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Im Interview: Heinrich Glumpler (Teil 1)

Heinrich Glumpler von Heinrich Glumpler

Über das Spieleerfinden und Geschichten aus 1001 Nacht

Heinrich, bist du eigentlich einsam?
„Nein. Na ja, ab und zu schon, da meine Freundin (mit der ich seit zwei Jahren zusammen bin) in Köln lebt und wir uns nur am Wochenende sehen. Tatsächlich hatte ich zeitlich eigentlich immer Probleme, mein Leben zu jonglieren zwischen der beruflichen Arbeit, der Verlags-Arbeit und meinen Beziehungen – ach ja, und dem Sport – oh – und dem Lernen. Ich lerne wahnsinnig gerne. Da ist selten Zeit für Einsamkeit. Um mich der Spieleentwicklung und meiner Freundin mehr widmen zu können, bin ich inzwischen auf die 4-Tage-Woche (beruflich) umgestiegen. Die Bahnfahrt versuche ich, für die Spieleerfinderei zu nutzen, was manchmal klappt und manchmal nicht. Einsam bin ich als Spieleerfinder, da ich alleine arbeite – eine Vorgehensweise, von der ich nur dringend abraten kann, da es außerordentlich frustrierend ist, Spiele alleine zu entwickeln. Ich würde gerne mit jemanden zusammen arbeiten, aber die Gelegenheit hat sich noch nicht ergeben. Mario ist unverzichtbar als bessere Hälfte im Verlag, da ich ohne ihn kein einziges Spiel verkaufen würde – er hat das Know How, was Layout, Produktion, Vertrieb und dergleichen angeht – ich bin der Typ, der grübelnd im Elfenbeinturm sitzt.“

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Na, ich fragte eigentlich nur, weil die von Dir veröffentlichten Spiele alle auch alleine spielbar sind. Da lag diese Unterstellung ja nahe. Gibt es einen speziellen Grund, warum „deine“ Spiele (Geschichten aus 1001 Nacht und Fette Autos) auch für eine Person geeignet sind, oder war das jetzt Zufall?
„Ah, kapiert! Also – das kam so. Der ursprüngliche Grund, Edition Erlkönig zu gründen, war ja Castle Falkenstein. Nachdem wir uns aber entschlossen hatten, unseren Fokus auf die Entwicklung von Brettspielen zu richten, stellte sich die Frage, wodurch sich denn unser Verlag von den zahllosen anderen Verlagen dieser Welt unterscheiden sollte? Wir fanden zwei wesentliche Eigenschaften.
Erstens: Wir wollten den Kunden in den Mittelpunkt stellen – und zwar den zufriedenen Kunden – logisch: Jeder unzufriedene Kunde schadet uns, weshalb wir so umfassend wie möglich über unsere Spiele informieren – eventuell auch darüber, dass ein Spiel vielleicht gar nichts für einen potentiellen Kunden ist und er besser die Finger davon lässt.
Zweitens: Die ersten beiden Spiele Geschichten aus 1001 Nacht und Fette Autos waren solo spielbar und wir stellten fest, dass es nicht viele Spiele gibt, die gleichermaßen gut alleine wie auch mit mehreren Leuten spielbar sind. Zudem reizte mich gerade die Entwicklung solcher Spiele, in denen die Spieler nicht nur miteinander zu tun haben, sondern auch mit einem mehr oder weniger personifizierten Mechanismus.
Damit war unser ‚Alleinstellungsmerkmal‘ gefunden. Die Entwicklung solcher Spiele ist manchmal etwas schwierig – aber dafür lassen sich zumindest die Solitärvarianten leicht testen. Wir haben allerdings festgestellt, dass es fast unmöglich ist, ein Spiel so zu gestalten, dass es alleine genauso flüssig spielbar ist wie mit sechs oder sieben Spielern. Bei Fette Autos klappt das zwar sehr schön, aber unseren zukünftigen Spiele fallen eher in den Bereich 1 bis 4 Spieler. Geschichten aus 1001 Nacht hatte das Problem, das die Spielanleitung sehr fehlerhaft und damit das Spiel für einige nur falsch oder schwer spielbar war.“

Ist das einer der Gründe, warum das Spiel in der Spielszene und natürlich beim Kunden schlecht ankam? Oder ist die deutsche Spieleszene einfach nicht bereit (gewesen) für diesen ganz eigenen Mix aus Rollen- und Brettspielelementen mit Erzählcharakter?
Geschichten aus 1001 hat unglaublich viel Material und nutzt ein außerordentlich ausgefeiltes System. Als wir das englische Original ins Deutsche umsetzten, mussten wir uns entscheiden, worauf wir unser Augenmerk richten wollten. Da gab es keine Alternativen: Das Spielsystem musste inhaltlich korrekt sein. Damit sind die Paragraphen und die Abstimmung von Begegnung und Reaktion gemeint. Jeder Fehler im System hätte das Vertrauen in das System erschüttert und es unglaubwürdig werden lassen: ‚Ich greife mit dem Schwert an – und bekomme einen Kuss???‘ Da das System zusätzlich auch noch ins Deutsche übersetzt werden musste, war der Aufwand an dieser Stelle gewaltig. Jeder der 1600 Paragraphen ist sechs Mal angefasst worden.
Die zweite Priorität war das Material und dessen graphische Gestaltung. Damit blieb für die Spielregel nur noch das Notwendigste – sprich eine Eins-zu-Eins-Übertragung aus dem Englischen. Zu guter Letzt ist die Vielfalt der Kombinationen aus Status, Fertigkeiten und Schätzen derart groß, dass wir nie eine 100 Prozent korrekte Regel hinbekommen hätten. Damit war – damals – für uns klar, dass die Spielregel die niedrigste Priorität hatte. Heute würde ich da vielleicht etwas anders entscheiden. Trotzdem denke ich nicht, dass es dem Spiel substantiell geschadet hat.
Wir denken, dass das Spiel beim Zielpublikum, das wir im Auge hatten, durchaus gut angekommen ist, aber dieses Zielpublikum ist relativ klein und wir haben es damals – ohne eine ordentliche Web Site – nicht immer erreicht. Unsere Entscheidung, trotzdem eine Auflage von 2.000 Stück heraus zu bringen, trafen wir, um den Preis soweit wie möglich zu drücken. Wir haben damit auch in Kauf genommen, dass es sehr lange dauern könnte, bis wir die Gesamtauflage verkauft haben.
Geschichten aus 1001 ist nicht nur ein schönes Spiel im Sinne des Wortes, damals war es auch der natürliche Übergang für uns, mit dem wir aus dem Rollenspiel zum Brettspiel wechselten. Wenn ich heute ein Spiel entwickele, dann dürfen die Regeln maximal 8 Seiten haben. Wenn wir uns einmal mit Brettspielen etabliert haben dann werden wir uns wieder an ein großes Spiel wagen, doch bis dahin ist relativ leichte, lockere (aber immer taktische) Kost angesagt.“

Was verstehst du unter leichte Kost? Ein kleines Kartenspiel, ein simples Brettspiel? Kann leichte Kost denn auch alleine spielbar sein? Oder anders gefragt: Es steht momentan keine Entwicklung im Raum, die in Essen 2003 vorgestellt werden könnte?
„Mmmmh – das ist ein bisschen diffizil. Also zunächst mal zur ‚leichten Kost‘. Leichte Kost heißt für mich vor allen Dingen eine kurze Spieldauer, ein relativ hoher Glücksanteil und auf jeden Fall sehr einfache Regeln. Andererseits soll es aber auch nicht ‚hirnlos‘ sein, wenn ich es mal so sagen darf. Bei Fette Autos sind wir ein sehr riskantes Manöver gefahren, da der Glücksanteil auf den ersten Blick sehr hoch aussieht, es tatsächlich aber nicht ist – es ist eigentlich keine allzu leichte Kost.
Jetzt zum schwierigen Part: Ja – wir haben ein Spiel für den Herbst diesen Jahres. Wir wollten uns zurückhalten, bis wir noch ein paar weitere Tests damit hinter uns haben. Allerdings sind die ersten Tests mit Nicht- beziehungsweise Wenigspielern schon sehr ermutigend verlaufen. Es fällt in die Kategorie der leichten Kost, wie ich sie eben beschrieben habe. Natürlich gibt es eine Solitärvariante, die allerdings einen Tick anspruchsvoller als das Mehrspielerspiel ist. Der Prototyp steht und wir werden ihn zum Beispiel in Oberhof und auf dem Göttinger Autorentreff vorstellen. Wenn unsere interne Testgruppe ihr erstes OK gegeben hat, werden wir den Prototypen auch an externe Tester vergeben. Außerdem brauchen wir noch einen passenden Namen – eventuell werden wir dazu noch einen kleinen Wettbewerb ausschreiben, aber da ist noch alles in der Schwebe. Erst mal müssen die Tests zufrieden stellend laufen. Ah – natürlich hat auch dieses Spiel einen besonderen Clou: Es packt sich fast von alleine aus … und wieder ein.“

Hinweis:
Hier geht e szum zweiten Teil des Interviews.

 

Webseite von Heinrich Glumplers Verlag Edition Erlkönig

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