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Bericht zur Spielemesse SPIEL ’08 in Essen

Taurus von Reich der Spiele

Der Osten kommt, das Innovative fehlt

Die Essener Spiel war auch 2008 wieder Magnet für Spielebegeisterte aus aller Welt. Die rund 150.000 Besucher konnten sich an rund 550 Neuheiten von 760 Ausstellern aus 31 Ländern erfreuen. Partnerland war dieses Jahr Korea, dem ein ganzer Pavillon gewidmet war. Überhaupt scheinen Spiele in Ostasien auf dem Vormarsch zu sein. Korea und Japan entdecken immer stärker das klassische Brettspiel für sich. Unter anderem kann man dort zukünftig auch Agricola von Uwe Rosenberg (Lookout Games) spielen, das den Deutschen Spielepreis vor Stone Age von Michael Tummelhofer (Hans im Glück) und Cuba von Michael Rieneck und Stefan Stadler (Eggert Spiele) gewann. Denn Verlagsinhaber Hanno Gierke überreichte dem Verantwortlichen des Koreanischen Pavillons während der Preisverleihung das erste Exemplar des ganz ins Koreanische übersetzten Agricola.

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Neben der zunehmenden Bedeutung des Spiels in Ostasien wird dieses Gebiet der Welt bei den Neuheiten sehr gerne als Thema genutzt. Titel wie Senji, Genji, Saigo No Kane, Rice Wars, Bushido, Wasabi und Hunag Di sprechen eine deutliche Sprache. Ein anderes bedeutendes Thema ist der Weltraum. Spiele wie Space Alert, das hervorragend ausgestatte Planet Steam, Supernova oder die Lizenzen zu Star Wars – Clone Wars und Battlestar Galactica zeigen, dass Spiele mit diesem bei großen Verlagen als im Handel unverkäuflich bezeichneten Thema durchaus beliebt sind.

Lizenzen sind nach wie vor so wichtig wie Literaturspiele oder die Pflege einer Spielemarke. Ob die genannten Spiele zu Star Wars oder Spiele zu Buchbestsellern wie Der Name der Rose, Der Hexer von Salem oder Der Schwarm oder Erweiterungen und eigenständige Spiele wie die zu Munchkin, Der Palast von Alhambra, Carcassonne, Cluedo, Zug um Zug, Uno oder Die Siedler von Catan – gut verkaufte Spiele werden immer stärker zu einer eigenen Marke. Und das gilt vermehrt auch für kleinere Verlage.

Trotz der Fülle von Neuheiten und einem von der Fachgruppe Spiel nach Aussagen ihres Vorsitzenden, Michael Hopf von Haba, in Deutschland angepeilten Jahresumsatz von 400 Millionen Euro, zeigt sich wenig Innovatives. Zum einen kann die Spielekonsole Yvio genannt werden, dessen Hersteller nach jahrelanger Entwicklung nun mit vier Spielen auf den Markt drängt. Die Konsole übernimmt dabei eine Art Spielführung, die direkt Einfluss auf das Geschehen am Brett hat. Zum anderen wagt Hasbro mit Trivial Pursuit Choice den Schritt ins Internet. Neben den 600 beiliegenden Fragen können Käufer weitere 1.800 aus dem Internet kostenlos mit einem mitgelieferten USB-Kabel auf die zugehörige Elektronik speichern. Darüber hinaus, und das mag Sinn der Idee sein, können Kunden Fragenpakete ihrer Wunschkategorie kostenpflichtig erwerben. Auf diese Weise könnte bei einem Erfolg der Aktion für Spiele mit elektronischen Bestandteilen zukünftig ein ganz neuer Absatzmarkt für Ergänzungen zur Verfügung stehen. Aber die Einbindung von Elektronik ist nicht neu und darüber hinaus sind innovative Spielkonzepte Mangelware. Auch wenn es spielerisch keinen großen Tiefgang erwarten lässt, ist das mit phosphorisierenden Karten bestückte Spuk im Schloss zu nennen, das ausschließlich im Dunklen gespielt werden kann. Die Spielidee von Professor Pünschge, analog Rätsel mit mathematischen Zahlenreihen Lösungen für Aufgaben auf dem Spielbrett finden zu müssen, ist zumindest gewöhnungsbedürftig und damit eben erfischend anders. Sehr Viel mehr Neuartiges war leider nicht auszumachen.

Die fehlende Innovation ist aber ein Jammern auf höchstem Niveau, denn die  die meisten kleinen und großen Verlage zeigen handwerklich sehr gut gemachte Spiele mit ansprechenden Illustrationen. Auf der einen Seite gibt es Wissens- und Partyspiele wie Party & Co., Ego, Privacy 2 und Schätzen Sie mal oder Krimispiele wie Mystery Rummy, Krimi total oder Ein bisschen Mord muss sein. Auf der anderen Seite gibt es eine Reihe guter Karten- und Brettspiele. In der Spielergunst lag dabei Dominion ganz vorne, wie der erste Platz bei der Scoutaktion des Fachmagazins Fairplay zeigt. Dabei muss während der Partie ein Kartendeck optimiert werden, wie man es von Sammelkartespielen kennt. Ob der Spielspaß über mehrere Partien anhält, muss man angesichts der äußerst geringen Interaktion zwischen den Spielern aber abwarten. Ebenfalls sehr beliebt waren Die Fürsten von Machu Picchu sowie Comuni und Diamonds Club.

Extreme Spiele gab es ebenfalls. Ob das in einer Miniauflage veröffentlichte Saladin, dessen Spielzeit mit 15 Stunden und mehr angegeben wird oder die besonders schönen, edel ausgestatten und damit am oberen Ende der Preisliste liegenden Spiele Taurus und White Elephant von LudoArt. Ebenfalls schön, aber für Freunde des Abstrakten sind die Spiele Drei und Aronda. Freunde von kooperativen Spielen kommen überraschend häufig auf ihre Kosten. Größter Tipp ist hier Der Hexer von Salem. Etwas benachteiligt dürfen sich Anhänger von reinen Zweipersonenspielen fühlen, denn es gab nur sehr, sehr wenige. Rollenspielfreunde haben dagegen mit den Neuheiten zu unter anderem Dungeons & Dragons, Traveller, Heredium, Cthulhu, Rolemaster, Elyrion, Private Eye, Das Schwarze Auge und endlich wieder Shadowrun eine große Auswahl bekannter und neuer Systeme zur Verfügung.

Bei den Kinderspielen, die zunehmend an Marktanteil gewinnen, zeigen sich die bekannten Verlage von ihrer besten Seite. Ob Klickado, Curli Kuller, Herkules Ameise oder Die Olchis sind da – Kinder und ihre Eltern haben eine beachtliche Auswahl guter Themen-Spiele, wobei auch „klassische“ Lernspiele wie Die Geometrie-Piraten, Grimassimix oder Schloss Immermehr durchaus zu finden sind. Für die Fachgruppe Spiel sind die Kinderspiele von großer Bedeutung, da sie zukünftige Käufer an das Spiel heranführen. Was so wirtschaftlich klingt, hat aber auch einen sozialen Effekt, denn Spielen bildet neben vielen anderen Kenntnissen und Fähigkeiten soziale Kompetenzen heraus. Spiele sind eben im Gegensatz zu den neuen elektronischen Medien ein Medium, bei dem Menschen miteinander gemeinsam Zeit verbringen.

Die Auswahl guter Spiele scheint nach den ersten Eindrücken wieder sehr groß zu sein. Zu groß, um als Käufer eine Übersicht zu behalten. Aber die meisten der Neuheiten werden die Läden nur in kleiner Zahl erreichen, sodass am Ende neben den Produkten der größeren Verlage nur ein Teil der Spiele von Kleinverlagen oder ausländischen Herstellern im Blickfeld bleiben wird. Welche das sind, wird sich in den kommenden Monaten zeigen. Wünschenswert bei der enormen Vielzahl qualitativ guter Spiele ist, dass den Neuheiten auch einmal Zeit gegeben wird, den Spieler zu erreichen und den ganzen Spielspaß zu entfalten. Das geht weder, wenn jedes Jahr mehrere hundert Neuheiten auf den Markt gebracht werden, noch wenn Spiele nach zwei bis drei Jahren vom Hersteller aus dem Handel genommen werden oder wenn Vielspieler bereits kurz nach der Messe nach den nächsten Neuheiten rufen. Spielen ist ein Hobby abseits des Alltagsstresses und von Hektik, da haben Spiele es doch verdient, in Ruhe entdeckt zu werden. Das Team von Reich der Spiele wird sich diese Zeit nehmen, einen großen Teil der Neuheiten in den kommenden Monaten für seine Leserschaft auf Mechanismen und Spielspaß zu prüfen. Aber trotz allem freuen sich alle schon jetzt auf die nächste Spiel in Essen, denn sie ist und bleibt der zentrale Dreh- und Angelpunkt der Spielewelt.

Fotos zur Spiel ’08

Unser Fotoalbum zur Spielemesse 2008 in Essen ist hier zu finden.

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