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Auf den Spuren von Marco Polo (Hans im Glück)

Auf den Spuren von Marco Polo - Spielaufbau - Foto von Hans im Glück

„Einen großen Wurf“ nennt man wohl das, was dem Verlag Hans im Glück in 2015 mit Auf den Spuren von Marco Polo gelungen ist. Das darf man zumindest annehmen, wenn man der überwiegenden Mehrzahl der Stimmen folgt, die über das Spiel des Autorenduos Daniele Tascini und Simone Luciani (Tzolk’in) urteilen. Und natürlich der Tatsache, dass Auf den Spuren von Marco Polo den Deutschen Spielepreis 2015 erhalten hat.

Worum geht es bei Auf den Spuren von Marco Polo?

Als Thema unschwer auszumachen ist die mittelalterliche Reise Marco Polos in den Fernen Osten samt Gefolge. Das Gefolge verkörpert jeder Spieler mit einem bestimmten Charakter – nicht zwingend Marco Polo selbst –, den er sich zu Spielbeginn selber auswählt und dessen individuelle Eigenschaft ihm zugutekommt. Man bereist Städte, einige größere davon qua Auftrag, andere mehr oder minder auf der Durchreise, wobei man einen dortigen Zwischenstopp mittels Handelsposten nachweist. Alle Aktionen, wie z. B. reisen, Geld und Waren erhalten oder Handelsposten nutzen, werden mit Würfeln gesteuert. Auf deren Ergebnis nimmt man umso mehr Einfluss, je mehr Kamele man besitzt.

Fünf Runden lang versucht man so, seine Siegpunkte zu mehren, damit man am Ende nach einer Schlusswertung als Sieger dasteht.

Ein abgehobenes Spiel?

Was hat besonders die eingeschworene Spielergemeinde nun zu dem überwiegenden Urteil bewogen, Marco Polo – wie es kurz genannt wird – hebe sich von anderen Spielen in markanter Weise ab? Ist es das wirklich bis ins Detail überzeugende Material, womit das Spiel bereits beim Aufbau neugierig auf sich selber macht? Ist es der grafisch sofort ansprechende Spielplan, gestaltet von Dennis Lohausen? Ist es die gut strukturierte Spielregel, in der man zu (fast*) jeder entscheidenden Frage eine Antwort findet? Oder ist es das Spielgefühl, das Erfordernis zum Taktieren, nachdem man seine Strategie für die Partie bereits entwickelt hat, gepaart mit dem Schuss Glück, der mit ein bisschen Geschick weder Spiel noch Spieler steuert?

Die Antwort ist so simpel wie kurz: ja! Alles das zusammen. Wer sich an ein Spielbrett setzt, möchte heute nicht mehr erst nach dem Studium von seitenlangen FAQ Klarheit über die Absichten von Autor und Verlag erhalten. Idealerweise sollte anhand des Spielmaterials erkennbar sein, was zu tun ist. Spiele dieser Art sollen thematisch stimmig sein und einen einfangen. Und schließlich muss das Spiel den an es gestellten Ansprüchen gerecht werden.

Bei letzterem wird es knifflig, denn Marco Polo ist kein Spiel für Gelegenheitsspieler, und somit sind die Ansprüche entsprechend hoch. Das fängt schon damit an, dass man sich den Charakter, den man spielen möchte, selber aussuchen darf (muss?). Freilich funktioniert das in den ersten beiden Partien nur mit Einschränkungen, weil man ja noch gar nicht wirklich weiß, worum es geht. Später dann liegt hierin schon ein erster Schritt auf dem Weg zum Sieg. Auch sollte man sich nach dem variablen Spielaufbau einen Überblick darüber verschaffen, welche Städte man früher oder später besucht haben sollte. Die Betonung liegt dabei auf früher, denn nur der frühe Spieler fängt den Bonus. Zeit hat man also kaum einmal. Das gilt auch für das Einholen von Waren oder die Planung der Reise. Wer früher kommt, ist in der Regel billiger dran, und zu verschenken hat sowieso keiner etwas.

Auf den Spuren von Marco Polo setzt ein gerüttelt’ Maß an strategischer Planung voraus, welche aber immer wieder von taktischen Zwängen beeinflusst wird. Meist sind es die Mitspieler, die einem die geplante Aktion so verteuern, dass die eigene mehr kostet oder gar verhindert wird. Das klingt nach viel Interaktion, doch in Wirklichkeit passiert es eher beiläufig, dass das eigene Vorhaben das der Gegner ungewollt durchkreuzt. Überwiegend steht die eigene Planung im Vordergrund.

Der besondere Reiz einer Partie Auf den Spuren von Marco Polo liegt sicher auch darin, dass der Spielaufbau variiert. Gemeint sind damit sowohl die Stadtkarten (= Funktionen) der einzelnen Städte als auch die verschiedenen Charaktere. Letztere legen schon für sich gesehen dem Spieler ganz unterschiedliche Herangehensweisen nahe; und im Zusammenwirken mit den Stadtkarten kann man hier noch einmal strategische Unterschiede für sich festlegen. Das offenbart auch unterschiedliche Wege, um das Spiel zu gewinnen.

Alles spricht also für ein Spiel mit geringem Glücksfaktor. Doch wenn Würfel im Spiel sind, ist auch unweigerlich das Glück mit von der Partie. Wie schon in vielen andere Spielen kann man aber dem Glück mithilfe von Bezahlung (= Kamelen) auf die Sprünge helfen. Wer gut einkauft, braucht daher weniger Glück.

Auf den Spuren von Marco Polo: Alles passt zusammen

Noch ein Wort zur Spielregel (*): Um der besonders kritischen Zielgruppe vielleicht bewusst den Wind aus den Segeln zu nehmen, hat der Verlag dem Spiel sowohl eine kleine Errata-Liste als auch eine Art FAQ beigelegt. Bei der Liste der „Fehler“ darf man annehmen, dass man sich hier selbst nicht so ernst genommen hat, denn die dort aufgeführten sind wohl eher unbedeutende Kosmetikschlunzer und hätten als solche auch als Preisausschreiben dienen können („Finde den Fehler“). Aber man kennt halt seine Klientel.

Die Antworten auf die (offenbar schon vor Erscheinen des Spiels?) häufig gestellten Fragen sind durchaus zweckdienlich, erwecken aber nicht den Eindruck, als sei hier irgendetwas unausgereift.

Alles in allem ist Auf den Spuren von Marco Polo also tatsächlich das Kennerspiel, für das man es hält. Es ist nicht das Spiel, dessen Potenzial man in der ersten Partie erfasst. Dazu sollte man es einige Male spielen. Ein paar gute und auch neue Ideen sind vorhanden, die einem hinsichtlich des Wiederspielreizes aber nicht gerade schlaflose Nächte bereiten. Dennoch: Es ist regeltechnisch unkompliziert, sofort spannend, bietet Eintauchtiefe und alles drumherum, was ein Spiel dieser Klasse haben muss. Gut gemacht!

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Variante zu Auf den Spuren von Marco Polo

Unsere Leserin Julia Kürten hat folgende Variante zu dem Brettspiel vorgeschlagen.

Beim Spiel zu zweit nutzen beide Spieler jeweils zwei Charaktere. Diese wählen beide aus allen Charakteren frei aus. Diese Variante machte Auf den Spuren von Marco Polo zu zweit interessanter und bietet mehr Variabilität durch zig verschiedene Kombinationen.

 

Infos zu Auf den Spuren von Marco Polo (Hans im Glück)

  • Titel: Auf den Spuren von Marco Polo
  • Verlag: Hans im Glück
  • Autor: Simone Luciani, Daniele Tascini
  • Spieleranzahl (von bis): 2-4
  • Alter (ab oder von bis in Jahren): 12
  • Dauer in Minuten: 40-100
  • Jahrgang: 2015

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