkliche Fähigkeiten wäre auch nie der Bandtunnel, genäht worden.
Das Spielfeld haben wir mit Corel Draw designed. Das Feld wurde dann 1:1 wie es jetzt auf dem Tisch liegt zur Druckerei gebracht, die die Vorlage für Rolle, unseren Siebdrucker, herstellte. Der Siebdruck stellte letztendlich den größten Materialkostenpunkt dar. Rolle hatte eine kleine aber ziemlich pfiffige Siebdruckmaschiene, mit der er problemlos die beiden Farben rot und schwarz passgenau übereinander setzen konnte. Keine große Druckfirma in unserer Nähe hätte uns den zweifarbigen Druck realisieren können.
Die Lederbänder haben wir über Dirk besorgt, der jemanden in einer Schuhfabrik kannte: Mit einer Kiste Bier war die Sache gemacht. Klaus hat zusammen mit Markus die Lederbänder in Fummelarbeit und mit einem enormen Konsum an Zigaretten mit einer Sicherheitsnadel durch den von Pamela genähten Tunnel gezogen.
Unser größtes Problem waren die Steine, die wir bei Norbert Dinter in Hessen bestellten. Norbert hatte Probleme mit dem Paketzusteller und so bekamen wir die Steine erst wenige Tage vor der Messe. Und dann war uns noch nicht klar wie wir die Steine bedruckt bekommen. Nach langem überlegen bin ich mit den Schriftzügen ‚Ti‘ und ‚Ja‘ zum nächsten Stempelmacher gegangen – ja, jeder einzelne Stein wurde eigenhändig von Dirk, seiner Freundin Jeniffer, Katrin und mir in einer Mehr-Nacht-als-Nebel-Aktion bedruckt: 2000 Steine, 4000 Seiten.
Das war schon ein ziemliches Chaos und bis zum Schluss war uns nicht ganz klar, ob wir es noch rechtzeitig nach Essen schaffen.“

In Essen 2001 wurden neben Tija auch Dvonn und Topper 1-2-3 vorgestellt, die einen ähnlichen Grundmechanismus aufweisen. Gibt es eine Verbindung zu den anderen Autoren oder ist die Ähnlichkeit Zufall?
„Wir wussten, bis wir auf der Messe waren, nichts von den Spielen Dvonn und Topper 1-2-3. Das Lustige war, als wir unseren Stand in Essen aufbauten, sahen wir Kris Burm vom Gipf-Projekt da rumlaufen und wie der Zufall so wollte baute er seinen Stand genau gegenüber von uns auf. Während der Messe riefen wir dann gemeinsam die Zone ‚Abstraktes Spiel‘ aus. Während der Messe hatte ich dann das Vergnügen Dvonn zu spielen. Und ich muss ehrlich zugeben: Als mir da erklärt wurde, dass man die Steine übereinander stapelt und diese dann auch noch genauso viele Felder ziehen müssen, wie Steine in einem Stapel sind (wie bei unserem TiJa), kam in mir sehr spontan die Frage auf, ob man die Stapel auch nur maximal vier Steine hoch bauen dürfe; Das war nicht der Fall und so war ich auch schon beruhigt. Topper 1-2-3 habe ich erst vor kurzer Zeit kennen gelernt und mit Klaus gespielt – ich wusste gar nicht, dass es 2001 in Essen auf der Messe war.
Darüber hinaus denke ich, dass TiJa sehr wenig mit den beiden Spielen gemein hat. TiJa würde ich eher als ein klassisches Spiel bezeichnen, in dem jede Partei versucht, ein fest verortetes Ziel zu erreichen. Bei Dvonn und Topper 1-2-3 stehen das Spielende und die Entscheidung über Gewonnen oder Verloren in viel direkterer Beziehung zueinander.“

Tija von Reich der SpieleIhr habt Tija im Eigenverlag veröffentlicht. Gab es kein Interesse von den „größeren“ Verlagen? Seid ihr mit der abgesetzten Stückzahl zufrieden?
„Die Verlage in Göttingen haben uns zwar gut zugesprochen und wirklich hervorragende Kritiken attestiert. Exemplarisch war aber wohl der Kosmos-Vertreter, der zu mir sagte: ‚Mensch das ist doch mal ein richtig schönes abstraktes Spiel! Ja, nur für uns kommt das leider nicht in Frage.‘ Das hat uns aber nicht entmutigt.
Nach Essen haben wir dann ja die Kleinstauflage von hundert Spielen mitgebracht. Uns war klar, dass der Absatz nicht so bombig werden würde. Etwa 25 Stück haben wir für den vollen Preis verkauft. Wir haben so arm aus der Wäsche geguckt, dass sogar einige Rezensenten ein Erbarmen mit uns hatten. Thomas Becher von spielenet.de hatte zudem 50 Spiele in Kommission genommen. Insgesamt haben wir bis heute zirka 50 Spiele verkauft.“

Wie wichtig war das Autorentreffen in Göttingen für die Spielentwicklung?
„Das Autorentreffen hatte den Startschuss für Essen geliefert. Lediglich an der Spielregel haben wir danach noch gearbeitet. Als wir in Göttingen aufschlugen, war das Spiel fertig. Das war es im Prinzip schon drei Stunden nach dem Klaus und ich uns das erste Mal zusammengesetzt hatten, um einer wirren Idee für ein Spielfeld, die von mir kam, nachzugehen.“

Wie habt ihr eigentlich als Autorenteam zusammen gefunden – und was treibt Ihr sonst so?
„Abende und Nächte des gemeinsamen Spielens. Ich hatte Klaus an der Uni kennen gelernt. Ich selber hätte mich damals noch nicht als einen Spiele-Narr bezeichnet. Klaus hatte da allerdings eine andere Vergangenheit: Irgendwie hatte er alles schon mal gespielt und konnte es einem auch mit unglaublicher Leichtigkeit beibringen. So kamen wir zusammen. Zunächst zum Spiel – später haben wir hier und da ein bisschen rumprobiert: Große Brettspielszenarien skizziert, Kartenspiele erdacht und natürlich immer wieder zu formulieren versucht, wie das ideale Spiel für uns persönlich aussehen muss. Das Spiel, das nicht mehr los lässt und bei jeder Partie immer besser wird. Also theoretisiert haben wir eine Menge – das kommt vielleicht dabei heraus, wenn sich ein Theologie- und ein Pädagogikstudent zusammensetzen.“

Sind weitere Entwicklungen geplant?
„Ideen für eigene Produktionen sind zwar reichlich vorhanden, aber die Zeit reicht nicht aus (Studium, Job), um das alles mal in Ruhe zu überdenken. Für den Autor Kay Bommer produzieren wir momentan unser erstes Fremdautoren-Spiel, wir werden erstmals als Verleger für andere tätig. Das ist für eine völlig neue Erfahrung. Da es sich um ein recht aufwendig produziertes, großes Brettspiel handelt, und wir die Bestrebung haben es noch vor Jahresende in den Handel zu bekommen, wird sämtliche Energie darauf verwendet.“

TiJa ist ein abstraktes, relativ leichtes, aber kein einfaches Spiel. Glaubt ihr, dass die Diskussion um die (angebliche und von der Jury Spiel des Jahres propagierte) Einfachheit berechtigt ist. Gibt es zu wenig komplexe Spiele von großen Verlagen beziehungsweise zu viel seichte Kost?
„Es gibt bei dieser Thematik sicherlich mehrere Aspekte, die sich sowohl bedingen als auch kontrovers gegenüber stehen. Die wirtschaftliche Seite: Ein komplexes Spiel auf den Markt zu bringen, bedeutet eine sehr geringe Käuferschicht anzusprechen. Wie ich in Göttingen und Essen gesehen habe, liegt das Interesse der meisten Kunden bei bunten, aufwendig bedruckten Spielen, in die man schnell einsteigen kann. Da das Spiel an sich einen schweren Stand am Markt hat, ist es wirtschaftlich gesehen sicher vernünftig, verstärkt Spiele zu bewerben, die von einer breiten Käuferschaft wahrgenommen werden. Die Jury Spiel des Jahres oder auch der Deutsche Spielepreis tragen sicherlich dazu bei. Ein positiver Nebeneffekt könnte jedoch sein, dass ‚Wenig-Spieler‘ auf den Geschmack kommen, etwas anderes auszuprobieren. Wer einen guten Spieleladen aufsucht, wird vielleicht auch etwas kompliziertere Spiele antesten. Für die Verlage ist die ’seichte Kost‘ wirtschaftlich gesehen aber einfach die ’sicherste Kost‘.
Lange Rede kurzer Sinn: Es ist einfach keine ausreichend große Nachfrage für abstrakte Spiele. Schmidt Spiele hat sich zum Beispiel auch aus wirtschaftlichen Gründen vom Gipf-Projekt getrennt.
Natürlich wäre es mir auch lieb, ein wenig mehr Vielfalt im abstrakten Spiel zu sehen. Vor allem solche Spiele reizen mich, die aus einer einfachen Grundstruktur eine Unendlichkeit an Kombinationen und Komplexität entwickeln. Darin liegt für mich die Kunst des abstrakten Spiels.“

 

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