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Desperados (2012)

Desperados von Argentum Verlag

Ein Kind des deutlich erkennbaren Trends der Messe 2012 – kooperative Spiele – ist Desperados vom Argentum Verlag. Das Spiel hat nichts zu tun mit seinen Namensvettern aus 2004 (Pfifficus spiele)  und 2009 (Gryphon Games).

Zwei bis fünf Desperados versuchen, die Postkutsche zu überfallen, Banken auszurauben oder einfach nur im Glücksspiel zu betuppen, um an Geld zu kommen.

 

Wenn es ihnen gelingt, pro Kopf 4.000 Dollar zu ergaunern, gewinnen sie das Spiel gegen den Marshall und seine Sheriffs. Letztere versuchen ständig, die Pläne der Desperados zu durchkreuzen, können aber die einzelnen Desperados nur zweitweise dingfest machen, was die Sache erschwert.

Scotland Yard im Wilden Westen

Gespielt wird fast wie bei Scotland Yard – nur anders herum. Bei Desperados jagen nicht alle einen, sondern einer jagt alle. Der Marshall jagt mit seinen Gehilfen, den Sheriffs, alle Desperados. Gejagt wird auf einem Spielplan, der 19 Städte zeigt, die durch Wege miteinander verbunden sind. In fünf Städten gibt es je eine Bank, in den anderen nur einen verdeckten Pokerchip, der den Desperados in diesen Städten (durch Falschspiel) Geld einbringt. Bis auf die Sheriffs, die ebenfalls vom Marshall-Spieler offen gezogen werden, ist ihnen allen gemein, dass nur der Startpunkt der Spieler bekannt ist. Wohin sie von ihrem Ausgangspunkt ziehen, bleibt zunächst ein Geheimnis: Jeder Spieler legt in fünf Runden jeweils eine Karte verdeckt vor sich aus, mit der er angibt, in welche benachbarte Stadt er reist. Nur, wenn er bei seinem Zug eine Aktion machen, also entweder die Postkutsche überfallen oder falschspielen will, muss er seinen aktuellen Standort preisgeben. Der Marshall hingegen bleibt bis zu seinem fünften und letzten Zug in jeder Runde unsichtbar.

Da der Zugweg der Postkutsche(n) allen Spielern bekannt ist (offen ausliegender Fahrplan), können die Desperados versuchen, sie auf einer der Stationen abzufangen. Der Marshall wird dies zu verhindern suchen, in dem er nach Möglichkeit Sheriffs zum Geleit abstellt. Sind an einer Station dennoch die Desperados gegenüber den Sheriffs in der Überzahl, gelingt der Überfall trotzdem. Das gleiche gilt für die Orte, an denen die Desperados durch Falschspiel Geld gewinnen wollen. Auch hier können anwesende Sheriffs den Beutezug verhindern, wenn nicht die Desperados in der Mehrheit sind. Wichtiges Detail: Markiert werden die Orte, an denen die Desperados Aktionen machen wollen, durch kleine Holzscheiben, die die Desperados auf ihrem Weg durch die Städte am gewünschten Ort hinterlassen.

Nach fünf Zügen endet eine Runde. Dann können die Desperados noch eine oder mehrere Banken ausrauben. (Hierfür wird keine Aktionsscheibe benötigt!) Aber auch hier gilt die Mehrheitenregelung.

High Noon

Doch bevor die Mehrheitsverhältnisse ausgelotet werden, decken nun alle Spieler – auch der Marshall – der Reihe nach ihre Karten auf. Beginnend mit der ersten Karte wird festgestellt, ob sich mehrere Desperados gleichzeitig (!) in der derselben Stadt befunden haben und diese vielleicht auch eine Aktion machen wollten (markiert durch die Holzscheiben). Es folgt der große Auftritt des Marshalls: Wenn sich dieser nämlich ebenfalls gleichzeitig mit einem oder mehreren Desperados in einer Stadt befindet, nimmt er sie fest (egal, ob eine Aktion stattfinden sollte). Geplante Aktionen misslingen, sie setzen ihren Zug in dieser Runde nicht fort und müssen außerdem für den Rest des Spiels die Karte mit dem Ort abgeben, in dem sie gefangen wurden. Das bedeutet, dass alle Aktionen, die nach der Festnahme von den gefangenen Desperados geplant waren, in die Hose gehen. Gelingt aber der Postkutschenraub oder das Falschspiel, erhalten die Desperados das entsprechende Plättchen mit dem Geldgewinn.

Mehr zu holen gibt es jedoch bei den Banken. Nach dem alle die fünfte Karte aufgedeckt haben, steht fest, ob alle Desperados dort angekommen sind, wo sie hin wollten oder unterwegs vom Marshall erwischt wurden. Gelingt der Bankraub, können bis zu 3.200 Dollar abgegriffen werden. Ein großer Schritt in Richtung Sieg (4.000 $ pro Desperado). Das Spiel endet nach fünf Runden.

Kein Kinderspiel

Desperados spielt sich nicht gerade flüssig und leicht. Schon der Einstieg stellt insbesondere für weniger erfahrene Spieler eine Hürde dar. Die Spielregel trägt zudem nicht in allen Punkten dazu bei, Unklarheiten auf Anhieb zu beseitigen. Gerade der wichtige Punkt, wie nach Aufdecken der Karten ermittelt wird, ob eine Aktion der Desperados gelingt, für die sie ihre Aktionsscheibe ablegen mussten, ist nicht eindeutig genug beschrieben. Zwar wird gesagt, dass die Desperado-Spieler ihre Aktionsscheibe ablegen müssen und dass manche Scheiben über- und manche nebeneinander abgelegt werden sollen. Aber, dass dies bei der Auswertung auch einen Hinweis darauf gibt, wie viele Sheriffs sich zum Zeitpunkt des Überfalls (!) an einem Ort befunden haben, kann man nur durch scharfes, logisches Kombinieren verstehen. Besser wäre eine unzweifelhafte Definition.

Hinweise, dass die Postkutsche nicht weiterfährt, wenn sie überfallen wurde und somit auch in der derselben Runde kein zweites Mal überfallen werden kann und auch das Pokerplättchen kein zweites Mal ergattert werden kann, fehlen gänzlich in der Regel.

Schwierig macht den Zugang zum Spiel auch, dass die Aktionen der Desperados sofort bei deren Zug markiert werden, der Erfolg der Aktion aber erst am Ende der Runde, nämlich dann, wenn die Karten aufgedeckt werden, festgestellt wird. Das hat durchaus seinen Reiz und kann auch im Nachhinein zu (unangenehmen) Aha-Erlebnissen für die Desperados führen. Aber das zeitliche Auseinanderfallen zwischen Ablage der Aktionsscheibe während der Runde und Auswertung am Rundenende, ist nicht auf Anhieb eingängig.

Der Marshall hat einen richtig schweren Job. Von Vorteil ist für ihn, wenn die Desperados während ihrer Züge eine Aktion machen und sich somit zeigen müssen. Dann hat auch der Marshall eine erhöhte Chance auf einen Zugriff, denn er bleibt ja während der gesamten Runde unsichtbar. Haben die Desperados aber ein bisschen Erfahrung, legen sie ihre Aktionen in den vierten oder fünften Zug. Es ist aber wahrscheinlicher, dass sich der Marshall dann schon auf einem ganz anderen Weg befindet und den oder die sich zeigenden Desperados kaum noch erreichen kann. Da von jeder Stadt aus bis zu sieben Nachbarstädte erreicht werden können, stochert der Marshall häufig doch sehr im Nebel, was die möglichen Zugwege der Gangster angeht. Seine Sheriffs helfen ihm da nur bedingt, denn sie sind für die Desperados ja zu jedem Zeitpunkt sichtbar. So können die Räuber den Gendarmen problemlos aus dem Weg gehen. Wie oft unterdessen ein Überfall dadurch verhindert wurde, dass Sheriffs an einem Ort standen, wird man kaum herausfinden. Fraglos können sie verhindern, dass am Schluss einer Runde zu viele Banken gleichzeitig überfallen werden. Wenn nämlich der Marshall mit seinem fünften Zug in jeder Stadt mit Bank einen Sheriff abstellt, müssen die Desperados schon mindestens zu zweit anrücken, damit der Überfall gelingt. So hält der Marshall die Ausbeute zumindest im Rahmen.

Mit jedem gefangenen Desperado (der dann ja eine Stadtkarte abgeben muss) aber auch mit jedem von den Gangstern ergatterten Pokerchip wird die Aufgabe für den Marshall leichter. Sobald sich nicht mehr alle Desperados frei bewegen können, kann der Marshall damit spekulieren. Städte, in denen kein Pokerchip mehr liegt, können vernachlässigt werden. Aber der Weg dahin ist steinig.

Das Manko für die Desperados liegt „nur“ darin, sich richtig abzusprechen. Genauso wie bei Scotland Yard kann einer alleine nicht genug ausrichten, um das Spiel für alle zu gewinnen – wenn der Marshall auf Zack ist. Anders herum hat es der Marshall extrem schwer, wenn sich die Desperados gut absprechen, was ausdrücklich erlaubt ist! Die Folge sind auch mal längere Denkpausen, wenn der Marshall die Züge seiner Figuren optimal plant. Das tut dem Spielablauf nicht unbedingt gut, da die Desperado-Spieler zum Ausharren gezwungen sind. Schwierig ist es für den Marshall auch, die den Desperados abgenommenen Ortskarten zu verwalten. Er sollte für jeden Spieler im Auge haben, wo dieser nicht mehr hinziehen kann. Besser wäre es dazu aber, wenn sich auf der Vorderseite (statt auf der Rückseite) der Ortskarten das Symbol mit der Spielerfarbe befinden würde, denn dann bräuchte der Marshall die Karten nicht immer umzudrehen, um zu sehen, wer nicht mehr in den auf der Karte angegebenen Ort ziehen darf.

Ansonsten ist es auch das Material, das dieses Spiel durchaus attraktiv macht. Sowohl der Spielplan als auch die Ortskarten und Plättchen haben durchweg eine sehr schöne Grafik. Die Regel weist ihre Unklarheiten und Lücken auf (s. o.), ist aber zumindest gut mit Beispielen versehen und klar strukturiert. Der Zugang ist auch für erfahrene Spieler nicht auf Anhieb leicht. Deswegen und auch aufgrund der wichtigen Verhaltensregeln untereinander in puncto Absprache ist Desperados weder ein Spiel für jeden Spielerkreis noch ein Spiel für Gelegenheitsspieler und auch kein Familienspiel.

Wenn auch der Einfluss des Marshalls besonders in der ersten Spielhälfte recht gering ist und dadurch mitunter Ernüchterung aufkommt, macht Desperados durchaus Spaß. Gerade weil die Erfolge einer Gefangennahme eher spärlich gesät sein können, beschwingt den Marshall-Spieler ein solches Erfolgserlebnis. Angespornt wird er zudem, wenn sich beim Aufdecken der Karten herausstellt, dass er die Wege der Desperados zwar erahnt hat, sie ihm aber dennoch knapp entgangen sind. Selbst eine einfache Verhinderung eines Kutschenüberfalls wird da zelebriert.

Bei weniger als fünf Desperados sind auch weniger Sheriffs im Spiel, was bedeutet, dass es für den Marshall schwerer wird, die Banken zu überwachen. Dafür aber können auch nicht alle Banken überfallen werden, und so funktioniert das Spiel sogar in der Mindestbesetzung von drei Spielern erstaunlich gut. Für die Desperados wird es mit abnehmender Spielerzahl schwieriger, gemeinsam an einem Ort aufzutauchen. Folglich müssen die Desperados dann sowohl dem Marshall als auch den Sheriffs aus dem Weg gehen, damit eine Aktion gelingt.

Das Spiel verlangt demnach von den Desperados und auch vom Marshall in verschiedener Hinsicht einiges ab. Und damit bleibt auch der Wiederspielreiz lange erhalten. Es bleibt insgesamt ein guter Eindruck.

Infos zu Desperados (2012)

  • Titel: Desperados
  • Verlag: Argentum Verlag
  • Autor: Florian Racky
  • Spieleranzahl (von bis): 3-6
  • Alter (ab oder von bis in Jahren): 12
  • Dauer in Minuten: 90
  • Jahrgang: 2012

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