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1655 – Habemus Papam

1655 - Habemus Papam von Reich der Spiele

Die beiden Angaben im Spieltitel beschreiben ein Spielthema, das exotischer kaum sein könnte. Die völlig gewöhnliche Wahl eines neuen Barockpapstes als Kartenspiel zu realisieren, darauf muss man erst einmal kommen.

Gewagt haben das mit 1655 – Habemus Papam Dausend Dode Drolle, ein junger fränkischer Spieleverlag. Die drei bis vier Spieler schlüpfen in die Rollen der Papstanwärter und müssen versuchen, im Verlauf von gut 45 Minuten und höchstens 18 Runden, die Mehrheit der Stimmen im Konklave auf sich zu vereinen. Entgegen historischer Übung dürfen natürlich auch Spielerinnen teilnehmen und bei 1655 – Habemus Papam Papst werden.

Die kompakte Schachtel von 1655 – Habemus Papam enthält 120 Karten, 52 „Edelsteine“, vier Sichtschirme, die Spielregel und einen Standfuß. Die Grafik ist themenbezogen leider etwas unübersichtlich, deshalb ist ein gut beleuchteter, nicht zu großer Spieltisch hilfreich. Die Qualität der Materialien ist durchwegs gut bis zufriedenstellend. Die deutsche Sprachfassung der Spielregel lässt sich nach mehrmaligem Lesen erfassen, ersetzt aber keine Proberunde. Die englische Regel hingegen ist sehr gewöhnungsbedürftig, so das Urteil eines Muttersprachlers. Der Standfuß hält die zugehörige Camerlengo-Karte leider nicht fest genug. Des öfteren wechselt daher nur die Karte, nicht aber der dazugehörige Fuß den Besitzer. Die Kombination von Spielhilfe und geneigtem Sichtschirm konnte mich bei noch keinem Spiel überzeugen, so auch nicht bei 1655 – Habemus Papam. Beide Funktionen schließen sich aus, vorausgesetzt man spielt in aufrechter Sitzhaltung. Die Schachtel fasst das Material gerade so; Kartenschutzhüllen, Sortierhilfen wie Gummiringe (brrrr!) oder Zip-Beutel und ähnliches sind damit ausgeschlossen. Kein Platz also auch für Abrechnungshilfen oder ein kleines Spielbrett für die vier Kartenstapel oder eine Vielzahl durchaus vorstellbarer „Gadgets“, die den Start, den Ablauf oder die Abrechnung erleichtert hätten. Schade. Die Edelsteine sind aus dem üblichen, dauerhaften, gut greifbaren, farblich unterscheidbaren, unregelmäßigen Kunststoffbruch, kein unnötiger Luxus, sondern funktionales Material.

Vor jedem Spiel müssen die 120 Karten in dreizehn verschieden große Stapel aufgeteilt werden, eine Aufgabe, die von sechs verschiedenen Kartenrückseiten erleichtert wird. Die Geldkarten, in fünf Stückelungen von "1" bis "20", erhält der nebenberufliche Bankierspieler. Dieser darf dann gleich 20 Goldstücke an jeden Spieler austeilen. Die Aktions- und die Politikkarten werden getrennt gemischt und als Talon ausgelegt. Die Edelsteine werden gemischt und der nebenberufliche Juwelierspieler teilt jedem Spieler vier klare Diamanten, einen roten Rubin, zwei blaue Saphire und drei gelbe Bernsteine zu. Geld und Edelsteine hält jeder Spieler hinter seinem Sichtschirm verborgen. Die Camerlengo-Figur muss zusammengesteckt werden und die zweite Camerlengo-Karte wird ausgelegt. Die Kardinalskarten werden gemischt und die Karte „Schwarzer Rauch“ wird in die Mitte des Stapels eingeschoben, die Karte „Weißer Rauch“ wird unter die drei letzten Karten gemischt. Damit wird später eine Zwischenwertung bzw. die Endwertung bei 1655 – Habemus Papam ausgelöst.

Der „rüstigste“ (sic!) Spieler beginnt bei 1655 – Habemus Papam und erhält die Camerlengo-Figur. Er deckt jeweils die oberste Karte von Aktions-, Politik- und Kardinalskarten-Stapel auf. Mit der Camerlengo-Karte liegen nun vier Karten offen, unter denen die Spieler auswählen können. Um die Reihenfolge wird nun mit den Edelsteinen geboten. In späteren Runden kann diese Versteigerung mit Aktionskarten vorab beeinflußt werden. Jeder Spieler nimmt verdeckt eine beliebige Anzahl von null bis drei Steinen in die Hand. Sind alle fertig, wird gleichzeitig aufgedeckt. Der Spieler, der die meisten Steine geboten hat, darf sich eine Karte aussuchen. Bei Gleichstand entscheidet die Wertigkeit der Steine über die Reihenfolge. Ein dann noch bestehender Gleichstand wird über die Position der Camerlengo-Figur aufgelöst. Der zweite Spieler wählt dann aus den drei verbliebenen Karten und so weiter.

Erworbene Kardinalkarten werden vor dem Spieler ausgelegt und bringen bei der Zwischenwertung von 1655 – Habemus Papam Geld und bei der Endwertung Stimmen. Politikkarten werden ebenfalls ausgelegt und bringen Geld, Stimmen oder Boni in der Endwertung. Aktionskarten werden verdeckt gesammelt und im opportunen Moment gespielt, höchstens aber eine pro Runde. Die Camerlengo-Karte bleibt liegen und der Spieler, der sie gewählt hat, erhält Edelsteine, Geld und die Camerlengo-Figur. Für die nächste Runde werden dann drei neue Karten aufgedeckt.

Bei Aufdecken der Karte „Schwarzer Rauch“ erhalten die Spieler für bisher gesammelte Kardinäle neues Kapital. Unter den letzten vier Karten kommt schließlich der „Weiße Rauch“, das Spielende. Jeder zählt nun die Stimmen seiner Kardinäle, seine „Old-Boys“ Stimmen, seine politischen Stimmen,, seine Bonus-Stimmen, seine gekauften Stimmen und seine Auftragsstimmen. Wer die meisten Stimmen auf sich vereinen kann, wird neuer Papst.

An der Aufzählung ist schon zu erkennen, dass viele Wege nach Rom führen, allerdings kein alleiniger. Zu starke Spezialisierung wie Generalisierung haben selten Erfolg. Die Karten und seine Mitspieler richtig zu lesen und dann einen vernachlässigten Weg zum Erfolg zu beschreiten, gelingt aber bei 1655 – Habemus Papam erfolgreich erst nach ein paar Eingewöhnungsrunden.

Auf mich hat 1655 – Habemus Papam keinen besonders positiven Eindruck gemacht. Über das Thema lässt sich trefflich streiten, es ist auf alle Fälle ungewöhnlich, aber natürlich Geschmacksache. Die Umsetzung, die Verknüpfung mit den Mechanismen, versucht vergeblich ein Barockgefühl zu erwecken, das Eintauchen der Spieler in das Thema bleibt an der Oberfläche. Bei den Regeln hatte ich oft das Gefühl, dass den bei Probespielen erkannten Schwächen einfach mit Sonderregeln oder Ausnahmen begegnet wurde, statt die grundlegenden Regeln zu optimieren. Nur so erklärt sich für mich auch der große Umfang des Regelhefts bei an sich simplen Grundregeln eines Versteigerungs- und Kartenauslagespiels.

Auf meine Unzufriedenheit bezüglich der Ausstattung bin ich weiter vorne schon eingegangen. Mythenmetzsche Abschweifung: „Langsam habe ich sowohl bei großen als auch kleinen Verlagen manchmal das Gefühl, dass es zur Regel wird, sich auf das Fandom in Bezug auf Spielhilfen abzustützen.“ Ende der Abschweifung. Für den Gelegenheitsspieler ist die Qualität bei 1655 – Habemus Papam ausreichend, dem ist aber die Regelungsdichte zu hoch. Der Vielspieler beißt sich zwar durch die Regeln und die Tutorial-Runden, dem ist das Spiel aber zu seicht, zu vorhersehbar. Kartenzähler haben kaum Vorteile, da kaum verdeckte Karten vorhanden sind, lediglich das Nachhalten der Versteigerungs- und Barmittel verspricht ein Plus an Information. Themen-Spieler vermissen die sprichwörtlichen Barockintrigen.

1655 – Habemus Papam verspricht mehr, als es liefern kann. Die Pärchenbildung unter Kardinälen mag einen gewissen aktuellen Unterhaltungswert haben und im Spiel für eine gewisse Kartenvolatilität sorgen, wird aber ebensowenig dem historischen Kontext gerecht, wie der unsterbliche neue Papst dem Spielziel. Wollten wir nicht selbst Papst werden? Auch die Beschränkung auf nur drei oder vier Spieler wirkt einer weiten Verbreitung entgegen. Die Spielzeit von gut einer Dreiviertelstunde ist genau zwischen Imbiss- und abendfüllendem Spiel. Insgesamt weder  Fisch noch Fleisch. Sicher ist 1655 – Habemus Papam kein Spiel, dem ich nachtrauere, dazu gibt es genügend bessere.

Infos zu 1655 – Habemus Papam

  • Titel: 1655 - Habemus Papam
  • Verlag: DDD Verlag
  • Autor: Christoph Bauer
  • Spieleranzahl (von bis): 3 - 4
  • Alter (ab oder von bis in Jahren): 10
  • Jahrgang: 2010

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