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Wenn man nicht nach den Regeln spielt …

Spielregeln - Spielanleitungen - Foto von Reich der Spiele

… macht es keinen Spaß!(?)

Wenn man nicht nach den Regeln spielt, macht es keinen Spaß!“ Wer kennt diese Aussage nicht … Mitunter frage ich mich aber, warum es eigentlich Spielanleitungen gibt. Damit meine ich nicht, dass eine Erklärung des Spielablaufs nicht sinnvoll wäre. Es gibt aber Spielanleitungen, die sind alles andere als gut. Genau genommen gibt es immer wieder richtig grottig schlechte Exemplare. Und wenn ich mir die Masse der Anleitungen ansehe, sind davon noch deutlich mehr didaktisch einfach schlecht.

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Neulich zum Beispiel war ich einer der Menschen, die das fragwürdige Vergnügen mit dem Spiel Gelegenheit macht Diebe hatten. Als Mitspieler, nicht als Erklärer. Diese Anleitung beinhaltet eigentlich so ziemlich alles, was gar nicht geht: Zu ausführliches Blabla für einen minimalen Mechanismus, fehlende Erklärungen für gar nicht so seltene Spielsituationen, fehlende Erläuterungen von regelmäßigen Abläufen, diskussionswürdige wesentliche Passagen und alles in allem das Gegenteil von dem, was eine liebe Mitspielerin von mir gern als „Bedienungsanleitung“ bezeichnet. Mit einem Wort ist die Anleitung kurz gesagt: schrecklich!

Aber ich will mich mal allgemein fassen und ein paar Probleme mit Spielanleitungen und Spielregeln aufzeigen. Denn dieser Abend mit dem kurios schlecht beschriebenen Krimispiel war Anlass, mir grundsätzliche Gedanken zu machen. Eins steht fest: Das Formulieren einer guten Spielanleitung ist eine Kunst. Allein auf die Anleitung kommt es jedoch auch nicht an. Denn die gespielte Regel ist entscheidender.

Ausufernde Erklärungen in Spielanleitungen

Na klar, eine Spielanleitung soll den Spielern verdeutlichen, wie sie ein Spiel zu spielen haben. Genau an der Stelle fängt es aber an. Denn je mehr unterschiedliche Spieler ein Gesellschaftsspiel spielen, desto wahrscheinlicher werden Missverständnisse, Fehlinterpretationen und Auslegungsfragen.

Was also machen die Spieleverlage? Sie versuchen, jeden noch so kleinen Sonderfall abzudecken und blähen die Spielanleitung auf ein Maximum mit minimaler Übersichtlichkeit auf. Es wäre so einfach, aber nein, es werden passagenlang Mechanismen und Abläufe ausufernd erklärt, seltene Möglichkeiten aufgezeigt, die Wertung so sehr erklärt, dass am Ende häufig schlicht der rote Faden fehlt. Ausnahmen gibt es immer. Alea Spiele ist so ein Verlag, auch Kosmos hatte in der Vergangenheit immer mal wieder gut strukturierte und übersichtliche Anleitungen. Das Gegenteil versucht zum Beispiel Amigo Spiele. Hier habe ich immer das Gefühl, die Redaktion will mir jedes Komma erklären, damit ich das Spiel ja richtig spiele. Meine Augen verlieren einfach den roten Faden, mein Kopf verliert sich in aufegblähten Erläuterungen. Dafür bleiben bei diesem Verlag aber zumindest in der Regel (hah!) immerhin keine Fragen offen. Auch das ist positiv.

Zu lang, zu wenig übersichtlich, zu wenige Beispiele

Das Problem solcher Spielanleitungen ist, dass sie lang werden. Und zwar eindeutig unnötig lang. Das wiederum führt bei manchem Zeitgenossen zum Anleitungsfrust. Spielanleitungen muss man eben lesen wollen. Und wenn solchen Leuten dann acht oder gar 16 Seiten Text in der Hand liegen, fliegt das Spiel schon einmal in die Ecke. Besonders kritisch wird es, wenn am Ende dennoch wichtige Fragen offen bleiben, wesentliche Spielregeln in Beispielen untergebracht sind oder das Textlayout die Übersicht erschweren. Ich wünsche mir jedenfalls kürzere, klarere und mit besseren und stärker abgegrenzten Beispielen angereicherte Spielanleitungen. Der unendliche Bleiwüstenwust oder das Versteckspiel in den Texten ist einfach nur schrecklich ermüdend. Was mir zudem häufig fehlt, ist eine kurze Zusammenfassung des Spielablaufs am Anfang der Spielregel, um mit den einzelnen Abschnitten überhaupt etwas anfangen zu können. Das gilt umso mehr, je umfangreicher das Spielmaterial ist (obwohl zum Beispiel Übersichtskärtchen häufig fehlen!). Dennoch: Ausufernde Erläuterungen sind häufig kontraproduktiv.

Nach welchen Regeln spielen wir denn?

Kleiner Abstecher: Denn auf dieser Basis schließt sich in der Praxis noch ein weiteres Problem an. Es gibt nämlich Gesellschaftsspiele, bei denen frage ich vor dem Spiel gern, nach welchen Regeln denn gespielt wird. Häufig werde ich fragend angeblickt. Wer Doppelkopf spielt, wird die Problematik vielleicht kennen. Aber die macht nicht vor Brettspielen Halt. Ein Beispiel: Carcassonne. Kennt fast jeder Spielefan, aber es gibt inzwischen Regeländerungen bei der Bauernwertung. Ich habe die Übersicht verloren, aber als Spieler der Erstauflage kommt es immer wieder zu Konflikten mit Spielern der neueren Auflagen. Die können sich kaum vorstellen, dass es überhaupt mehrere Punkteregeln gibt. Ähnliches gilt für Monopoly. Ehrlich: Da gibt es so viele dubiose Hausregeln, dass es plötzlich mitten im Spiel zu Diskussionen kommen kann. Oder Risiko: Alle Armeen beliebig weit, alle über eine Grenze oder eine beliebig weit oder eine über eine Grenze – wie darf verschoben werden? Ich glaube diese Nachrückregeln waren alle mal offiziell und haben alle ihren Reiz. Diese mitten im Spiel zu klären, ist aber eine denkbar schlechte Idee … Hinzu kommen Eintauschregeln und die Würfelzahl. Also sollte man sich vor dem Spiel auf Grundlegendes einigen.

Der Spielerklärer hat immer recht!?!

Ich spiele ja nun meine Rezensentenpflicht erfüllend häufig Neuheiten. Das hat einen extremen Vorteil. Die Anleitung hat meistens nur einer (nicht zwingend ich selbst) gelesen und dieser erklärt dann das Spiel. Folglich ist die Erklärung Gesetz. Jedenfalls bis zu dem Punkt, an dem einer lautstark „Gib mir mal bitte die Spielanleitung“ sagt. Schlimmer ist dann nur, wenn darauf ein „Das hast du aber falsch erklärt“ folgt. Dann ist es auch egal, ob der strittige Punkt in der Erklärung vergessen, die Erläuterung (zum Beispiel wegen Müdigkeit) untergegangen oder einfach eine Missinterpretation der Spielregel ist. Was dann folgt, kann schlimmstenfalls zum Abbruch der Partie führen (kein Witz, alles schon erlebt). Mein Tipp an dieser Stelle: Der Erklärer hat im Zweifelsfall immer recht. Wobei: Es gibt schon Fehler in der Erklärung, die sind brachial und ändern das gesamte Spielgefühl. Aber was soll man denn machen, wenn so etwas mitten in der Partie passiert?

Spielregeln in der Praxis: Wie genau darf es denn sein?

Überhaupt: Wie wichtig sind denn die genauen Spielregeln? Natürlich sind sie für den Spielablauf wichtig. Aber ist es wichtig, ob ein Wort jetzt so oder doch so gemeint ist, auch wenn es dann zwei Spielregelauslegungen gibt? Allerdings liegt genau hier die Kunst. Wenn die Verlage nicht in der Lage sind, Spielanleitungen kurz, klar und verständlich zu halten, wird es immer Diskussionen geben. Speziell bei Menschen, die gern über Regeln diskutieren oder verschiedene Auffassungen von Logik und Wortbedeutungen haben. Es wäre vielleicht einfacher, wenn die Verlage alle unnötigen Passagen weglassen und lieber einen klaren Ablauf beschreiben. Das muss auch gehen, ohne den Text so aufzublähen, dass ihn keiner mehr lesen möchte und – selbst wenn – dabei dennoch Fragen offen bleiben. Sonderfälle mal ausgenommen. Wobei: Häufig sind es aber gerade nicht die Sonderfälle, die zu Diskussionen führen … Verlage: Mehr Mut zur knappen aber durchdachten Spielanleitung, bitte!

Eine Spielanleitung ist eben weniger eine Regel, sondern eher tatsächlich eine Anleitung. Und da gibt es eben, wie bei Aufbauanleitungen von Schränken, sehr häufig auch die Möglichkeit, mit leicht abweichenden Regeln zu ähnlichem Ergebnis (Spielspaß) zu kommen. Schwierig wird es nur, wenn eine Fehlinterpretation die Spielbalance oder den Spaß kippt. Aber das ist bei allen Regelfehldeutungen vielleicht eher eine seltene Situation. Ich kenne jedenfalls kaum Missinterpretationen, die bei meinen Partien mal den Mechanismus ausgehebelt hätten. Das erinnert mich aber an Autorenlegende Alex Randolph, der mal bei einer Partie eines seiner Spiele gegen eine neuen Mitspielerin (so meine Erinnerung an eine Aussage von Dominique Metzler, der Organisatorin der Spielemesse in Essen) gesagt haben soll: „Ja, so kann man es wohl auch spielen.“ In diesem Sinn stehe ich auf dem Standpunkt: Solange alle nach den gleichen Regeln spielen, macht es eben dennoch Spaß.

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4 Kommentare

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Steffi 24. Februar 2016 at 06:53

Sehr schön geschrieben!

 

Mir ist die Komplexität von einigen Spieleanleitungen auch schon aufgefallen. Zuletzt bei Rheinländer – 16 Seiten für ein Spiel mit 30 Minuten Spieldauer. Aber hier gibt es immerhin eine einseitige Zusammenfassung.

 

Bei uns ist das so: Einer liest sich durch die handbuchartigen Anleitungen und versucht mit eigenen Erklärungen die Regeln wieder zu geben. Dann folgt eine Testrunde. Offene Fragen schlagen wir nach oder wir einigen uns auf eine Regelung. Fertig!

 

Es gibt auch manifestierte Hausregeln. Beispielsweise spielt bei der Carcasonne-Erweiterung Burgfräulein und Drache die "Fee" nie mit, weil wir sie eh ständig vergessen.

 

Solange sich alle Mitspieler einig sind, finde ich abgewandelte Spielregeln völlig in Ordnung! Und wenn dann doch mal ein Fehler passiert und etwas falsch abgerechnet wurde – who cares – es geht doch um den Spaß, oder nicht?

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Daniel Wünsche 24. Februar 2016 at 13:55

Kurz nach dem Öffnen einer Spielepackung, kommt hier Freud und Leid eines neuen Spiels.

 

Ich liebe es, Regeln zu lesen, ich hasse es, sie erklären zu müssen. Es gibt einfach gute Regeln, die sind toll struckturiert, setzen kleine Hinweise auf Spezialsituationen und sind auch gut gestaltet, für einen Wiedereinstieg nach ein paar Monaten. Man findet schnell die Stellen, die man über die Zeit vergessen hat.

Dann gibt es die Anleitungen, die ständig Verweise in andere Kapitel setzen, wichtige Regeln in Beispielen verstecken, oder ganz schlimm: bekannte Begriffe wie „Zug“ oder „Runde“ neu definieren.

 

Zuletzt ganz schlimm war für mich die Erklärung zu Skyliners. 12 Seiten Bla Bla für 5 Regeln …

 

Dann gibt es noch Regeln, die sich toll lesen: Galaxy Trucker und Dungeon Petz aber für mich persönlich nicht toll sind, um eine Regel nachzulesen.

 

Zum Glück darf ich nur Meckern, und muss die Dinger nicht selbst schreiben 🙂

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Hendrik Breuer 24. Februar 2016 at 13:44

…finde ich, dass bei Pandemic Legacy sinngemäß in der Regel steht: Wenn man merkt, dass man etwas falsch gespielt hat, einfach weitermachen, weil’s eh kein großes Problem ist.

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Karsten 24. Februar 2016 at 14:33

Ich weiß gar nicht, warum immer alle meckern! Für mich sind Spielanleitungen ein Genuß. Je länger, desto besser. Ich lese das gerne und lasse mir dabei auch Zeit. Manchmal baue ich sogar das Spiel auf und freue mich wie ein Schneekönig, herauszufinden wie es dann geht. Also mir macht Regellesen Spaß!

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