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Autor und Verleger Bill Itch über seine Spiele in der Edition Kranich

Morphisto von Edition Kranich

Über die 120 schönen Spiele eines Kleinverlages

Bill, du hast mit Edition Kranich einen Verlag, der rund 30 Spiele veröffentlicht hat. Seit wann gibt es den Verlag?
„Edition Kranich gibt es seit November 2009. Ich habe derzeit circa 90 Spiele, die jeweils als Einzelstück bei uns in Glasregalen stehen. Leider sind auf der Website derzeit nur 36 Spiele online. Es werden aber in den nächsten Monaten peu à peu alle Übrigen folgen.“

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Elements von Edition KranichWie kamst du auf den Namen?
„Warum Kranich? Der Kranich – in der fernöstlichen Mythologie Sinnbild für Glück, Frieden und Langlebigkeit, in Europa für Klugheit und Vernunft – ist der Vogel mit Flügelspannweite. Es gibt nur eine einzige Art seiner Gattung und er ist damit einzigartig.
Glück und Frieden durch das Spiel – Klugheit und Vernunft während des Spiels – ein hoffentlich langes Leben meines Kleinverlages für hochwertige, edle und interessante Brettspiele mit der größten Spannweite von verschiedensten Taktik- und Strategiespiele – Themen, die Denken mit Spaß am Spiel verbinden und wie mein Wappenvogel über den Tellerrand der üblichen Spielewelt hinaussieht.
Meine Spiele sollten dazu dienen, außer der Lust am Spiel auch Optik und Haptik Tribut zu zollen. Das Brettspiel als Dekoration, keine Schachtel fürs Regal oder den Schrank – ein Sinnesbad für Augen, Hände und Geist.“

Wie kommt es, dass du trotz der beachtlichen Anzahl erfundener Spiele in der Szene quasi völlig unbekannt bist?
„Das ‚Spieleerfinden’ war für mich bis vor Kurzem reines Hobby und diente nur meiner Lust am kreativen Gestalten. Ich habe vor ein paar Jahren mal mit etwa 20 Spielen auf einem Autorentreffen in Haar teilgenommen (umgeben von Leuten, die jeweils einen Papier- oder Papp-Spielplan vor sich liegen hatte, auf dem ein paar ‚Mensch-ärgere-Dich-nicht’-Figuren ihr Unwesen trieben) und habe mich gefragt: ‚Was soll ich hier?’
Ich war zwar kurzzeitig von Reportern umgeben und stand dann mit einem netten Bericht und Foto in der Süddeutschen Zeitung, aber die wenigen Verlagsleute stellten Fragen wie: ‚Hätten Sie auch Spiele dieser oder jener Art, gibt’s den dieses hier auch als Kinderspiel und jenes als Spiel zu viert’ usw. usw.
Auf dem Göttinger Autorentreffen gab es auch zahlreiche Schulterklopfer wegen der ästhetischen und außergewöhnlichen Spiele, aber Verlage sahen da ‚Absatzprobleme’ wegen der materiellen Aufwendigkeit der einzelnen Spiele. Als ich dann ins Detail ging mit einzelnen Vertretern interessierter Verlage, musste ich erfahren, dass man so mit drei Prozent des Nettoverkaufspreises zufrieden sein müsste und sowieso kein Spiel veröffentlicht wird, so wie es der Autor erfunden hat.
Also bei einem hochwertigen Spiel, das im Laden etwa 80 Euro kostet (nur möglich bei einer Herstellungsgrößenordnung von mindestens 100 Stück) wären dies 2,40 Euro pro Spiel. Ich hätte also nach ausverkaufter Gesamtauflage insgesamt stolze 240 Euro an meiner Spielidee verdient. Die dann auch noch anders aussieht und heißt. Vielen Dank auch …“

Elements von Edition KranichWelcher Ansatz ergibt sich daraus für Edition Kranich? Wie vertreibst und vermarktest du deine Spiele?
„Da ich von so vielen meiner Spielfreunde angehalten wurde, meine Spiele doch der Öffentlichkeit zu präsentieren, habe ich mich Herbst letzten Jahres entschlossen, mich vorzustellen. Dies erst mal über meine Webseite, über die man natürlich nicht so schnell stolpert wie über die Sites der Großverlage und Onlineshops. Bekannt zu werden, stellt ein Problem dar, da die meisten Verlinkungen auf Spieleseiten kostenpflichtig sind.“

Du hast von Einzelstücken gesprochen. Welche Auflage haben deine Spiele und wie lassen sich solche Auflagen preislich annehmbar kalkulieren?
„Jedes Spiel ist eine Einzelanfertigung – sozusagen handmade – und der Besitzer hat damit die Gewissheit, außer einem thematisch interessanten Taktik-Spiel auch ein liebevoll gefertigtes Produkt, das nicht von der Stange kommt, in seinem hoffentlich offenen Glasregal stehen zu haben, an dem auch das Auge seine Freude haben kann. Wer dies zu würdigen weiß, greift gerne etwas tiefer in die Tasche. Zumal gewiss ist, dass der Ertrag dem Erfinder direkt zukommt und nicht zum größten Teil unter diversen Zwischenhändlern aufgeteilt wird.“

Du legst bei den meisten deiner Spiele viel Wert auf das Material. Wie wichtig ist dir die Optik bei deinen Spielen?
„Wenn ich Lust verspüre, schöne Figuren zu schieben, zu stapeln, zu drehen, wenn ich Freude daran habe, das edle Spielfeld zu bestücken und die dazugehörigen Materialien zu betrachten, dann erhöht sich automatisch auch die Begierde zu spielen. Zu spielen nicht nur um des Gewinnens wegen, sondern weil die Beschäftigung mit dem Spiel mir Freude, Ablenkung und Entspannung trotz Spannung bereitet.“

Gibt es eine bestimmte Richtung, eine Spielart, die du bevorzugst veröffentlichst?
„Ich habe mich sehr intensiv mit dem Thema Brettspiel auseinander gesetzt und bin zur Auffassung gekommen, dass es überhaupt ‚nur’ vier unterschiedliche Richtungen des Taktik- und Strategiespiels gibt:

  • das Erreichen eines anderen Standortes (zum Beispiel von einer Seite auf die andere in 1.000 verschiedenen Variationen;
  • das Eliminieren/Blockieren/Bedrohen einer oder mehrerer oder aller gegnerischen Figuren (zum Beispiel beim Schach);
  • das Bauen/Zerlegen/Ordnen/Sammeln (Die Siedler von Catan et cetera. 1.000-fach ausgereizt in den letzten Jahren, nur mit anderen Thematiken und Namen;
  • das Merken (Memo-Effekt in irgendeiner Form).

Aber es gibt ja so viele Möglichkeiten, diese vier Arten auszureizen. Was mich weniger interessiert (vielleicht irgendwann mal, wer weiß), sind Spiele, bei denen vier bis sechs Spieler Hunderte von Kleinstfiguren ‚rumschieben, Hunderte von Ereignis- und Sonstwas-Karten umdrehen, tauschen, weitergeben und neben dem  Spiel ein buchartiges ‚Was-wenn-wer-wo-dann’-Regelwerk wälzen müssen, um den Spielablauf zu gewährleisten. Dazu gibt es alle paar Monate ein Ergänzungs- oder Erweiterungs-Set. Sehr geschäftstüchtig …
Ich persönlich hasse es, wenn zwischen meiner gut geplanten Aktion und meinem nächsten Zug drei bis fünf Mitspieler dazwischenfunken. Bin ich dann endlich wieder an der Reihe, war mein Zug eh für die Katz.  Natürlich bin ich nicht weltfremd genug, um zu wissen, dass genau diese Art von Gesellschaftsspielen en vogue sind. Aber halt nicht meine Welt …“

Bill Itch von Edition KranichBisher hast du nur eigene Spiele veröffentlicht. Was müsste ein Spiel eines anderen Autoren haben, damit du es in deiner Edition veröffentlichst?
„Ich bin nicht als Kaufmann geboren. Ich sehe mich als kreativen Menschen, der mehr Freude an der Gestaltung und Herstellung als an der Vermarktung seiner ‚Ware’ hat.
Ich möchte meine Spiele den Leuten vorzustellen, die ausgefallene, edle Spiele mögen. (Einen schönen Gruß nebenbei an Kollege Thomas Fackler.)
Wenn ich mich auch noch um die Geschicke und den Erfolg anderer Autoren kümmern müsste, wäre ich momentan zu abgelenkt von meinen Zielen. Außerdem: Ich habe derzeit außer meinen 90 noch über 30 nicht hergestellte Spiele in petto. Das müsste als Angebot eines Kleinverlages erst mal ausreichen.“

Wenn du ein Spiel herauspicken müsstest: Welches ist von deinen eigenen Spielen dein Lieblingsspiel?
„Du fragst eine Mutter nach dem Lieblingskind? Was könnte sie Dir antworten? Alles was ich sagen kann ist, dass ich manche Spiele liebe, weil sie so einzigartig anders sind; manche, weil sie mich optisch und haptisch immer wieder begeistern; manche, weil sie so komplex sind und man mehr als eine Stunde lang spielt; manche, weil man sie schnell mal zwischendurch spielen kann; manche, weil sie nur ein paar Zeilen Spielregel benötigen und dennoch zig Möglichkeiten besitzen, das Spiel immer wieder herumzureißen; manche, weil ich – trotz Autoren-Bonus – fast nie gewinne; manche, weil sie Mitspieler zur Verzweiflung bringen während ich schmunzle.
Aber als Anhaltspunkt (und ich denke da auch an die Meinungen meiner Spielepartner, die meine Spiele alle seziert 😉 – ich wollte sagen: rezensiert haben) seien folgende Spiele hervorgehoben (ohne die Gefühle meiner vielen anderen Spiele zu verletzen – schluchz):

  • Elements – mein schönstes und teuerstes Spiel. Einfache Regeln, superschwer die Übersicht zu bewahren. Für Schachmüde Denker.
  • Ad Hop – wunderschöne Materialien. Kurzweilig mit vielen Wendungen. Viel Zeit mitbringen!
  • Schouldenboerg – sehr aufwendiges, dreidimensionales Spiel mit viel Denkanspruch, das Fehler im ersten Spieldrittel nicht so ohne weiteres verzeiht.
  • Bai – ein optischer und haptischer Leckerbissen in afrikanischer Anmutung aus Schnitzholz, Stein und Marmor. Bis zum Ende – das schnell kommen kann – unklar im Ausgang.
  • Gotchju – das Spiel für den vorausschauenden Strategen. Ein Spiel mit zwei Ebenen und einem außergewöhnlichen Ziel.
  • Morphisto – interessant und einzigartig nicht durch seine Art, Spielfiguren immer anders und aufs Neue zu bestücken, um sie zu bewegen.
  • Trivialis – ein Spiel auf drei Spielfeldern, bei dem man schnell den Überblick verlieren kann.
  • Embuscade – hinterhältige Spielzüge garantieren den Sieg. Das Spiel kann aber sehr rasch zu Ende sein, wenn man nicht aufpasst.
  • Goldraub – Bewegung auf kleinstem Raum mit wenigen Figuren zum drehen, ziehen, stapeln.
  • Mirrow MirrowOxo in drei Dimensionen durch Wand-, Decken- und Boden-Spiegel.
  • In&Out – superkurzes Regelwerk, aber nur für Leute mit sehr guter Vorstellungskraft im Vorausdenken.“

 

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