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Evolution

Brettspiel Evolution - Foto von North Star Games

Wenn es einst ein vorherrschendes Tagesthema bei den Bewohnern der Erde gab, dann war das: Fressen! Blätter, Gräser, Sträucher führten die Speisekarte an. Oder das Grünzeug war oder eher rot, triefend und manchmal noch quiekend – je  nach Vorlieben der Arten. Ach ja, wir sprechen übrigens nicht von Menschen sondern von Dinosauriern. Von Urzeittieren oder ganz allgemein gesagt von Spezies.blank

Diese sollen und wollen bei Evolution von 2-6 Spielern nicht nur großgezogen sondern möglichst auch am Leben erhalten werden. Und das ist gar nicht mal einfach.

Das Fazit für die schnelle Leserschaft vorweg

Für dieses schöne Spiel ein Kurzfazit abzugeben, verbietet sich eigentlich, denn meiner ausführlichen Beurteilung am Ende der Rezension sollte zu entnehmen sein, dass Evolution ein besonderes Spiel ist. Daher meine Empfehlung: Lest sie!

Wer es aber partout nicht anders will: Evolution hat mit dem Vorgänger von 2011 nur noch wenig gemein. Es ist ein kurzweiliges Strategiespiel mit Familiencharakter, das man aber durchaus so spielen kann, dass man die jüngeren Familienmitglieder erst mal ins Bett schicken sollte. Das Material überzeugt vollständig. Die englische Spielregel dieser Originalausgabe weist kleinere Schwächen auf, was aber kein Grund zur Resignation ist. Der Spielreiz ist aufgrund der immer anders verlaufenden Entwicklung der Spezies für lange Zeit gegeben. Für mich war Evolution eines der Highlights der Spiel ’14.

Wir spielen Schöpfung

Jeder Spieler beginnt mit einer Spezies und kann theoretisch in jeder Runde eine oder mehrere dazu bekommen. Außerdem kann er seine bereits lebenden Spezies entwickeln, indem er ihnen bis zu drei Eigenschaften zuordnet oder ihre Population und/oder Körpergröße erweitert. Alles bringt ihm Vorteile beim Vertilgen der Nahrung oder beim Schutz gegen die ewig geifernden Fleischfresser.

Doch Achtung: Jede Spezies will gefüttert werden und das möglichst vollständig! Wie viel Futter es gibt, steht zum Rundenbeginn fest. Doch das muss für alle reichen. Und selbst am gut gefüllten Wasserloch wird es schnell ungemütlich, wenn die Spezies der Mitspieler ebenfalls auf Wachstumskurs sind.

So gar keinen Spaß verstehen da übrigens die Fleischfresser, welche sich – nomen est omen – an den lieben Pflanzenfressern gütlich tun. Dagegen können die sich mit Eigenschaften (in Form von Karten) versuchen zu schützen. Dumm nur, wenn die Fleischfresser intelligent sind.

Ziel bei Evolution ist es, in der unbestimmten Anzahl an Spielrunden das meiste Futter abzukriegen. Jeder Futterchip, der am Spielende in den kleinen Säckchen der Spieler liegt, zählt einen Punkt. Punkte gibt es außerdem für jede Eigenschaftskarte und schließlich für die Populationsgröße der Spezies. Ist der Nachziehstapel einmal aufgebraucht, endet eine Partie, und es gewinnt, wer in Summe die meisten Punkte sammeln konnte.

Gutes Material!

Das wesentliche Spielmaterial sind bei Evolution die Eigenschaftskarten, mit denen man den Spezies ihren Charakter gibt. Deren optimale Handhabung ist dann auch der Kern einer Partie und kann schon mal ein paar Minuten Nachdenkpause bewirken. Die Spezies selber werden durch wenig spektakuläre Papptableaus dargestellt, die zwei Leisten für die Populations- und Körpergröße der Spezies enthalten.

Daneben gibt es noch ein (entbehrliches) Tableau für das Wasserloch, auf dem die Nahrung liegt, sowie Nahrungschips und Stoffsäckchen für diese. Alles ist von überzeugender Qualität. Die Eigenschaftskarten sind richtig toll gezeichnet und geben dem Spiel eine künstlerische Note.

Die Spielregel ist für das, was in einer Partie passieren kann, erstaunlich kurz. Auf knapp neun – alles andere als überfrachteten – Seiten (+ Kartenerläuterungen) wird (nahezu) alles gut und übersichtlich erklärt. Die kleineren Auslässe (z. B. muss man an eine neue Spezies sofort eine Eigenschaftskarte anlegen?) sind zu verschmerzen. Die Einladung auf eine Partie steht also.

Wie gut ist Evolution?

Mir und auch den Spielrunden, denen ich es präsentiert habe, hat Evolution äußerst gut gefallen! Es hat mit dem in 2011 bereits vom selben Autor (D. Knorre) erschienenen Kartenspiel noch das Thema gemein; in der Aufmachung und was die Mechanismen angeht, unterscheiden sich die Spiele aber deutlich.

Die Idee ist unverbraucht und das Thema ist fantastisch umgesetzt. Die Papptafeln für die Spezies hätten vielleicht ein bisschen fantasievoller ausgearbeitet werden können (was auf der Spielmesse 2014 in Form von Tafeln in Dinoform für viel Geld zu erhalten war). Dass alle Tiere fressen müssen, weil sie sonst möglicherweise aussterben, ist nicht nur gnadenlos realistisch, sondern setzt jeden Spieler zu jedem Zeitpunkt in Konkurrenz zueinander, ob er will oder nicht.

Und die Fleischfresser? Die fressen ausschließlich Fleisch. Mangels gewerblicher Viehzucht im Zweifel eine der eigenen (anderen) Spezies, wenn man sie nicht erfolgreich schützt. Erfolgreich heißt, dass das potenzielle Opfer tunlichst nicht dieselbe Eigenschaft haben sollte, wie sein Jäger und hoffen muss, jener besitzt nicht die Intelligenz, den Schutz seines Opfers auszuschalten.

Sehr reizvoll sind übrigens die Symbiosen, Nachbarschaftshilfen und Versorgungsketten zwischen den eigenen Spezies, mit denen sich ein Spieler schützen, aber auch seine Spezies sich gegenseitig ernähren lassen kann. Das ist gut durchdacht und funktioniert (zumindest regeltechnisch einwandfrei).

Spannendes Mit- und Gegeneinander am Spieltisch

Evolution ist nicht nur „fressen und gefressen werden“. Jeder Spieler muss seine Gegner beobachten. Ein Fleischfresser wird mittels Eigenschaftskarte erschaffen. Das kann zu jedem Zeitpunkt passieren, auch wenn die Spezies bisher nur ein Schattendasein führte. Solange kein Fleischfresser im Spiel ist, dreht sich alles nur darum, am schnellsten, am meisten zu fressen. Mit Karnivoren muss man sich plötzlich schützen und trotzdem weiterfuttern. Als Fleischfressererschaffer muss man seinem Zögling besondere Eigenschaften mitgeben. Körpergröße ist eine Grundeigenschaft. Aber besonders wichtig sind Eigenschaften, die es ihm ermöglichen, die Schutzeigenschaften anderer Tiere auszuschalten. Sind nämlich alle anderen Spezies wirksam geschützt, stirbt der Fleischfresser den Hungertod. So einfach ist das.

Andererseits: So einfach ist das gar nicht. Bei der Aufzucht spielt Fortuna spürbar in die Karten. Das soll nicht heißen, dass man aus einer Spezies nicht etwas machen könnte, nur weil ihr eine gewünschte Eigenschaft fehlt. Aber es ist eben auch keine Frage der simplen Planung, was meine Spezies kann und was nicht. Nun gut, auch das kann man als brillante Umsetzung des Themas verstehen, denn auch in der Natur geht weiß Gott! nicht immer alles nach Plan. Also heißt es, sich an die Gegebenheiten so gut wie möglich anpassen, um zu überleben. „Survival of the fittest“ nannte das übrigens Herbert Spencer in Anlehnung an Darwins Evolutionstheorien.

Die Kartengrafiken sind für Neueinsteiger anfangs verwirrend, weil man Tiere sieht, wo nur deren Eigenschaften gemeint sind. Aber das hat man auch dank der guten Kartenbeschreibungen schnell überwunden. Dass das Spiel komplett in Englisch ist, kann mit ein bisschen Schulenglisch gemeistert werden.

Fleischfresser sind das Salz in der Evolutionssuppe

Das einzige, was man Evolution vorhalten könnte, ist, dass es ohne Fleischfresser ein bisschen öde ist. Jegliche Schutzmechanismen sind obsolet, Warnrufer und Aasfresser bedeutungslos. Auch zu zweit kann es nicht wirklich überzeugen, weil Fleischfresser kaum eine Chance haben, zu überleben. Am besten spielt es sich in (fast) voller Besetzung. Dabei braucht man sich über eine zu lange Spieldauer keine Gedanken zu machen. Die etwas längere Überlegungszeit beim Einsatz der Karten wird durch einen schnelleren Abbau des Nachziehstapels ausgeglichen, und nach ca. einer Stunde steht der Ausgang der Evolution fest.

Deutsche Ausgabe kommt in den Handel

Von der Alterseinschränkung abgesehen, fällt mir keine Gruppe ein, der ich Evolution nicht empfehlen würde. Für wen die Sprache eine Hürde ist, der kann auf die ab März 2015 zu erhaltende überarbeitete deutsche Ausgabe von Schmidt Spiele zurückgreifen. Wenn Ihr die Gelegenheit habt, spielt es mal!

Hier gehts zur Spielregel

Infos zu Evolution

  • Titel: Evolution
  • Verlag: North Star Games
  • Autor: Dimitry Knorre, Sergey Machin, Dominic Crapuchettes
  • Spieleranzahl (von bis): 2-6
  • Alter (ab oder von bis in Jahren): 10
  • Dauer in Minuten: 60
  • Jahrgang: 2014

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3 Kommentare

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Hendrik Breuer 14. März 2015 at 19:32

Also nach einer Partie zu fünft würde ich sagen: Blah… So richtig überzeugend finde ich das nicht, hat eher ein „unrundes“ Spielgefühl hinterlassen. Flutscht noch nicht. Muss ich nochmal mit anderen Leuten ran! Hätte nach der Rezi gedacht, das wäre ein sofortiger Hit;-)

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Axel Bungart 15. März 2015 at 17:02

Na, immerhin…. Was fandest Du denn „unrund“?

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Hendrik Breuer 16. März 2015 at 00:34

Was ich bei solchen Spielen nie so super „rund“ finde: Karteneffekte, die man nicht sofort im Auge hat und die immer halb-versteckt rumliegen. Wenn man zu fünft spielt und alle haben 2-3 Tiere, sieht man halt nicht mehr, wen man angreifen kann und was man braucht. Auch ziemlich viele Karteneffekte zum „Food“. Da weiß man auch nie so genau, wer jetzt warum die ganze Nahrung einsammelt. (Das stört mich sogar bei Spielen wie Agricola: Man ist zu sehr mit seinem Kram beschäftigt, um die Karteneffekte der Mitspieler zu verfolgen, eigentlich kann da jeder machen, was er will, guckt ja eh niemand hin;-)

Wie gesagt, ich sehe aber durchaus ein, dass das nach ein paar Partien besser wird.

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