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Brettspiel Grand Cru – Entwicklungstagebuch III

Grand Cru - Erste Skizzen zum finalen Plan und Cover von Ulrich Blum

Ulrich Blum über die Entstehung seines Spiels

Entwicklunsgtagebuch zum Spiel Grand Cru – Teil 3 – Von einer Auszeichung und der Publikation. Etwa zwei Jahre nachdem ich Grand Cru ad acta gelegt hatte, erfuhr ich von dem Stipendium für Nachwuchsautoren, welches die Jury Spiel des Jahres jedes Jahr in Göttingen auf dem Spieleautoren-Treffen vergibt. Von den früheren Preisträgern hatten viele nach der Auszeichnung ein Spiel bei einem Verlag unterbringen können. Zudem ermöglicht das Stipendium mehrere Praktika in der Spielszene. Mein Interesse war geweckt. Um sich für das Stipendium bewerben zu können, musste man in Göttingen zwei Spiele präsentieren. Nun hatte ich zwar einen Prototypen, der fast fertig war, aber sonst nur Spiele im Frühstadium. Schon sah es so aus, als könnte ich mich nicht bewerben. Da riet ein befreundeter Autor: Aber du hast doch ein fertiges Spiel, wieso nimmst du nicht Grand Cru?

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So zog ich also Grand Cru nach sehr langem wieder aus dem Regal. Schon beim ersten Lesen der Regel kritzelte ich wild herum, strich ganze Absätze, änderte Diverses und fragte mich bei vielem, wieso ich das damals so geregelt hatte. Dank der gewonnenen Distanz hatte ich nach nur einer Stunde die Regel für ein gänzlich entschlacktes Grand Cru vor mir.

Grand Cru - Das Weinfest fügt sich in das System ein von Ulrich Blum

Viele der Änderungen betrafen Punkte, in denen ich die Spielerinnen weniger einschränken wollte. So war es beispielsweise vorher untersagt mehr als zwei Weinsorten anzubauen, oder mehr als drei Ausbauten zu haben, was ich nun nicht mehr nachvollziehen konnte. Es schien mir interessanter, die Spieler mit Hilfe des Belohnungssystems in eine bestimmte Richtung zu leiten, anstatt Ihnen bestimmte Handlungen einfach zu verbieten. Bald stellte ich fest, dass ich vielleicht an der ein oder anderen Stelle etwas zu weit gegangen war. Denn jedes System braucht Regeln und Schranken, sonst kippt es. So baute ich langsam wieder die ein oder andere Schranke auf, aber nur soweit wie es unbedingt nötig war.

Mit diesem Spiel fühlte ich mich bereit für Göttingen. Dort gewann ich tatsächlich das Stipendium (s. Link)! Doch damit nicht genug, gleich drei Verlage zeigten Interesse an Grand Cru und forderten einen Prototypen an. Einige Monate später bot mir eggertspiele einen Vertrag an. Zu Essen 2010 sollte Grand Cru erscheinen.

Sofort machte ich mich wieder an das Spiel, welches ich wiederum ein paar Monate nicht gespielt hatte. Ich war zwar immer noch grundsätzlich zufrieden damit, doch gab es ein paar Probleme, denen ich nicht wirklich Herr wurde. Oft kam es vor, dass im letzten Drittel des Spiels nicht mehr viel passierte. Durch die langfristige Planung, die das Spiel prägte, hatten die Spielerinnen zu diesem Zeitpunkt ihre Aufbauarbeit geleistet und warteten nur noch darauf, dass ihre Strategie aufging. Ein anderer Autor riet mir, das bestehende System zu belassen, wie es sei, da er es für gut hielt. Ich solle vielmehr den Mut haben, ein zusätzliches Element in das Spiel einzufügen. Dieses könnte ich dann gezielt auf die bestehenden Probleme zuschneiden. Darauf wäre ich selber wohl nicht gekommen, so lange hatte ich schon mit den bestehenden Elementen gearbeitet.

Ulrich Blum mit der Stipendiumsurkunde von Ulrich Blum

So entstand das Weinfest. Dort werden alle verkauften Weine gesammelt und Mehrheiten in den Sorten werden mit Prestigepunkten belohnt. Mit diesen können dann Sonderaktionen gekauft werden, die den Spielern helfen, schneller Gewinn zu machen. Diese kleinen Boni waren genau das, was das System brauchte. Die Spieler kamen nun schneller zu Erfolgen, ohne das System als weniger fordernd zu betrachten. Ausserdem kamen ein paar schöne taktische Entscheidungen dazu. Schnell fügte sich das Weinfest nahtlos in das Spiel ein und auch der Verlag war glücklich damit.

Der Fokus verlagerte sich nun auf die kleineren Probleme. Regeln, die eleganter gelöst werden können, die genaue Gewichtung der Siegpunkte und vor allem das Preisgerüst. Es war an diesem Punkt der Entwicklung extrem hilfreich, dass der Verlag diverse Testrunden zur Verfügung hat, die das Spiel noch nie gespielt haben. Diese neuen, frischen Blicke auf das Spiel haben noch so manchen hilfreichen Vorschlag einbringen können.

Während ich dies schreibe, sind wir noch mitten in diesem redaktionellen Prozess. Die Grafiken werden Stück für Stück fertig, die Regeln wollen formuliert werden und tausend Kleinigkeiten erledigt sein. Wenn dieser Prozess einmal abgeschlossen ist, freue ich mich besonders auf eines: Ganz entspannt bei einem Glas gutem Rotwein Grand Cru zu spielen. Nicht daran zu denken, was man noch verbessern könnte. Sondern mich zu fragen, ob ich diesen Merlot jetzt noch ernten soll, oder lieber doch noch ein Gebot auf diesen tollen Ausbau machen. Aber vielleicht macht der nächste Spieler ja schon Schluss, dann hätte ich kaum Wein in meinem Keller, was ich in zwei Runden bitter bereuen würde … Aaarrrrgghhhh …

Mit genau diesen Dilemmata hoffe ich, auch euch für den Weinbau zu begeistern. À vôtre santé!

 

Hinweis:
Dieser Entwicklungsbericht zum Brettspiel Grand Cru besteht aus drei Teilen:
Teil 1 – Von einem Unglück und der ersten Idee
Teil 2 – Vom Reifen eines Spiels
Teil 3 – Von einer Auszeichung und der Publikation

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