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Spieleerfinder Uwe Rosenberg über sein Brettspiel Ora et Labora

Ora et Labora von Lookout Games

Radhalsige Klosterkultur

Uwe, zur Spielemesse in Essen erscheint bei Lookout Games dein neues Spiel Ora et Labora. Das klingt nach einem Kloster- oder Kirchenspiel. Was ist Aufgabe der Spieler bei einer Partie Ora et Labora? Welchen spielerischen Rahmen gibt die „Story“ vor?
„Es ist in der Tat ein Klosterspiel. Inspiriert wurde ich durch eine Ausstellung, die das Klosterwesen mit modernen Wirtschaftsunternehmen verglich. Die Spieler haben ein Bistum und bauen Gebäude und Siedlungen, die am Ende Punkte wert sind. Weiterhin gibt es für wertvolle Waren Punkte. Die wertvollste ‚Ware‘ heißt ‚Wunder‘, die zweitwertvollste ‚Reliquie‘.
Ich habe das Spiel an Le Havre angelehnt und möchte es anhand der Unterschiede beschreiben. Gewöhnliche Kurzbeschreibungen zu Ora et Labora lassen sich ja bereits auf anderen Internetseiten finden.
A: An die Stelle der regelmäßigen Pflichtzahlungen in der ‚Erntezeit‘ tritt das zu festen Zeitpunkten aufkommende Angebot, mit Energie und Nahrung Siedlungen errichten zu können. Wurden die Gebäude bei Le Havre noch in Reihen ausgelegt, so kommen sie bei Ora et Labora auf persönliche Pläne, sogenannte Landschaften, und sind in Nachbarschaft zu Siedlungen Punkte wert.
B: Bei Le Havre wurde der steigenden Nahrungsnachfrage mit Schiffen begegnet. Ora et Labora begnügt sich damit, dass die Wirtschaft zunehmend besser in Gang kommt. Dafür gibt es bei Ora et Labora noch mehr Variationsmöglichkeiten, was die Gebäudenutzung angeht. Die Waren treten in verschiedenster Weise in Interaktion zu einander. Da wird nicht einfach nur aus Fisch Räucherfisch.
C: Le Havre variiert durch Sondergebäude, Ora et Labora durch eine Frankreich- und eine Irland-Variante. Da für beide Ländervarianten gilt, dass immer die gleichen Gebäude ins Spiel kommen, sind die einzelnen Partien samt Punktezahlen gut vergleichbar.
Ich habe meinen Schwerpunkt bei Ora et Labora auf die epische Tiefe gelegt. Insgesamt gibt es 65 unterschiedliche Gebäude.“

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Mit welchen Hauptmechanismen bietest du den Spielspaß, mit welchen Mechanismen setzt du das Thema um?
„Das Thema ist Wirtschaft. Ich setze es auf bewährter Weise als Worker-Placement-Spiel um. Selbst die Frömmigkeit begreife ich als wirtschaftliches Element (Wunder und Reliquien). Wie schon bei meinen Vorgänger-Lookout-Spielen arbeite ich mit einem Anhäufungsmechanismus. Waren häufen sich so lange an, bis sie jemand nimmt. Wie bei Le Havre lasse ich Waren umwandeln, mit denen irgendwann Sachen bezahlt werden.
Ich formuliere gerne, dass Ora et Labora Le Havre mit Puzzeln ist. Wie ich bereits erwähnt habe, kommen die Gebäude bei Ora et Labora auf persönliche Spielpläne, vergleichbar mit den Hofplänen von Agricola. Sie müssen geschickt abgelegt werden, damit sie viele Punkte bringen. Das ist gar nicht so einfach, denn der Zugang zu vielen Baufeldern ist durch Moor- und Waldkarten versperrt. Diese Barriere ist vergleichbar mit Agricola – Die Moorbauern, welches ich im November 2008, zwei Wochen nach (!) Ora et Labora erfunden habe.
Ich sollte diese Antworten handschriftlich verfassen, damit ‚die Handschrift des Autors unverkennbar wird‘.“

Angekündigt ist ein spezielles Rad, mit dem wesentliche Teile des Spiels gesteuert werden. Wie funktioniert das genau und worin unterscheidet sich das Rad vom Rondell der Spiele wie Antike, Imperial, Hamburgum oder Navegador oder auch vom Rohstoffanzeiger bei Macao?
„Bei meinem Rad geht es um den soeben angedeuteten Anhäufungsmechanismus. Ich möchte deine Frage ausführlich beantworten. Wenn wir Spieleautoren der Kulturgeschichte des Rades eine neue Wendung geben, dann soll das auch dokumentiert werden.
A: Mein Häufigkeitsrad hat mit Mac Gerdts’ Rondell gemeinsam, dass es rund ist. Immerhin. Mac nutzt das Rondell, um ein Workerplacement mit situationsabhängiger Auswahl an Aktionsfeldern anzubieten. Beim klassischen Workerplacement wird die Auswahl an Aktionsfeldern reduziert, indem Felder von Arbeitern besetzt werden, bei Mac, indem manche zu weit vom eigenen Arbeiter entfernt sind. Macs Rondell dient der Festlegung des Entfernungsbegriffs. Er hätte auch eine Figur über eine Landkarte laufen lassen können, um die Entfernungen darzustellen, aber er hat sich (entgegen seiner Art) der Eindimensionalität verschrieben.
B: Etwas mehr Ähnlichkeit hat mein Rad mit Stefan Felds Macao-Mechanismus. Bei Stefan bekommt man wenige Waren in Kürze oder viele Waren um einiges später. Das Zeitrad reguliert, wann man die Waren erhält. Ein wundervoller Mechanismus, wenn man den Spieler vor Aufgaben stellt wie: ‚Erhalte in der gleichen Runde rote, blaue und grüne Steine vom Zeitrad‘. Hierauf hätte der Schwerpunkt des Spiels gelegt werden sollen.
C: Das Macao-Zeitrad ist eine Variation von Folker Jungs Zeitrad in dem Spiel The Circle. In The Circle sind Spione einzusetzen, die einen Zeitwert haben, welcher angibt, wie viele Runden ein Spieler warten muss, bis er die Aktion des Spions durchführen kann. Die Wartezeiten werden mit einem Zeitrad dargestellt. Eine idealer Mechanismus, um die Mitspieler rechtzeitig auf kommendes Unheil wie einen Mordanschlag vorzubereiten. Folkers Zeitrad ist eine spatzwürdige Innovation, um Wartezeiten anzuzeigen, oder auch um darzustellen, wie viele Runden einem Spieler bestimmte Aktionen noch zur Verfügung stehen.
D: Ora et Labora hat kein Zeitrad, sondern ein Häufigkeitsrad. Ein Unterbegriff des Häufigkeitsrades ist das Ertragsrad. Das Ertragsrad zeigt die Anzahl an Waren an, die man erhält, wenn man eine Warensorte wählt. Dieser Wert erhöht sich von Runde zu Runde, bis jemand die Waren der Sorte nimmt. Danach sinkt geht der Wert auf Null.
Ich denke, man sollte Ora et Labora eher mit Agricola, Le Havre und Merkator vergleichen, als mit den aufgeführten Spielen: Letztendlich habe ich die Radoptik nur eingesetzt, um Waren anzuhäufen.“

Ora et Labora ist allein von der Spieldauer ein spielerisches Schwergewicht. Wie komplex ist es im Vergleich zu Spielen wie Le Havre oder Agricola und wie lange wird es etwa dauern?
„Bei 2/3/4 Spielern dauert es in der kürzeren Version nur 80/50/70 Minuten und unterbietet damit manch ein Familienspiel. In der abendfüllenden Version dauert es 200/140/160 Minuten. Die Komplexität muss für Spielstart und Spielende getrennt betrachtet werden. Agricola wirkt bei Spielbeginn komplex, da sich die Spieler mit 14 unterschiedlichen Handkarten auseinandersetzen müssen. Le Havre und Ora et Labora werden immer vielschichtiger, je mehr Gebäude ins Spiel kommen. Beide Spiele beginnen mit wenigen Aktionsmöglichkeiten und bieten deshalb einen schnellen Einstieg. Agricola habe ich in 25 Minuten erklärt, Le Havre und Ora et Labora jeweils in 15 Minuten.“

Es wird viel Material verwendet. Wie wird die Ausstattung von Ora et Labora sein?
„Diese Frage hättest du uns schon bei Agricola stellen sollen, dann hätten sich nicht so viele Leute verhoben. Im Ernst: Das Spiel wird ein wenig mehr Material haben als handelsüblich ist. Wir waren auf ausländische Partner angewiesen, um die Kosten in den Griff zu bekommen. Pappe ist eben doch sehr teuer geworden.“

Video: Uwe Rosenberg erklärt Ora et Labora

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