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Deukalion

Deukalion von Reich der Spiele

Auf ein innovatives Zufallselement, den Kylix-Würfelbecher, baut Deukalion auf. Die Spieler verkörpern dabei bekannte und unbekannte griechische Helden auf großer Fahrt. Der namengebende Deukalion, Stammvater der Griechen, dürfte dabei nur humanistisch vorgebildeten Spielern ohne Recherche bekannt sein. Weitere zahlreiche Merkwürdigkeiten, Ungereimtheiten und Anachronismen des Hintergrunds sind vielleicht dem Werdegang des Spiels zuzuschreiben, dessen Thema von Piraten über Wikinger zu griechischen Seefahrern und Eroberern mutierte. Wie dem auch sei, verlassen wir den tristen Orkus der Spielthemen.

Die Illustration auf  der quadratischen Schachtel gibt sich schwülstig-heroisch, bar historischen Anspruchs und dieser Stil zieht sich ohne Bruch durch die restlichen Bestandteile des Spiels. Warum zeitgenössische Werke großer antiker Künstler ignoriert werden und nicht wenigstens wie zum Beispiel bei Justinian als Vorbild genommen werden, wird mir ein Rätsel bleiben. Die Spielfiguren sind erfreulicherweise aus Holz und nicht aus Kunststoff. Das restliche verwendete Material ist stabil, hochwertig und verspricht lange Verwendungsdauer. Der in quadratische Felder unterteilte Spielplan zeigt, bis zur geografischen Unkenntlichkeit abstrahiert, das Mittelmeer südlich von Athen plus der mythologischen Landschaft des Styx.

Jeder Spieler erhält eine Schiffsfigur, zehn Spielfiguren, sog. Meeples, und die Schiffskarte seiner Farbe. Vor dem ersten Spielen sollen noch die, auf einem Bogen beigelegten, Aufkleber auf die Holzfiguren transferiert werden. Bei den Spielfiguren ist das (fast) unumgänglich, bei den Schiffen und der Hydra habe ich es unterlassen. Aus Holz sind auch die 15 Holzklötzchen in fünf Farben, die die unbenannten „Schätze“ darstellen. Zum Spielmaterial gehören auch noch eine Hydra-Holzfigur, 14 Siegpunktkarten, 16 Auftragskarten und 30 Aktionskarten. Die 16-seitige Regel erläutert mit vielen Illustrationen und Beispielen den eigentlich einfachen Spielablauf sehr ausführlich, aber leider dafür in entscheidenden Punkten falsch. Zum Einen setzt man ein Schiff sinnvollerweise erst dann auf das Brett, wenn die Auftragskarten aufgedeckt und die Schätze und persönlichen Auftragskarten verteilt sind. Zum Anderen muss man im Kampf den Verteidigungswert nicht übertreffen, sondern nur erreichen, was einen Unterschied von zehn bis 33 Prozent ausmachen kann. Dies sind unnötige, handwerkliche Fehler. Zu guter Letzt enthält die Schachtel noch  das Glanzstück, den durchsichtigen Würfelbecher: Kylix. Dieses zentrale Zufallselement ist so geformt, daß die fünf Würfel, von eins bis drei nummeriert, am Becherboden in Kreuzform liegend zur Ruhe kommen (sollen). Zu Diskussionen Anlass gab der Umstand, dass teilweise mehrfach gewürfelt werden musste, bis die Würfel auf ihren Positionen lagen.

Aber nun zum eigentlichen Spiel. Nachdem die Spieler ihr Spielmaterial erhalten haben, werden die Karten nach Sorten getrennt gemischt und auf die vorgesehenen Plätze des Bretts gestapelt. Die 15 Schätze werden auf die Städte des Brettes verteilt und jeder Spieler erhält drei Aktionskarten und eine Auftragskarte verdeckt ausgeteilt. Danach werden noch zwei Auftragskarten öffentlich ausgelegt und die Hydra auf ihre Startposition gestellt. Anschließend setzen die Spieler nacheinander ihre Schiffsfigur auf einen der fünf Ankerplätze rund um Athen. Nun kann der Startspieler loslegen, würfeln und versuchen, Siegpunkte einzuheimsen. Diese erringt man, in dem man Aufträge erfüllt, Siedlungen gründet oder befreit, die Hydra besiegt oder in die Unterwelt reist, um die Mannschaft aufzufüllen. Die zwei alternativen Aufträge pro Karte erschöpfen sich meist darin, eine oder mehr der acht Städte zu „überreden“, sich von je einem Schatz zu trennen, die man dann nach Athen schippert. Schwieriger und weniger lohnend ist es dagegen, die Hydra auf ihr Startfeld zurückzuschicken. Vier Bauplätze sind außerdem für Siedlungen vorgesehen, die man gründet, indem einfach die geforderte Anzahl Bordkameraden ausgesetzt werden und die sich in Siegpunkte wandeln. Sollte einem dabei ein Konkurrenzheld zuvor gekommen sein, müssen diese Siedlungen einfach „befreit“ und mit eigenen Gefolgsleuten besetzt werden. Die Unterwelt zu bereisen, gestaltet sich einfach, völlig gewaltfrei und lukrativ. Erstens erhält man alle vorher Gefallenen zurück und sollte man beim "Verheizen" fleißig gewesen sein und die Mehrheit der Toten tragen die eigene Farbe, erhält man noch  zwei Siegpunkte.

Einziges Transportmittel der Helden ist dabei das Schiff. Es bietet zehn Plätze, die zu Beginn vollständig von Gefolgsleuten besetzt sind. Will man dann die ersten Schätze ins Boot hieven, nehmen diese ebenfalls Plätze in Anspruch, sodass gegebenenfalls Gefolgsleute willentlich in den Hades geschickt werden. Gesegelt wird othogonal, was Reisen auf dem sieben mal neun Felder großen Spielbrett zu einer langwierigen Angelegenheit macht, die Zugweite beträgt im Schnitt nur zwei Felder. Der Kampf, der notwendig ist um, die Hydra zu besiegen, einen Schatz von einer Stadt oder dem Schiff eines Konkurrenten in das eigene zu transferieren oder eine Siedlung zu befreien, ist außer dem Kylix-Becher eine der ungewöhnlichen Aspekte des Spiels. Städte, Siedlungen und Hydra besitzen einen festen Verteidigungswert, den es zu erreichen gilt. Dazu nimmt man die derzeitige Mannschaft des Schiffs und würfelt damit. Je nachdem wie die Gefolgsleute liegen bleiben, zählen sie unterschiedlich zum Kampfwert. Flach liegende ohne sichtbare Markierung zählen einen Punkt, in irgendeiner Form stehende Figuren einen halben Punkt. Einzig flach Liegende, die die Markierung zeigen, entziehen sich der Erhöhung des Kampfwerts durch unsoziales Frühableben und wandern sofort in die Fänge von Cerberus. Bei einem ehrenvollen Seegefecht zwischen Spielern würfeln beide auf diese Weise. Wird der Verteidigungswert erreicht, ist man siegreich und darf die Früchte des Siegs ernten. Wenn nicht, waren die Opfer nicht vergebens, denn sie erhöhen immerhin die eigenen Heeerscharen im Tartarus.

Genug der Vorrede, jetzt der Ablauf einer Spielrunde. Der gerade auserwählte Held nimmt sich den Kylix und würfelt solange, bis die fünf Würfel in den vorgesehenen Vertiefungen liegen. Der mittlere Würfel gibt die maximale Zugweite der anderen Spieler an. Diese ziehen reihum, kämpfen, erobern, befreien, spielen Aktionskarten und transferieren, während der aktive Held darüber grübelt, wie er den Kylix auf das Brett stellt. Er beeinflußt damit seine Zugweite, die Zugweite der Hydra, die Verteilung von Aktionskarten und die Rekrutierung. Jeder der vier Arme des Würfelkreuzes legt für diese Runde eine dieser vier Eigenschaften fest. Der Würfel im Süden legt, entsprechend der Augenzahl, die eigene Zugweite fest. Der Würfel im Norden entscheidet, wer in dieser Runde eine Aktionskarte erhält oder nicht. Die Augenzahl des Würfels im Osten gibt die Anzahl der Gefolgsleute an, die den Spieler aus der Unterwelt heraus verstärken. Und die Hydra zieht so viele Felder, wie der Würfel im Westen Augen zeigt. Haben alle anderen Spieler ihre Züge beendet, wird der Kylix auf das Brettgestellt und der eigene Held kommt zum Zug. Dabei werden die vier Aktionen in beliebiger Reihenfolge durchgeführt. Das Augenmerk sollte dabei auch auf die vorangegangenen Aktionen der Mitspieler gerichtet werden, möglicherweise haben sich dadurch die Bedingungen auf dem Brett völlig geändert. In der Praxis wird der Spieler mit dem Kylix abwarten, bis der letzte Mitspieler seine Aktion beendet hat, bevor er endgültig entscheidet, wie die Würfel verteilt werden. Hat er dann seinen Zug beendet, ist der nächste Held an der Reihe.

Bleiben noch die Aktionskarten zu erwähnen. Sie bieten durchwegs positive Möglichkeiten, sind aber bis auf drei Ausnahmen nur für den einmaligen Gebrauch. Hat ein Spieler die, von der Mitspielerzahl abhängige, geforderte Siegpunktzahl erreicht, ist das Spiel zuende. Eine Übersichtshilfe für Siegpunkte, wie bei Carcassonne oder ähnlichen Spielen bekannt, existiert nicht, auch wenn alle Siegpunkte offen ausliegen müssen.

Deukalion ist eines der Spiele, die mit einem Überangebot von Information aufwarten. Bezeichnend dafür ist, dass oft die Mitspieler, manchmal aber auch der Gewinner selbst, vom Erreichen der Siegpunktzahl überrascht wurden. Stellt man sich auf die ungewohnten Mechanismen ein, gelingt der Einstieg schnell. Innere Logik darf man aber nicht erwarten, die Regel sollte griffbereit bleiben, um kurzfristig Einzelheiten, die sich nicht induktiv erschließen, nachschlagen zu können. Das Ungewohnte wird aber schon bald zur Routine, sodass erfahrene Spieler einen erheblichen Vorteil genießen. Das Echo unter den Testspielern war breit gestreut, mir selbst ist es, von den oben angesprochenen Kritikpunkten abgesehen, zu unausgewogen. Dies ändert sich auch nicht in abweichenden Besetzungen, irgendwo wirkt es immer holprig. Dies ist umso bedauerlicher, als hier einmal nicht die üblichen Bestandteile neu zusammengemischt wurden.

Infos zu Deukalion

  • Verlag: Hasbro/Hasbro Gaming, Parker
  • Autor: Arno Steinwender, Wilfried Lepuschitz
  • Spieleranzahl (von bis): 2 - 4
  • Alter (ab oder von bis in Jahren): 10
  • Dauer in Minuten: 60
  • Jahrgang: 2008

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