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Wie Spiele ihr Design bekommen I

Ein extremes Beispiel für eine Coverentwicklung: Von Traumschiff Orion ... von Michael Menzel

Vom Brainstorming zum fertigen Cover

„Das größte Problem ist der eigene Geschmack. Den muss man immer hinten anstellen und sich fragen: Ist es wirklich schlecht umgesetzt oder trifft es nur zufällig nicht meinen Geschmack?“ – Ob Schachtelcover, Spielplanillustration oder Figurendesign: Bei der Spielegrafik laufen im Hause Queen Games alle Fäden bei Produkt-Manager Bernd Dietrich zusammen. Er steuert den Entscheidungsprozess und engagiert die Illustratoren: „Wenn feststeht, dass ein bestimmtes Spiel ins Programm genommen wird, treffen wir uns zu einem Briefing. Dort kriegt der Grafiker die Materialien genannt, die im Spiel enthalten sein werden, sowie deren Maße. Wir spielen das Spiel als Prototyp zumindest an, damit er ein Gefühl dafür bekommt, was mit dem Material passiert.“

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... geht es über Space Cars ... von Michael MenzelNach einem gemeinsamen Brainstorming lässt der Grafiker die Sache sacken und reicht bald darauf eine erste Bleistiftskizze ein, häufig noch mehrere Alternativskizzen. Je nachdem, wie schnell die Vorstellungen zusammenfinden, geht es anschließend flotter oder zäher voran: Auf Schwarz-Weiß-Skizzen folgen einfache und später detailliertere Farbskizzen. So entsteht im Verlag eine zunehmend konkrete Vorstellung, wie die Endfassung des Spiels aussehen wird, ohne dass der Grafiker schon alles hundertprozentig ausarbeiten muss. Das nämlich wäre unökonomisch. Zu oft lassen Verlage zwischendrin wieder Änderungen vornehmen.

... zur Original-Schachtelgrafik von Zauberstauber von Michael Menzel„Meine Aufgabe ist es, drei Pole miteinander zu verschmelzen“, resümiert Dietrich. „Auf der einen Seite haben wir den Grafiker mit seiner fachlichen und künstlerischen Sichtweise. Der zweite Pol sind Autor und Redaktion. Hier geht es um Spielbarkeit: Sind die Farben gut unterscheidbar? Sind die Symbole eindeutig? Für den Autor ist das Spiel außerdem „sein Baby“, das er entsprechend sorgfältig behandelt wissen will. Und schließlich mischt noch der Vertrieb mit. Dessen Frage lautet: „Ist das Spiel so verkäuflich oder nicht?“ Sind nach mehreren Etappen und Anpassungen endlich alle Meinungen unter einen Hut gebracht, gibt Dietrich dem Grafiker grünes Licht, mit der Endfassung zu beginnen.

Für einen mittleren Verlag ist diese Arbeitsweise exemplarisch. Anders gestalten sich die Abläufe bei einem großen Verlag mit eigener Grafik-Abteilung und entsprechend ausgebildeten Mitarbeitern. Die Design-Entwicklung von Ravensburger etwa arbeitet bei einem Spiel üblicherweise gleich mit mehreren externen Leuten zusammen. Ihr Leiter Tom Ring erklärt das Vorgehen: „Wir bilden für jedes Projekt ein Team. Die Art Direction bleibt immer bei uns im Haus, zusätzlich suchen wir uns Spezialisten für bestimmte Aufgaben. Es kann also ein Logo-Designer hinzukommen, ein anderer für die Illustration, ein dritter für die Anleitung und so weiter.“ So stammen beispielsweise bei King Arthur der Spielplan und die Karten von Franz Vohwinkel, nicht aber die Schachtelgrafik. Anders Die Insel. Dort hat Vohwinkel das Cover und den gesamten Inhalt illustriert, allerdings nicht den Titel-Schriftzug mit den Lava-Buchstaben. Hierfür beauftragte Ravensburger zusätzlich einen Logo-Spezialisten, während noch ein Dritter die Figuren entwarf.

Vom frühen Entwurf Michael Menzels ... von Michael MenzelWichtigstes Arbeitsinstrument eines Illustrators ist heute der Computer. Falsch wäre nun die Vorstellung, dass man lediglich ein paar Tasten zu drücken braucht, und schon malt das Programm selbst ein schönes Bild. Benutzt wird vielmehr ein Grafik-Tablett, vorstellbar als eine Art elektronischer Zeichenblock, dessen Malfläche auf dem Schreibtisch liegt. Mit einem speziellen Stift malt man darauf und das entstandene Bild wird in den Computer übertragen. Hinzu kommt noch bestimmte Software, um zu kolorieren oder verschiedene traditionelle Zeichentechniken zu simulieren. Verglichen mit einer Zeichnung auf Papier kann man hier wesentlich leichter Fehler rückgängig machen, Korrekturwünsche der Kunden einarbeiten oder Farben und Lichteffekte nachträglich verändern. Auch lassen sich die Grafiken wieder in Einzelelemente zerlegen, was sich gut nutzen lässt, wenn nur ein bestimmtes Objekt oder nur das Logo für die Spielregel oder eine Werbeanzeige benutzt werden sollen.

... geht es über weitere Versionen ... von Michael MenzelBei einem thematischen, insbesondere einem historischen Spiel ist Recherche unabdingbar. Schon bevor der Illustrator Michael Menzel seine erste Skizze für das Queen-Spiel Aqua Romana erstellen konnte, musste er herausfinden, wie Baukräne oder Holzgerüste zur Römerzeit aussahen: „Ich gehe dann immer in die Bücherei, lese mich ins Thema ein und suche nach Abbildungen. Je mehr man weiß, desto besser. Man kann dann auch neue Dinge beisteuern, wie etwa die Podeste auf dem Spielplan. Das waren vorher nur ganz normale Felder. Aber ich habe gelesen, dass die Baumeister damals außerordentlich angesehen waren, und so wurden Podeste draus.“ Aufs Cover zeichnete Menzel Arbeiter, die Löcher in die Steinquader bohren. Details dieser Art setzen das Wissen voraus, wie ein Aquädukt gebaut wurde. Menzel erklärt: „Die Bohrungen dienten zur Befestigung der Steine. So ein bisschen wie Lego. – Ob die Arbeiter ihre Löcher nun wirklich dort oben auf dem Gerüst gebohrt haben, dafür kann ich meine Hand allerdings nicht ins Feuer legen …“

... bis der finale Schachtelentwurf zu Aqua Romana fertig ist von Michael MenzelNeben Zeichentalent: Welche Eigenschaften sollte ein Spiele-Illustrator mitbringen? „Er muss auf jeden Fall termingerecht arbeiten können“, sagt Menzel. „Wobei die Planung sehr schwierig ist. Bei manchen Projekten passt’s einfach und alles läuft schnell und reibungslos. An anderen Sachen sitzt man ein halbes Jahr, bis endlich alle Wünsche eingearbeitet sind.“ Punkt zwei: „Man muss vielseitig und flexibel sein. Es geht nicht darum, dass ich versuche, meinen künstlerischen Stil durchzusetzen. Ich muss eine Darstellungsform finden, die dem Spiel entspricht. Und bloß nicht an eigenen Ideen festklammern und am alten Cover hängen! Jambo beispielsweise war mal im Mittelalter. Das wurde komplett umgestellt. Die Verlage wissen schon, warum sie bestimmte Sachen ändern wollen. Davon kann man nur lernen.“ Und muss der Grafiker auch Spieler sein? Bernd Dietrich differenziert: „Beim Cover soll ein Funke überspringen. Hier muss der Grafiker die Emotion des Themas auf den Punkt bringen. Ob Spieler oder nicht, ist da egal. Bei den Innenteilen ist es dagegen schon wichtiger. Der Spielplan beispielsweise darf nicht zu unruhig sein. Das sieht dann vielleicht super aus, ist aber nicht mehr spielbar.“

 

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