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Autor Michael Schacht und Verleger Klaus Ottmaier über Coney Island

Coney Island von Reich der Spiele

Von Vergnügungsparks, neuen Spiele-Medien und anderen Attraktionen

Klaus und Michael, zur Spielemesse in Essen erschien bei Argentum euer neues Spiel Coney Island. Um was geht es thematisch in diesem Spiel und wie kam es zur Verortung nach Coney Island?
Klaus: „Der Prototyp hatte ein gänzlich anderes Thema; Feuerteufel Nero hatte das Zündeln mal wieder nicht lassen können und wir Spieler müssen dafür sorgen, dass Rom wieder aufgebaut wird. Der Verlagswunsch war, einmal ein Spiel im Programm zu haben, dass deutlich die Argentumhandschrift der letzten zwei bis drei Jahre trägt, das aber auch Familien erreichen und von diesen gespielt werden kann. Mit Michael Schacht hatten wir DEN perfekten Autor. Und nach ein wenig Brainstorming war auch schnell das Thema Vergnügungspark gefunden, ein Ort, der gern und häufigen von Familien aufgesucht wird.
Wir Spieler sind also Teil einer großen Schaustellerfamilie, die ein Grundstück erworben hat, auf dem sie nun einen Vergnügungspark errichten will. Wir Spieler sind Geschwister. Jeder hat sein eigenes Tableau mit seinen Angestellten, die man selbst mittels der zweiten Hauptaktion ins Spiel bringt (Ja, bei zukünftigen Auflagen wird auf der Rückseite der Tableaus eine weibliche Person bei der zweiten Hauptaktion abgebildet sein, damit nicht nur Brüder, sondern auch Schwestern mitspielen können … 😉 ). Der Pater Familias steht über allen (ihm ist die dritte Hauptaktion zugeordnet) und sorgt dafür, dass die Geschwisterstreitigkeiten das Gesamtprojekt nicht gefährden und somit auch ohne zu murren akzeptieren, wenn ein anderes Geschwister für eine große Attraktion die eigenen Schausteller überbaut.
Da man alleine alles schwerlich schafft, gibt es noch die Möglichkeiten, Personen aus der Stadt gegen Bezahlung für sich arbeiten zu lassen. So läuft ein Werbejunge herum, um die Menschen auf unseren bald neu eröffnenden Vergnügungspark aufmerksam zu machen, ein Wanderarbeiter hilft mit, ein Journalist macht durch seinen Artikel in der Zeitung auf uns aufmerksam, etc. Am Ende hat natürlich jeder der Geschwister den sehnsüchtigen Wunsch, es dem anderen zu zeigen und erfolgreicher zu sein, was im Spiel bedeutet, mehr Aufmerksamkeit zu erringen.“
Michael: „Ja ja, seit ewigen Zeiten versuche ich ein Spiel mit Römern zu machen, ich gebe aber nicht auf! Ich persönlich mag das Thema Vergnügungspark sehr und nach den redaktionellen Änderungen passt es eigentlich noch besser. Ausserdem gab es aktuell einige Spiele mit römischen Thema, da braucht es nicht noch ein weiteres.“

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Das Thema klingt etwas nach Zooloretto. Haben beide Spiele tatsächlich Ähnlichkeiten?
Klaus: „Nein, bis auf den Autor und vielleicht, dass das Thema Zoo bzw. Vergnügungspark auch Familien anspricht, gibt es nichts, was die beiden Spiele miteinander vergleichbar macht.“
Michael: „Ja, genau. Die beiden sind sehr verschieden. Sehr.“

Wie bringt ihr den Freizeitpark auf das Brett? Welche Hauptmechanismen nutzt ihr, um das Spiel spannend zu gestalten? 
Klaus: „Einerseits gibt es einen Spielplan, auf dem das Grundstück der Familie dargestellt ist und auf dem sich der Vergnügungspark entwickeln wird. Andererseits hat jeder Spieler sein eigenes Tableau, auf dem seine Angestellten und seine Einkommensverhältnissen dargestellt sind. Der Hauptmechanismus besteht darin, die eigenen Schausteller vom Tableau auf den Spielplan zu bringen. Diese Aktion hat sehr viele Auswirkungen. Wo platziere ich welche Schausteller hat nachhaltige Auswirkungen, zugleich beeinflusse ich dadurch auch mein Einkommen. Um Schausteller zu platzieren, muss der Park immer wieder vergrößert werden. Und um genügend Aufmerksamkeit zu erregen, müssen die Spieler große Attraktionen errichten. Dieses Element ist besonders, denn man darf dabei nicht nur eigene Schausteller „überbauen“, sondern auch gegnerische und somit deren Einkommen reduzieren. Und fünf Personenplättchen erlauben mir, meine Strategie/Taktik zu verfeinern.
Aber Coney Island ist nicht ein einfaches Aufbauspiel, denn zum Spielende hin wollen die Spieler alle ihre Schaustellerplättchen wieder vom Spielplan herunterbekommen, denn sie bringen ansonsten Minuspunkte. Die Spannungskurve wird somit bis zum Ende hochgehalten, da man das richtige Timing benötigt, um möglichst alle Schausteller wieder vom Spielplan zu bekommen. Man sollte das nur nicht zu früh tun, da man dadurch ja sein eigenes Einkommen reduziert … Oder man kann mit den Minuspunkten leben …“
Michael: „Klaus erklärt das immer so wunderbar ausführlich. Da bleibt mir nichts mehr hinzuzufügen.“

Coney Island von Argentum VerlagWie wichtig sind Euch ein Zusammenspiel von Mechanismus und Thema? Welcher der beiden Aspekte stehen im Vordergrund und ändert sich das möglicherweise von Spiel zu Spiel oder während der Entwicklung?
Michael: „Auch wenn ich heuzutage zumeist mit einer Mechanismus-Idee beginne, versuche ich das Thema so früh wie möglich zu finden. Auf diese Weise kann ich einerseits das Spiel möglichst nah am Thema weiterentwickeln, anderseits kann das Thema dann durchaus Impulse für weitere Mechanismen geben.“
Klaus: „Wenn man ganz ehrlich ist, gibt es für fast kein Euro-Game, also für fast keinen Mechanismus, nicht mehrere verschiedene Optionen, wie man es thematisch umsetzen kann. Andererseits lassen sich einige Mechanismen nur schwer thematisch verpacken. Jenseits von Theben ist eines der ganz ganz wenigen Spielen, bei dem Thema und Mechanismus wirklich unverschämt gut zueinander passen.
Mir ist zunächst immer wichtig, dass das Spiel wirklich gut ist, dass es gut funktionierende, austarierte, spannende Mechanismen hat mit den inzwischen typischen Argentum-Eigenschaften: Viele verschieden Wege, wie man erfolgreich spielen kann, quasi vom Spiel eingeforderte Interaktion zwischen den Spielern und wenn möglich auch noch die Steuerbarkeit des Spielendes. Wenn das alles steht, geht es auf Ideensuche, wie dieses Spielgeschehen thematisch verpackt werden kann bzw. auch bei welcher Zielgruppe man das Spiel verortet sieht.
Ich finde es schade, wenn ein objektiv gutes Spiel nur aufgrund des Themas nicht die entsprechende Aufmerksamkeit bekommt. So ungefähr ist es Luna widerfahren, eines meiner Top-3-Spiele des letzten Jahres.
Auch das Thema Vergnügungspark ist nicht ganz unriskant und eine Auswirkung ist recht deutlich sichtbar: Auch wenn ich meine, dass Coney Island etwas für Vielspieler ist – vieles von dem, was Hansa Teutonica auszeichnet, steckt auch in Coney Island, nur bei einer kürzeren Spielzeit und weniger Regeln – durch das Thema und den Autor kommt es in diesen Kreisen (noch) nicht so häufig auf den Tisch.
Ich hoffe aber, dass weiterhin Verlage und Redakteure mutig bleiben und neue Themen anbieten und dass gute Spiele sich unabhängig vom Thema verkaufen.“

An wen richtet sich eurer Meinung nach Coney Island? Das Thema klingt sehr familienfreundlich, allerdings ist Argentum zwar ein offener Verlag, aber zuletzt durch relativ klare „Freakspiele“ aufgefallen.  Klaus: „Also wie bereits angedeutet ist unsere Hauptzielgruppe unverändert die der „Vielspieler“, also der Leute, die häufig und auch Anspruchsvolleres spielen. Klar ist aber auch, dass mit Michael dieses Mal ein deutlich breitentauglicherer Autor hinter dem Spiel steht. Dies wird durch das gewählte Thema nochmals bestärkt. Unser Wunschziel ist, dass sich die „Vielspieler“ für Coney Island begeistern lassen und aufgrund des einfacheren Zugangs in die Familien hineintragen.
Die Struktur des Spiels ist sehr klar und wird komplett vom Material unterstützt, sodass Familien schnell hineinfinden sollten. Man sieht, was man tun kann. Zusätzlich gibt es Element wie blind aus einem Beutel ziehen, den Mitspieler überbauen oder Siegpunkte, die erst bei Spielende aufgedeckt werden, die Emotionen beim Spielen auslösen und das Spiel bis zum Ende spannend machen. Aber man kann sehr unterschiedliche Wege gehen, Taktiken verfolgen (am Ende der Anleitung sind die in den Tipps und Tricks umrissen), um erfolgreich zu spielen, was eindeutig die Vielspieler erfreuen sollte. Partien von Coney Island können völlig unterschiedlich verlaufen und ein erfahrener Spieler wird seine Erfahrung gegenüber Neulingen ausspielen können. Die österreichische Tageszeitung ‚Die Presse‘ schrieb: ‚Erscheint simpel, ist aber knifflig.‘  Für mich liegt es in der Gewichtung zwischen Asara und Straßbourg.“
Michael: „Das Spiel ist von Regelaufwand und -struktur her durchaus von Familien zu bewältigen, man kann aber mit entsprechender Erfahrung spielerisch deutlich mehr herausholen. So gesehen ist es ein Gateway-Spiel, hin zu komplexen Spielen. Von daher glaube ich schon, dass es sich nahtlos in das Argentum-Programm einfügt.“

Viele Spieler wünschen sich vorab einen Tipp, worauf sie achten sollen. Was ratet ihr für die erste Partie Coney Island besonders im Auge zu behalten?
Michael: „Mit Tipps bin ich gerne vorsichtig, denn viele wollen lieber ein Spiel selbst entdecken. Ich sag es mal so: Thomas ist der Zeitungsspezialist, ich spiele oft gerne auf Überbauen und Klaus probiert eigentlich immer etwas Neues aus.“
Klaus: „Ich bin da großzügiger, denn der Eindruck einer ersten Partie wird immer wichtiger. Von Spielerseite steht immer weniger Zeit zur Verfügung, ein Spiel und all seine Facetten kennenzulernen. Deshalb gibt es von mir ein paar Hinweise, was auf Coney Island so alles grob beachtet werden sollte: Erstens: Ganz wichtig, wie bei Hansa Teutonica: Man sollte immer die lieben Mitspieler im Auge behalten; sie können nur so erfolgreich sein, wie man es zulässt. Zweitens: Das Platzieren des Schaustellerplättchen hat nachhaltige Bedeutung und ist ein Element, das man über viele Partien lernt, besser für sich zu nutzen, aber auch in jeder Partie andere Herangehensweisen erfordert. Drittens: Man sollte sein Einkommen gut im Griff haben; manchmal hilft sparen, um Rückschläge gut wegzustecken.
Auf jeden Fall hat man am Ende der ersten Partien nur den Ablauf kennengelernt; in Folgepartien entdeckt man erst, was alles in diesem Vergnügungspark steckt. Aber das ist man bei Argentum-Spielen inzwischen gewohnt, glaube ich …“

Michael, In den letzten Jahren hast du immer wieder deine bisherigen Spiele als App oder Online-Version programmieren lassen. Welchen Stellenwert haben für dich Apps für Smartphones und ähnliche Medien für die die Spieleszene als Ganzes und für dich persönlich?
Michael: Vielleicht überrascht es, aber als Autor bin ich kein allzu großer Anhänger von direkten Brett- oder Kartenspielumsetzungen. Lieber würde ich dem Medium entsprechend so viel an Abläufen und Mechanismen ändern wollen, dass es ein „herkömmliches“ Projekt klar sprengen würde. Nichtsdestotrotz messe ich den Brett- oder Kartenspielumsetzungen als Spieler einen gewissen Reiz zu und daher zeige ich mich dafür offen.“

Nach welchen Kriterien entscheidest du, welche Spiele als App oder Online-Version veröffentlicht werden? Hat der Verlag ein Mitspracherecht?
Michael: „Das kommt auf die genaue Vertragsvereinbarung an. Dementsprechend hat der ‚andere‘ jeweils ein gewisses Mitspracherecht. Die Sache ist aber grundsätzlich immer ein wenig kompliziert, denn es gibt ja auch noch die Namensrechte und die Grafikrechte – das alles muss man unter einen Hut bringen. Ich persönlich arbeite gerne mit kleinen Entwicklerfirmen zusammen. Vorteile sind die überschaubaren Budgets und eine oft intensivere Zusammenarbeit, Nachteile sind die begrenzten Möglichkeiten und die geringere Aufmerksamkeit.“

Ist bereits abzusehen, ob auch Coney Island als Version für Smartphones oder zum Online-Spielen erhältlich sein wird?
Michael: „Ich könnte es mir ganz gut online vorstellen. Vielleicht wäre das ja was für meine eigene Plattform, Klaus?“
Klaus: „Da sich Michael schon früh im Projekt Interesse an und Gedanken zu einer Online-Version hatte, wird wohl Coney Island in irgendeiner Form auch elektronisch spielbar sein. Wann und wo kann ich jetzt und hier noch nicht sagen.“

Hinweis:
Das Interview über Coney Island sollte kurz vor der Messe erscheinen, ist dann aber durch die Vorbereritungsphase für die Spiel etwas verschoben worden.

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