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Autor Reinhard Staupe über sein Kartenspiel Fusion

Fusion von Nürnberger Spielkartenverlag/Staupe Spiele

Drei Stapel für ein Speed-Hallelujah!

Reinhard, zur Spielemesse in Essen wird dein neues Kartenspiel Fusion im Eigenverlag und beim Nürnberger Spielkartenverlag erscheinen. Um, was geht es bei dem Spiel inhaltlich?
„Es geht um zwei Dinge: um Geschwindigkeit und um ständiges komplettes Umdenkenmüssen. Alle legen gleichzeitig, wild durcheinander und vor allem so schnell wie möglich ihre Karten auf drei Stapeln ab. Soweit, so bekannt. Allerdings ist die Ablegewahrscheinlichkeit so austariert, dass man ständig zwischen den Stapeln hin- und herspringen muss. Und da jeder Stapel etwas anderes verlangt, ist es so, als würde unaufhörlich etwas Klick, Klick, Klick in den eigenen Synapsen machen. Mitunter hört sich das anfangs etwas einrostet an… 🙂 … wird dann aber rasch geschmeidiger.“

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Mit welchen Mechanismen sorgst du bei Fusion für Spielspaß?
„Die Hauptneuerung ist das Zerteilen dessen, was auf dem jeweiligen Stapel gefordert wird. Auf Stapel A Symbol auf Symbol oder Farbe auf Farbe. Auf Stapel B nur Zahlen, auf- bzw. absteigend (+1 oder -1). Und auf Stapel C müssen alle Merkmale unterschiedlich sein.
Das heißt konkret: Man spielt zum Beispiel munter auf Stapel A vor sich hin, kann dann dort nicht mehr ablegen, wechselt zu Stapel B – und muss plötzlich gedanklich von den farbigen Symbolen in der Kartenmitte zu den Zahlen in der Kartenecke springen. Danach geht’s rüber zu Stapel C und alles muss plötzlich anders sein. Mein amerikanischer Lizenznehmer hat mal gesagt, es fühle sich so an wie ein gedanklicher Schluckauf, und das trifft es ziemlich gut.“

Das klingt alles ein wenig nach Speed. Wie sehr ähnelt Fusion deinem Klassiker Speed?
„Der Geschwindigkeitsrausch ist definitiv ähnlich, aber die Zutaten sind anders. Das ‚genügend verschieden von Speed sein‘ war die Grundprämisse von Fusion. Ich muss dazu ein wenig ausholen.
Speed ist nach wie vor bei Karsten Adlung sehr erfolgreich im Verlagsprogramm vertreten, immerhin seit nunmehr 16 Jahren, und vor allem in den USA ist es bei Mattel als Blink unfassbar populär. Die Gesamtauflage liegt bei drei Millionen. Das Spiel hat diesen magischen Funken Spielreiz und Einfachheit, der Jung und Alt gleichermaßen begeistert (wenn man denn Geschwindigkeitsspiele mag). Für jeden Autor ist es ein seltener Glücksfall, wenn beim ersten Testspiel etwas nachhaltig ‚wow!‘ macht, wie seinerzeit bei Speed (und dann auch noch ein breites Publikum findet). Genau danach strebt man! Das hatte ich in dieser ausgeprägten Form nur noch bei Privacy, das beim allerersten Testspiel auf einer Party wie ne Bombe eingeschlagen ist.
Vor anderthalb Jahren fragten zwei ausländische Verlage unabhängig voneinander an, ob ich nicht noch mal so was wie Speed machen könnte. ‚Klar‘, war meine Antwort, ‚kann ich gerne probieren, aber es wird in jedem Fall nur dann etwas erscheinen, wenn Karsten Adlung und Mattel die Zustimmung geben. Ich würde nie etwas tun, was Speed/Blink schadet.‘ Ich hab mich dann hingesetzt und einige Wochen lang sehr intensiv verschiedene Ansätze ausprobiert. Herausgekommen ist Fusion. Es hat sofort gekribbelt bei mir, genau wie damals bei Speed, und auch die potentiellen Lizenznehmer waren begeistert. Ich hab’s dann Karsten und dem Mattel-Team gezeigt, und beide hatten kein Problem damit.
Das bereits erwähnte Zerstückeln in unterschiedliche Ablagestapel ist der entscheidende spielmechanische Unterschied. Bei Speed gibt’s zwei Stapel und auf beiden heißt es gleichermaßen: Symbol, Farbe oder Anzahl. Bei Fusion gibt’s drei Stapel – und jeder ist anders.
Der zweite große Unterschied ist die Spielbarkeit für mehrere Personen. Rein technisch kann man Speed auch zu dritt oder zu viert spielen, aber es ist dermaßen schnell und es sind dann so viele Hände gleichzeitig auf den zwei Stapeln zu Gange, dass es im Chaos versinkt. Speed ist ein perfektes Spiel für zwei. Fusion hingegen ist einen Tick langsamer und es hat einen dritten Stapel. Dadurch spielt es sich auch zu dritt und sogar zu viert noch wunderbar.
Man kann’s ein wenig mit Wizard und Die sieben Siegel vergleichen. Beide sind im selben Genre angesiedelt und vermitteln ein sehr ähnliches Spielgefühl, aber sie sind im Detail verschieden genug. Braucht man beide? Ich finde ja. Wer das eine mag, liebt zumeist auch das andere.“

Ein Kritikpunkt bei solchen „Hektikspielen“ ist, dass keiner richtig kontrollieren kann, ob jemand mogelt. Wie stehst du zu dieser Kritik und wie versuchst du als Autor gegenzusteuern?
„Dass man bei solchen Hektikspielen schummeln kann, stimmt natürlich. Aber wer’s drauf anlegt, kann das auch bei vielen anderen Spielen. Bei Bohnanza ist es kein Problem, die eigene Kartenhand heimlich mal umzustecken. Die Einstellscheibe bei Privacy kann man leicht nachträglich mit dem Daumen korrigieren. Bei Wizard bedient man einfach mal absichtlich die Farbe nicht. Oder bei den Werwölfen linst man eben auch dann mal, wenn man kein blinzelndes Mädchen ist. All dies (und noch einiges mehr) habe ich selbst schon erlebt!
Ich für meinen Teil mag nur mit solchen Leuten spielen, die nicht betrügen. Wobei es bei Speed und auch bei Fusion trotz der Hochgeschwindigkeit immer auffällt, wenn jemand ständig falsch ablegt. Und nur hin und wieder mal zu mogeln dauert fast schon länger, als ehrlich zu agieren.
Ganz witzig: Speed wurde seinerzeit von drei großen Verlagen abgelehnt, bevor es zu Karsten Adlung kam. Einer der ablehnenden Redakteure meinte damals, dass ja niemand kontrollieren kann, ob ehrlich gespielt wird. Nachdem Speed dann so ein großer Erfolg wurde, meinte er hinterher: ‚Ach, ich hätte es trotzdem nehmen sollen.‘ ?“

Mit deinem Kleinverlag Staupe Spiele wirst du erstmals seit zehn Jahren auf der Spielemesse in Essen vertreten sein. Warum erscheint Fusion nicht bei einem anderen Verlag, sondern im eigenen und was bedeutet für dich die Teilnahme an der Messe?
„In den 90ern gab’s ja die Kooperation meines Verlages mit den Berliner Spielkarten. Die war für uns perfekt: Wir konnten jedes Jahr völlig frei und eigenständig Kartenspiele entwickeln und druckfertig vorbereiten, und die Berliner haben dann produziert und vertrieben. Die sehr erfolgreiche und schöne Zusammenarbeit endete 2001 nach dem zweiten Firmenverkauf der Berliner. Leider.
Ich bin anschließend Vollzeit zur Amigo-Redaktion gewechselt. Ich war zeitlich so sehr eingespannt, dass neben der Arbeit dort (und ab und an noch als Spiele-Erfinder) kein Raum mehr blieb für ein erneutes Staupe-Spiele-Projekt. Seit einiger Zeit bin ich aus privaten Gründen nur noch sehr dezent im Hintergrund für Amigo tätig – und meine Lust auf etwas Eigenes wuchs.
Der Kontakt zu Herrn Jurthe, dem Geschäftsführer der Nürnberger Spielkarten, war bereits 2008 soweit, dass wir unbedingt etwas zusammen machen wollten. Aber wieder ließen es private Gründe bei mir nicht zu. Anfang 2011, nach der Geburt unseres Sohnes, war es dann jedoch soweit. Oliver Freudenreich und ich haben Fusion umgesetzt. Die Konstellation mit den Nürnbergern ist nahezu identisch mit der von den Berlinern – als wären die zehn Jahre Pause einfach weg geschnitten. Und an der Stelle kommt etwas Zweites, sehr Erfüllendes hinzu: Ich konnte Fusion genau so umsetzen, wie ich es wollte. Wenn man ein Spiel in die Hände eines Verlages legt, ist man als Autor immer ein wenig außen vor. Davon könnte ich mehrere leidvolle Liedchen singen. Nun kann ich höchstens mich selbst auspeitschen.
Ich bin selbst gespannt, was gemeinsam mit den Nürnbergern noch möglich ist, wohin der Weg führt. Der Anfang war jedenfalls schon mal sehr viel versprechend. Ein großes markenrechtliches Problem bezüglich der Titelnutzung haben wir gemeinschaftlich bewältigen können. Das war eine echte Hürde.
Essen war für uns neben der Creativa in Dortmund immer die wichtigste Messe. Dort sind alle vertreten, die das Spielen so sehr lieben wie ich selbst. Da muss man hin – auch wenn die Kleinverlagsstände sehr teuer geworden sind …“

Wirst du in Essen ausreichend viele Spiele dabei haben oder sollten interessierte Messebesucher Fusion vorbestellen?
„Ich denke, dass wir genügend Exemplare dabei haben. Aber ich hoffe natürlich trotzdem, dass wir am zweiten Tag bereits ausverkauft sein werden. 🙂
Eine Vorbestellung ist leider nicht machbar. Im Falle eines Falles ist allerdings ein Postversand nach der Messe möglich.“

Webseite von Reinhard Staupe

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