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ZDF: „Das Spiel beginnt“ mit Kerner & Co.

blankAm Samstagabend war es soweit. 20.15 Uhr zur Primetime der Samstagabendshows strahlte das ZDF „Das Spiel beginnt“ aus. Idee: Kinder treten gegen Erwachsene an und spielen dabei bekannte, schnell zu erklärende Gesellschaftsspiele. Die Vorfreude innerhalb der Spieleszene war groß. Die Erwartungen waren es auch. Autoren, Redakteure und Spieleverlage hofften, dass ihr Spiel in die Show integriert wird (was wegen der Gefahr der Schleichwerbung ohne Nennung erfolgen musste), die Spielekenner waren glücklich, dass „ihr“ Hobby endlich mal im Fernsehen kommt. Natürlich, damit viele Menschen erkennen, wie toll Gesellschaftsspiele sind. Ob dieser missionarische Eifer überhaupt angebracht ist, bleibt dabei mal unberücksichtigt. Viele Fernsehzuschauer indes freuten sich auf eine Ersatz-Show für „Wetten, dass ..?“, denn als solche sollte und könnte „Das Spiel beginnt“ funktionieren. Hat es aber nicht.

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„Das Spiel beginnt“ aus Sicht der Spielekenner

Okay, die Aufbauten von Looping Louie oder Rush Hour (kennt das überhaupt noch wer) waren beeindruckend. Die Umsetzung des Memory auf dem Studioboden war exzellent. Ausgerechnet Halli Galli wurde dagegen zum Schlafmittel und Spiele wie Spitz pass auf oder Mikado irritierten dann den Spielekenner. Zurecht? Nein! Wer hier ein Die Siedler von Catan erwartetet oder ein Carcassonne oder zumindest ein Love Letter, hat etwas ganz Wesentliches nicht bedacht: Diese Spiele benötigen nicht nur eine dann doch etwas längere Erklärung, sondern können kaum TV-gerecht umgesetzt werden. Also bitte: Wie sollen solche Spiele in einer Minute erklärt und in 15 Minuten gespielt werden? Von der Umsetzung mal ganz zu schweigen. In diesem Sinne hat die Spieleauswahl viele enttäuscht. Meiner Meinung nach ganz zu unrecht. Denn genau diese Spiele sind die, die die Menschen „da draußen“ in der Welt tatsächlich gern spielen. Ich sehe da auch keine vertane Chance, denn die Umsetzung der ausgewählten Spiele hätte Lust auf mehr machen können. Dass dies nicht gelang, lag nicht an den Gesellschaftsspielen selbst.

„Das Spiel beginnt“ aus Sicht der Zuschauer

Jetzt mal ernsthaft: Ein paar Kinder treten gegen ein paar Promis an. Ähnliches macht die ARD mit „Frag doch mal die Maus“ auch schon. Aber müssen solche Shows drei Stunden am Samstagabend laufen? Welche Kinder, die implizierte Zielgruppe der Sendung waren, dürfen (oder sollten!) denn bis nach 23 Uhr vor dem Fernseher sitzen? Hier wird der familiäre Erziehungsauftrag durch das Medium Fernsehen zumindest bis zu einer gewissen Altersgruppe deutlich überstrapaziert.

So sehr ein Teil der Zuschauer auch Spaß gehabt haben mag: Die Show war deutlich zu lang und hätte Gottschalk zur schlimmsten Zeit von „Wetten, dass ..?“ fast Paroli bieten können. Dass kaum Talkeinlagen dabei waren, ist erfrischend, und der Auftritt von Nena dann wohl der größtmögliche Kompromiss zwischen Kinder- und Erwachsenen-Zielgruppe. Dass aber selbst einfache Spiele wie Memory viel zu lange dauerten und das durch das letzte Spiel noch einmal richtig deutlich wurde, ist eben auch so. Alles in allem war die Show dadurch einfach langatmig und schließlich langweilig. Nicht nur durch die Länge, denn für den Zuschauer (!) wenig fesselnde Spiele und ein Sack voller ungebändigter Kinder  (an dieser Stelle könnte man über die unerzogenen Gören herziehen, aber es sind eben Kinder und das ist gut so) sowie ein paar B-Promis (die nicht viel besser waren) machen eben nicht automatisch Spaß.

„Das Spiel beginnt“ aus Sicht der Fernsehkritik

Opulent und dennoch reduziert war die Umsetzung von „Das Spiel beginnt“. Das ZDF hat hier wirklich eine durchdachte technische Produktion laufen gehabt. Dass die Kritiken dennoch fast durchweg richtig schlecht ausfallen, lag aber weder an der Auswahl der Gesellschaftsspiele, noch an deren technischer Umsetzung. Beides war beeindruckend gut für diesen Sendeplatz. Aber wer in die Fußstapfen von großen Shows wie „Einer wird gewinnen“, „Dalli Dalli“, „Spiele ohne Grenzen“, „Montagsmaler“ oder sogar „Schlag den Raab“ treten möchte, muss liefern. Und genau hier hakte es an vielen Details.

Johannes B. Kerner wirkte etwas fahrig und hatte teilweise Mühe, die Kinder im Zaum zu halten. Seine Co-Moderatorin Emma Schweiger (ja, die Göre vom „Top-Schauspieler“ Till) stand hilflos und verloren, teilweise rumdrucksend und nicht wissen, was zu tun ist. Klar, sie ist zwölf. Himmel, Till! Ein Kerl wie du muss seine Tochter mit zwölf Jahren doch nicht vor die Kamera einer dreistündigen Samstagabendshow zerren! Das kann doch nicht gut gehen. Dass Emma am Misslingen ihrer Rolle am wenigsten kann, steht für mich außer Frage.

Die Promis und die Kinder waren leider eher nervend. Ob die Gegenüberstellung beider Gruppen überhaupt sinnvoll ist, muss sich das ZDF ebenso fragen, wie der Zuschnitt auf Kinder. Solche Sendungen gehören abgespeckt in den Kinderkanal oder sie müssen alle Altersgruppen mehr fesseln. Leider hat das Konzept zu wenig Zeit straffende Eckpunkte enthalten. Wäre alles kürzer und rasanter gewesen und edie Gruppen vielleicht durchmischt, hätte die Sendung dann doch gelingen können.

Es gibt ein Flaggschiff im deutschen Fernsehen. Das ist 20:15 am Samstagabend. Der klassische Sendeplatz für eine Unterhaltungsshow. „Das Spiel beginnt“ hat diesen Sendeplatz bekommen. Ausgefüllt hat die Sendung den Platz nur durch Länge, nicht durch Inhalt. Zwischen unterhaltsamen Spitzen gab es gähnende Langeweile. Der Ansatz ist gut, das Konzept muss aber deutlich verbessert und vor allem gestrafft werden. Die Show hat den Spielekennern aber auch klargemacht: Ihr Hobby wird eine Nische in der Wahrnehmung bleiben. Zwar erhalten Gesellschaftsspiele einen Sendeplatz, aber die einzelnen Spiele wollen einige aus der Szene lieber vom Bildschirm verbannt sehen. Nach dem Motto „Es gibt ja so viel besseres“ …

„Das Spiel beginnt“: Der Erfolg lässt Schlimmstes befürchten

Das ZDF ist allerdings trotz allem in einer komfortablen Situation, denn die Quote passte. Zwar hat zwischen 20:15 und 21.45 Uhr der ARD-Film die Show klar hinter sich gelassen. Hier kam das ZDF nur auf eine Quote von 12,8 Prozent oder knapp 4 Millionen Zuschauer. Ab 21.45 erzielte das ZDF mit Kerner und Co. aber immerhin 19,9 Prozent oder 5,3 Millionen Zuschauer.  Wer aber einen Blick in das Abendprogramm am Samstag wagte, wird feststellen, dass es keine ernsthafte Konkurrenz gab. So bleibt eine insgesamt schlechte Show mit guten Ansätzen und ordentlicher Quote und die Befürchtung, dass es eine weitere Ausgabe gibt. Wahrscheinlich mit Spielen wie Träxx, Jenga, Alles Tomate, 6 nimmt … Aber vielleicht ist Letzteres schon zu kompliziert. Ein Mega-Aufbau von Riff Raff wäre dagegen cool und würde für richtig Unterhaltung sorgen.

Nach Kerners Aussage „Wir wollen hier ’ne richtige große, erwachsene Party mit Kinderbeteiligung machen“ muss das ZDF aber deutlich nachbessern. Von Party war jedenfalls wenig zu sehen. Ach ja: Und die Spielekenner und Vielspieler müssen damit rechnen, dass ihr Hobby weiter als Kinderkram und sie selbst als komische Freaks bezeichnet werden. In diesem Sinne: Game over!

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