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Spieleautor Arve D. Fühler über sein Brettspiel El Gaucho

Prototyp El Gaucho - Spielaufbau - Foto von Argentum Verlag

Durchgewürfelte Rinderherden

blankArve, in Essen erscheint zur Spiel ’14 beim Argentum Verlag dein Brettspiel El Gaucho. Der Name klingt nach Lateinamerika und Hazienda. Was versteckt sich tatsächlich hinter dem Titel?
„In El Gaucho versetzten wir uns zurück in die romantisch verklärte Zeit der Gauchos und Rinderbarone, mit allen Klischees, aber ohne Vorurteile – es ist ja schließlich ein Spiel und das soll vor allen Dingen Spaß machen:

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Als Rinderbaron schickst du deine Gauchos in die Pampa um möglichst fette und stattliche Rinder einzufangen. Diese treibst du dann ein, stellst sie zu Herden zusammen, und verkaufst sie dann mit möglichst viel Gewinn auf dem Markt. Es gibt ein Würfelrodeo, in dem die Gauchos trainieren, es gibt Viehdiebe, die du anheuerst, um deinen Mitspielern wertvolle Tiere zu stehlen, es gibt Rodeohelden, die dir zu Diensten stehen, und du kannst deine scharfen Aufseher losschicken, um schlafenden Gauchos auf die Sprünge zu helfen.“

Wie bist du auf dieses Thema gekommen?
„Ursprünglich hatte ich an einem Spiel mit dem Arbeitstitel Bumm! gearbeitet, bei dem man als Sprengmeister Hochhäuser in die Luft jagt. Es wurden Karten als Stockwerke ausgelegt und mit Würfeln Sprengladungen auf die Karten platziert. Waren in einem Hochhaus alle Stockwerke mit Sprengladungen versehen, wurde das Haus gesprengt und die Spieler bekamen ihre Karten. Hier wurde also das jetzige Spielprinzip geboren.

Allerdings scheitete ich am Thema. Denn was erhält man, wenn man ein Hochhaus sprengt? Ein Haufen Beton?, ein Haufen Glas?, Schrott?, Staub? Dreck? Möchte das jemand für Punkte verkaufen? Das war alles nicht so prickelnd und hat mich von der Story her nicht überzeugt. Ich hatte also einen Mechanismus der schon ganz gut funktionierte aber kein passendes Thema mehr …

Also habe ich in Gedanken verschiedene Themenbereiche durchstöbert, die zu dem Mechanismus passen könnten. Irgendwann kam ich auf Landwirtschaft und dann auf Kühe – und Kühe finde ich toll. So war der Gedankensprung zu Rindern die von Cowboys, bzw. Gauchos eingefangen werden, nicht weit. Und es war sofort das Gefühl da: Das ist es! Das passt! Das hat Atmosphäre. Auch der Titel El Gaucho war sofort da.“

Mit welchen Mechanismen setzt du das Brettspiel El Gaucho um? Welche sind maßgeblich für den Spielspaß verantwortlich?
„In El Gaucho ist fast alles im Spiel offen und sichtbar. Ich kann also immer sehen, welche Optionen meine Mitspieler haben und was sie möglicherweise planen. Dadurch wird das Spiel ziemlich interaktiv, denn mit jeder Aktion versuche ich das Beste für mich herauszuholen und gleichzeitig möchte ich meine Mitspieler dabei möglichst viel ärgern in dem ich ihre Pläne durchkreuze.

Spieleschachtel El Gaucho - Foto von Argentum VerlagDas Spiel ist also offensichtlich gut planbar. Allerdings werden alle Aktionen über Würfel gesteuert. Das ist sozusagen das Zufallselement als Gegengewicht zur Planbarkeit und macht für mich einen Teil des Spielreizes aus. Denn je nach Würfelauswahl muss ich situationsbedingt umdenken und handeln. Außerdem habe ich nur zwei Würfel zur Auswahl und muss mich entscheiden, ob ich meine Gauchos in die Pampa schicke oder doch lieber auf die Sonderfähigkeiten gehe. So entstehen spannende Dilemma-Situationen.

Aber einen Großteil des Spielreizes machen die Sonderfähigkeiten aus. Denn sie geben mir Möglichkeiten meinen Spielzug zu optimieren, das Würfelglück einzuschränken und natürlich meine Mitspieler zu ärgern.“

Ein besonders interessantes Detail ist ein eingezäuntes Würfelfeld. Dieses ist für das Spiel eigentlich unwichtig. Wie wichtig sind für dich solche Details, um Atmosphäre zu schaffen?
„Das ‚Würfelrodeo‘ – so nennt sich das eingezäunte Würfelfeld – ist spieltechnisch wirklich nicht relevant. Aber spielerisch und auch funktional finde ich es ein schönes und wichtiges Element.

Bei den ersten Versionen mit einem Spielplan gab es die Umzäunung noch nicht. Ich wollte aber, dass alle Würfel nach dem Würfeln auf dem Spielplan abgelegt werden, damit jeder die Würfelauswahl immer gut im Blick hat. Das Würfeln auf dem Plan gestaltete sich aber etwas schwierig. Hier standen ja auch die Spielfiguren und die wurden dann ab und zu schwungvoll umgekegelt. Also hat jeder vor sich gewürfelt, alle Würfel auf den Plan gelegt um dann anschließend wieder seine Würfel auszuwählen. Das war immer viel hin und her und somit auch keine sehr glückliche Lösung. Die Testspieler haben dann auch meistens die Würfel gar nicht erst auf den Plan gelegt, sondern einfach weitergegeben. Das funktionierte also nicht wirklich. Ich wollte aber eine einfache und intuitive Lösung, denn die Würfel sind ja ein zentrales Element …

Dann kam mir die Idee mit dem Zaun. Das sind solche Momente wo man jubelt: Eine Lösung die einfach ist, thematisch passt und ein hohes spielerisches potential hat. Also schnell ein wenig gebastelt und siehe da: Die Testspieler haben es geliebt.

Und ja, ich liebe solche Details. Denn sie unterstützen ein Spiel funktional, sind sehr intuitiv und können ein Thema optisch, atmosphärisch und spielerisch gut umsetzten und somit das Spielerlebnis erhöhen. Ich denke das funktioniert allerdings nur wenn solche ‚Gadgets‘ nicht leerer Selbstzweck sind.

Klasse ist natürlich, das Argentum das genau so umsetzen kann. Hier hat sich der Verlag mächtig ins Zeug gelegt. Da muss ich an dieser Stelle mal ganz laut Dankeschön sagen.“

El Gaucho wird ein etwas anspruchsvolleres Familienspiel werden. Wer kann sich deiner Meinung nach an das Spiel herantrauen?
„Die Grundmechanismen und der Ablauf des Spiels sind einfach und schnell zu begreifen und die Spielzeit ist mit ca. 45 Minuten überschaubar. Das sind alles geringe Einstiegshürden – von daher ist das Spiel für Familien und Gelegenheitsspieler sehr gut geeignet.

Aber so einfach El Gaucho daherkommt, so mehr Spieltiefe bekommt es, je öfter man es spielt: Mit jeder Partie versteht man besser, mit den Sonderfähigkeiten umzugehen, entdeckt mehr taktische Möglichkeiten und lernt, wie man das Ärger Potential richtig ausschöpfen kann. Das Spiel hat in meinen Augen einen sehr großen Wiederspielreiz und genug Anspruch und taktische Tiefe um auch für Vielspieler interessant zu sein.

Allerdings würde ich El Gaucho nicht für reine Strategen und pure Taktiker empfehlen. Das Spiel basiert zwar auf einem einfachen kalkulierbaren System, aber durch die Würfel und die interaktiven Sonderfunktionen sollte es eher aus dem Bauch heraus gespielt werden.“

Präsentation des Prototypen des Spiels El Gaucho - Foto von ArgentumAuf der Spielemesse in Essen sind sehr viele Spieler, die ein Spiel schnell an testen. Da ist ein guter Ersteindruck wichtig. Gibt es einen Tipp vom Autor worauf die Spieler besonders achten sollten um sich den Spielspaß und die Wertung nicht zu verderben?
„Nutzt die Sonderaktionen! Ärgert Eure Mitspieler und schnappt ihnen die wertvollen Rinder weg. Wenn ihr auf den Weiden kein gutes Angebot habt, nutzt die Würfel, um euch Sonderaktionen zu sichern. Die Sonderaktionen sind der Schlüssel zum Sieg!

Lange Herden bringen zwar viele Punkte, sind aber auch immer gerne ein Ziel für den ‚Viehdieb‘. Kurze Herden zu verkaufen, bringt mit der Aktion ‚Sofortverkauf‘ Zusatzpunkte. Die Wertungen sind bei El Gaucho ein wichtiges Element, aber die eigentlichen Punkte gibt es meistens erst am Spielende. Es lohnt sich also allemal eine Partie durchzuspielen – und wen nicht zu viel gegrübelt wird, geht das wirklich flott.“

Du bist ein „neuer“ Autor, erst dieses Jahr erscheinen die ersten Spiele von dir. Allerdings gleich drei. Wie lang und schwierig war die Vorbereitung, um ein solches Debutjahr hinzulegen?
„Oh je, noch eine Frage die ich leider auch nicht mit drei Worten beantworten kann. Meine ersten Spiele entwickelte ich Anfang der 1990er-Jahre. Damals hatte ich sogar einen Vertrag mit einem hessischen Verlag, der ein Kartenspiel von mir herausbringen wollte. Allerdings ging der Verlag dann Konkurs, so dass es mit der Veröffentlichung nichts wurde. Schade eigentlich. Denn dann habe ich das mit dem Spieleentwickeln leider aus den Augen verloren. Aber ich war auch gerade mit dem Studium fertig und mein erster Sohn war geboren. Also kümmerte ich mich mehr um meinen beruflichen Werdegang und um meine Familie. Viel gespielt und mit Spielen beschäftigt habe ich mich aber natürlich weiterhin.

Die Entscheidung, mich wieder als Spieleautor zu betätigen, kam dann im Frühsommer 2012. Und wenn ich mich für etwas entscheide, mache ich es auch richtig. Das ist Fluch und Segen zugleich. Ich habe also sehr, sehr viel meiner freien Zeit investiert. Ich habe Seminare besucht, Kontakte geknüpft, mich mit befreundeten Autoren ausgetauscht und unzählige Testrunden gespielt. Eines meiner ersten fertigen Spiele war Pagoda, das ich im Herbst 2012 beim Hippodice Autorenwettbewerb eingereicht hatte, Im Februar 2013 hatte ich dann weitere drei ziemlich ausgereifte Prototypen mit denen ich zur Spieleerfindermesse nach Haar gefahren bin um sie erstmals Verlagen zu präsentieren. Und was ab dann passierte ist eigentlich unbeschreiblich und für mich noch immer unbegreiflich.

Der aller erste Verlagskontakt den ich in Haar hatte, war mit Zoch. Sie haben sich gleich für eines meiner Spiele begeistert und einen Prototyp mitgenommen. Es war das Stich-Spiel Alles Kacke das im Frühjahr als Scharfe Schoten erschienen ist. Und als Pagoda mit dem Hippodice Sonderpreis für das beste Zwei-Personen-Spiel ausgezeichnet wurde, hatte ich dann auch noch einen Vertrag mit Pegasus. Das ging alles so schnell. Ich war vollkommen überrumpelt und absolut überwältigt. Und natürlich war das ein riesen Ansporn weiter zu machen.

Dieses Jahr, also 2014, hatte ich in Haar dann auch wieder einige neue Spiele im Gepäck. Unter anderem El Gaucho. Es waren insgesamt fünf Verlage, die sich jeweils einen Prototyp mitgenommen hatten – Wahnsinn! Um die Geschichte abzukürzen: es war Roman Mathar von Argentum, der sich als erster meldetet und das Spiel sogar noch dieses Jahr – also zu Essen – rausbringen wollte. Da fiel die Entscheidung nicht schwer.

Zusammengefasst kann ich sagen: Es war wirklich viel, viel harte und intensive Arbeit – da war nicht mehr viel Platz für Anderes. An dieser Stelle muss ich auch meiner lieben Frau Bärbel danken, die mich so sehr unterstützt hat, auch wenn es nicht immer leicht war. Aber die Freude die das Spieleentwickeln bringt, wiegt vieles auf. Natürlich auch der Erfolg. Ich hoffe also, dass in den nächsten Jahren noch viele tolle Spiele entstehen. Ich habe ja gerade erst angefangen.“

Was reizt dich am Spieleentwickeln? Wie bist du dazu gekommen?
„Spieleentwickeln ist eigentlich eine konsequente Fortführung von dem was ich täglich mache: Ich arbeite als Art- und Creative-Director in einer Werbeagentur. Studiert habe ich Kommunikations-Design und von daher her ist das ‚Gestalten‘ für mich eine Berufung. Und da ich schon immer gespielt habe verbindet sich das eine mit dem anderen. Ich mache also in meiner Freizeit eigentlich nichts anderes als in meinem Beruf. Nur das ich beim Spieleentwickeln alle Freiheiten habe und genieße.

Den Reitz am Spieleentwickeln sehe ich wie bei jedem Gestaltungsprozess: Es macht fantastisch viel Spaß, Ideen zu suchen, zu finden und daraus etwas Tolles zu formen, das Menschen begeistert. Außerdem ist Spieleentwickeln sehr interdisziplinär. Der Prozess hat viele Facetten und fordert einiges von einem ab. Das ist jedes Mal eine spannende Herausforderung.

Neben der Ideenfindung, der spielerischen sowie der thematischen Umsetzung reizen mich natürlich auch die gestalterischen Aspekte – also die visuelle Kommunikation: Wie kann man komplexe spielerische Systeme und Informationen in eine einfach verständliche grafische Sprache übersetzen. Ich habe mächtig Spaß daran meine Spieleideen in funktionierende Prototypen umzusetzen.

Und zu guter Letzt. Das tolle am Spielen und auch am Spieleentwickeln: Es ist kreativ, es ist kommunikativ, es ist emotional und es macht einfach nur Spaß – meistens zumindest.“

Ludografie von Arve D. Fühler

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