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Rolemaster: Charakterhandbuch

Rolemaster Charakterhandbuch - Foto von 13 Mann

Im Juli 2007 wurde das Grundregelwerk von Rolemaster in einer neuen, überarbeiteten Version in deutscher Sprache veröffentlichten und somit eines der ältesten und bekanntesten Rollenspielsysteme der Welt in neuem Gewand präsentiert. Weitere Produkte folgten, wie etwas das Kampfhandbuch, Zauberbuch, der Spielleiterschirm und natürlich Abenteuerbände. Das Charakterhandbuch vereinigt die beiden englischen Bände Bücher School of Hard Knocks und Character Law in dem bisher umfangreichsten und wohl umfassendsten Ergänzungsband zum Grundregelwerk. Es handelt sich hierbei aber nicht um eine ausschließlich überarbeitete Übersetzung, sondern um eine Erweiterung, die mit einer wahren Fülle von optionalen Regeln und zusätzlichen Informationen aufwarten kann. Dem Spieler, als natürlich auch dem Spielleiter, stehen nunmehr zahlreiche neue Möglichkeiten offen individuellere und interessantere Spielercharaktere zu erschaffen. Welchen Hintergrund man sich auch immer für seinen Charakter vorstellt und ausarbeiten möchte – dieses Charakterhandbuch sollte alles Notwendige dazu enthalten. Ob man sich inspirieren lassen soll von der Devise „Nieder mit dem zweidimensionalen Charakter!“ vermögen vielleicht die folgenden Zeilen eingehender zu enthüllen.

Die Optik. Auch weiterhin setzt man auf Kontinuität, als das der Regelteil in der vom Grundregelwerk und den anderen Publikationen gewohnten Optik gehalten und auf farbigem Papier gedruckt, wobei der Aufbau und die Aufteilung der Kapitel angenehm strukturiert und gut zu lesen ist. Allerdings hat der Verlag nunmehr etwas mehr Illustrationen zu den einzelnen Kapiteln beigesteuert, die zum Teil von recht unterschiedlicher Qualität sind. Neben einigen recht einfach, fast holzschnittartig gehaltenen Bildern bei „Völker und Kulturen“ bis hin zu den gewohnt großartig stimmungsvollen Illustrationen von Lucio Parillo scheint im Charakterhandbuch die ganze Bandbreite vertreten zu sein.

Mit 384 Seiten als Hardcover und gut zwei Kilo Gewicht (!) schlägt das Charakterhandbuch die bisherigen Publikationen im Umfang, doch die gute Verarbeitung hält hervorragend. Die Zeiten des „dünnen“ Papiers des Grundregelwerks sind längst vergessen und die obligatorischen (und überaus zweckmäßigen) zwei Lesebändchen dürfen natürlich nicht fehlen. Der mit knapp 30 Seiten recht kurz gehaltene Tabellenteil ist – wie gewohnt – kopierfreundlich in weiß gehalten und hält die essentiellen Werte in übersichtlicher Form bereit.

Der Inhalt. Erklärtes Ziel des Charakterhandbuches ist es, dem Spieler und natürlich dem Spielleiter die Möglichkeit zu geben, ihre Charaktere mit mehr Tiefe zu versehen und die Fertigkeiten genauer zu definieren. Wie bereits eingangs erwähnt hat man hierzu die beiden englischen Rolemaster-Bücher School of Hard Knocks und Character Law neu übersetzt und miteinander kombiniert sowie eine Fülle von neuen Auswahlmöglichkeiten und Optionen zur Verfügung gestellt. Hierzu zählen unter anderem sämtliche Völker, Kulturen, Ausbildungspakete und Berufe aller bisherigen Veröffentlichungen im Bereich Rolemaster, so dass man im Charakterhandbuch alles auf einen Blick hat.

Im Kapitel „Völker und Kulturen“ finden sich neben den fünf klassischen Völkern (Menschen, Hochmenschen, Waldelfen, Zwerge und Halblinge) nunmehr auch Menschen (hybrid), Grauelfen, Hochelfen, Orks (normal), Orks (groß), Halbelfen und Halborks. Bei den meisten Völkern entspricht die Kultur zugleich dem Volk und so sind bis auf die normalen und hybriden Menschen alle Völker in ihren eigenen Kulturen behaftet. Während die Beschreibung der Menschen im Grundregelwerk ausschließlich eine Beschreibung der Kultur der Landbevölkerung beinhaltet, so kann das Charakterhandbuch nunmehr sechs weiteren Kulturen aufwarten: Stadtbevölkerung, Nomaden, Waldbewohner, Hügel- und Küstenmenschen. Die Wahl eine Kultur hat nicht zuletzt maßgeblichen Einfluss auf die Jugendfertigkeiten und stellt somit bereits die Weichen für die spätere Entwicklung eines Charakters. Eine detaillierte und illustrierte Darstellung der einzelnen Völker und Kulturen nebst allen spielrelevanten Werten und Informationen schließt sich an.

Gab es im Grundregelwerk noch neun Berufe – drei Magieunkundige, drei Teilmagiekundige und drei reine Magiekundige – so findet man nunmehr im Kapitel „Berufe“ sowohl neben diesen und denen aus dem Kampfhandbuch und Zauberbuch zwei neue Berufe: der Laie und der Gelehrte. Somit stehen nunmehr 24 Berufe zur Auswahl, deren Kosten für alle Ausbildungspakete sowie zusätzliche Basislisten für reine Magiekundige im Anhang zur Verfügung stehen. Zusätzliche Hinweise zur Ausgestaltung von „Bösen Magiekundigen“ sowie Dualmagiekundigen runden dieses Kapitel ab.

Bereits im Grundregelwerk als auch im Kampfhandbuch wurden bereits einige Ausbildungspakete vorgestellt. Gemäß der Philosophie des Charakterhandbuches findet man im Kapitel „Ausbildungspakete“ sowohl diese als auch eine Auswahl weiterer Pakete. Bei insgesamt 56 Ausbildungspaketen für die unterschiedlichsten Professionen sollte es nicht schwer fallen etwas Passendes zu finden. Falls nicht – kein Problem, schließlich versteht sich Rolemaster auch hinsichtlich des Charakterhandbuches als Baukasten und lädt geradezu dazu ein, sich im Zweifel ein eigenes Ausbildungspaket zu schnüren.

Im Kapitel „Talente“ erhält man die Möglichkeit die natürlichen Fähigkeiten und Kräfte zu beschreiben, mit denen der Charakter geboren wurde oder die er sich angeeignet hat. Das Charakterhandbuch unterscheidet fünf verschiedene Gruppen von Talenten: Spezialausbildung, Körperliche Talente, Geistige Talente, Mystische Talente und Besondere Talente. Diese Talente werden wiederum insgesamt in vier Stufen unterschieden: geringe, niedere, höhere und überragende. In erster Linie handelt es sich bei dem System der Talente um Hintergrundmaterial für die Charaktere, welches natürlich auch seinen Preis hat. Die Punktekosten können mit den Zusatzregeln in Abschnitt 8.3 des Charakterhandbuches verwendet werden. Ganz „ungefährlich“ ist es natürlich nicht, seinen Charakter mit Talenten zu bessern oder höheren Leistungen anzutreiben – schließlich stehen diesen auch einige Makel entgegen, die man zum Teil gezwungenermaßen in Kauf nehmen muss.

Im Kapitel „Stand, Reichtum & Gegenstände“ dreht sich alles um die materiellen Dinge des Lebens. Die Herkunft eines Charakters mag an sich weder gut noch schlecht sein, doch kann sie durchaus positiven oder negativen Einfluss auf die zahlreichen Begegnungen haben, die dieser Charakter im laufe eines Abenteuers macht. Und so gibt es auch letztlich eine ganze Reihe von besonderen Ständen und Volksschichten, die manchem Charakter unter Umständen noch das fehlende Etwas verleihen, sei es nun der einfache Adelige, der gefallene Ritter oder aber der Waise.

Besondere Gegenstände können entweder magisch oder einfach nur ausgezeichnet verarbeitet sein, unter Umständen ist es vielleicht aber auch nur ein Familienerbstück. Eine Liste mit geringen, niederen, höheren und überragenden Gegenständen vermittelt einen guten Eindruck und dürfte für einen kreativen Spielleiter ohne weiteres mit Leben zu füllen sein.

Wer seine Charaktere nicht länger standardmäßig mit zwei GM das Spiel beginnen lassen möchte, kann im Abschnitt Reichtum einige optionale Regeln für die Ausstattung mit Barschaft finden. Ausgehend von den Hintergrundoptionen über die Herkunft eines Charakters wird das jeweilige „Startkapital“ ermittelt und das kann dann durchaus zwischen fünf ZM bis 50 MM liegen!

In den vorangegangenen Kapiteln fanden sich immer wieder Hinweise auf „Makel“, die im gleichnamigen Kapitel erläutert werden. Hierbei handelt es sich nicht zuletzt um eine ausgezeichnete Methode, um seinen Charakter abzurunden. Unterschieden wird generell in drei Kategorien: Körperlicher, Geistiger oder Besonderer Makel. Wichtig dabei ist, dass kein Charakter mehr als 4 Makel wählen darf, da ansonsten die spielerische Balance nicht mehr gewährleistet ist. Somit kann man nun von der Kurzatmigkeit, über Langsame Wundheilung bis zur Gespaltenen Persönlichkeit in einer Fülle von Mängeln auswählen. Auch hier werden die einzelnen Makel spieltechnisch vorgestellt und sind mit einer kurzen erzählerischen Beschreibung versehen.

Die Fülle von Talenten und Makeln die ein Charakter erhalten kann, können im Kapitel „Optionen für Talente & Makel“ auch alternativ erworben werden. Neben grundlegenden Optionen bietet dieses Kapitel auch Möglichkeiten für den Einsatz von Erschöpfungspunkten für Talente oder aber auch ein punktebasiertes System, wodurch die Spieler genau die Talente, die sie sich „wünschen“ erhalten können.

Für mich eines der wichtigsten Kapitel – und es hätte sicherlich schon an viel früherer Stelle auftauchen müssen – ist „Das Leben Ihres Charakters bestimmen“. Was sich auf den ersten Blick recht banal ausnimmt, könnte im laufe einer länger angelegten Kampagne durchaus relevant werden. Sind erstmal die Werte eines Charakters ausgewürfelt, werden ihm noch rasch die Attribute, Fertigkeiten und auch ein Beruf zugewiesen. Dann noch einige Gedanken über die Kinder- und Jugendtage – fertig.

Aber das kann nicht alles sein. Je mehr Hintergrund man für seinen Charakter entwirft und sich ausdenkt, desto mehr wird er ein Eigenleben und Persönlichkeit entwickeln. Wichtige Hinweise – nicht nur für Neulinge – zu den Themen Eltern, Geschwister, Kultur, Jugendzeit, Fragen zur eigenen Persönlichkeit und Lebenseinstellung, Religionszugehörigkeit, Motivation und vielem mehr findet man hier. Ein ausführliches Beispiel des Charakters Galen Forsythe am Schluss sorgt für Abrundung.

In vielen Fällen ist eine einzelne Fertigkeit oder eine einzelne Person zu wenig, um eine Aufgabe zu bewältigen. Für solche Situationen gibt es das Kapitel „Zusatzregeln für den Einsatz von Fertigkeiten“. Hier erfährt man einiges über die spezialisierten Tabellen für statische Manöver, koordinierte und unkoordinierte Anstrengungen, unterstützte Manöver und einiges andere mehr. Einige Beispiele zu den einzelnen optionalen Neuerungen verdeutlichen die Änderungen bzw. Ergänzungen.

Für das erlernen von Fertigkeiten gibt es im entsprechenden Kapitel optionale Regeln die die Spezialisierung und die Verallgemeinerung von Fertigkeiten abdecken. So kann man beispielsweise mit der „Spezialisierung“ zum Beispiel präziseres Wissen in einem Unterbereich entwickeln. So wird es einem Charakter nunmehr möglich die Fertigkeit „Wissen“ auf seine individuellen Bedürfnisse einzustellen. Das Gegenteil hiervon ist die Verallgemeinerung. Mit dieser Option kann ein Charakter alle möglichen Ausprägungen einer Fertigkeit auf einmal lernen.

Im Kapitel „Fertigkeitsgruppen“ sind umfangreiche Optionen und allgemeine Modifikationen für alle Fertigkeitsgruppen aus dem Grundregelwerk und dem Charakterhandbuch zu finden. Neben athletischen Fertigkeiten, Einflussnahme, Handwerk, Kampf- und Kommunikationsfertigkeiten, künstlerische Fertigkeiten und noch einigen anderen mehr, gibt es eine Fülle von Hinweisen und Handreichungen um die entsprechenden Fertigkeiten besser in das Spiel einzubauen bzw. den Erfolg von Aktionen spieltechnisch besser abzuwickeln.

Das eigentliche Kernstück des Charakterhandbuchs ist natürlich das Kapitel „Fertigkeiten“, in dem sämtliche Fertigkeiten von Rolemaster in alphabetischer Reihenfolge sortiert und mit entsprechenden Beschreibungen dargestellt sind. Jede einzelne Fertigkeit wird mit Namen benannt, die Zuordnung zur jeweiligen Fertigkeitsgruppe angezeigt, optionale Attribute und evtl. Erschöpfungspunkte nebst Streckenmultiplikator angegeben. Eine beispielhafte Beschreibung, wozu man die entsprechende Fertigkeit einsetzen kann sowie Anmerkungen mit zusätzlichen Informationen zur Abwicklung von Manövern oder anderen Einsatzmöglichkeiten hauchen die bislang vielleicht manchmal etwas spröden Darstellungen gehörig Leben ein. Nicht zuletzt auch die beispielhaft angegebenen Schwierigkeiten lassen die Fertigkeiten in einem neuen, etwas plastischeren Licht scheinen. Insgesamt sind es 243 Fertigkeiten, die in ihrer Darstellung und Ausführlichkeit sowohl bei Spieler als auch Spielleiter keinen Wunsch offen lassen.

Wem das alles noch nicht reichen sollte, der erhält auch noch optionale Regeln für die so genannte Magische Balance, können doch nicht zuletzt magiekundige Charaktere in mancher Runde doch mit ihren Kräften für ein gewisses Ungleichgewicht zwischen den Charakteren sorgen, besonders wenn sie eine höhere Stufe erreicht haben. Wer Probleme damit haben sollte, dem seien diese Regeln nur wärmstens an Herz gelegt, denn der allzu sorglose Umgang mit Magie kann mit diesen Regeln böse Überraschungen für den Charakter nach sich ziehen.

Einige andere optionale Regeln wie zu Hintergrundoptionen, der linearen Attributssteigerung, der Berufswechsel oder aber zum Thema Ausbildung runden den Band insgesamt ab. Der sich anschließende Tabellenteil ist – aufgrund der Schwerpunktthematik – recht kurz und knapp gehalten und wie gewohnt recht angenehm und einfach in der Handhabung. Ein Index der „Talente & Makel“ schließt den Band ab.

Fazit. Mit dem Charakterhandbuch erblickt ein weiteres gelungenes Kompendium das Licht der Welt und die Aussage „Nieder mit den zweidimensionalen Charakteren“ scheint mir damit mehr als möglich zu sein. Zu Beginn war ich noch etwas skeptisch: Warum sollte ich mir das Leben schwer machen mit einem Charakterhandbuch, reichte mir doch eigentlich das Grundregelwerk nebst Zauber– und Kampfhandbuch – doch sind es nicht zuletzt einige der optionalen Regeln, die den Charakteren wesentlich mehr Hintergrund und Tiefgang verleihen und damit nicht zuletzt gehörig mehr Spaß ins Spiel bringen.

Rolemaster versteht sich auch in dieser Publikation weiterhin als „Baukasten“, von dem man für sich in Anspruch nehmen kann, was einem am besten in die Runde passt. Insbesondere die Fülle von optionalen Regeln mögen hierfür ein gutes Beispiel sein: Jede Runde läuft anders und so mag sich mancher Spielleiter durchaus Gedanken über die eine oder andere Aktion seiner Charaktere machen. Und für die Lösung – zumindest was die oben genannten Bereiche angeht – so wird sicherlich jeder in diesem Band fündig. Umso mehr hoffe ich auf die baldige Veröffentlichung des Spielleiterhandbuchs.

Der Inhalt hält für mich persönlich die Eingangs gemachte Ankündigung, die zweidimensionalen Charaktere der Vergangenheit angehören zu lassen. Dem Spieler werden eine Menge neuer Möglichkeiten gegeben, alle mit dem einen Ziel, individuellere und interessantere Spielercharaktere zu erschaffen. Zwar mögen die Illustrationen dieses Bandes nicht immer jedermanns Geschmack treffen, so ist der Inhalt doch insgesamt dem ambitionierten Rolemaster-Spieler (und -Spielleiter) durchaus ans Herz zu legen und mehr als einen Blick wert. Für mich persönlich – trotz anfänglicher Skepsis – ein absolutes Muss in der Reihe von Rolemaster und eine absolute Kaufempfehlung.

Infos zu Rolemaster: Charakterhandbuch

  • Verlag: 13 Mann
  • Jahrgang: 2008

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