Reich der Spiele

Planet B

Planet B - Ausschnitt Titelbild - Foto von Hans im Glück

Planet B – zweite Chance für die Menschheit auf einem fernen Planeten. Alles soll besser werden. Und doch gibt es überall Korruption, Vorteilsnahme und Wahlmanipulation. Johannes Natterer hat sich dieses Szenario als Brettspiel ausgedacht. Erschienen ist es bei Hans im Glück.blank

Bei dieser Ausgabe erinnert der Umgang mit dem Thema häufig an das Computerspiel Tropico. Ähnlich launig wie bei der Präsentation der Karibikinseldiktatur geht es auch auf Planet B zu. Aber: Wer ein witziges, schnelles Spielchen erwartet, wird enttäuscht. Es ist ein knallhartes Optimierungsspiel, bei dem es eine Menge Arbeit für den Spielfluss gibt.

Vorab das Fazit: Witz trifft auf verkopfte Abläufe und großen Verwaltungsaufwand

Bevor ich ins Detail einsteige das komprimierte Fazit meiner Rezension vorweg: Das Brettspiel Planet B macht durchaus Spaß. Aber viele kleine Negativpunkte erschweren den Zugang. Dazu zählt der enorme Verwaltungsaufwand, der einen eleganten Ablauf in weite Ferne rücken lässt.

Nicht zuletzt bietet der Titel zwar spannende Ideen wie die Art der Wahlmanipulation, in der Mixtur aller Komponenten aber zu wenig Neues. Der Spaß bleibt insgesamt deutlich hinter dem, was die Aufmachung und der Wortwitz versprechen. Eine Reduktion der Details wäre aus meiner Sicht für das Erlebnis positiv gewesen.

Worum geht es in Planet B?

Der Planet ist eine neue Kolonie der Erde. Alles soll besser werden. Doch fernab von der Heimat haben Konzerne das Ruder in die Hand genommen. Die Spielenden übernehmen die Rolle von Gouverneurinnen (sic!), die zugleich Präsidentinnenkandidatinnen sind. Um diese Wahl zu gewinnen, müssen alle in jeder Runde einen der Konzerne mit einem Koffer voller Nettigkeiten besuchen. So kommt die eigene Wirtschaftsmaschinerie in Gang, die Damen gewinnen an Einfluss und Geld und bessern ihre schwarze Kasse auf, die am Ende über Sieg oder Niederlage entscheidet. Während dieser Zeit geht es ausschließlich und mit viel Humor um den Weg zum eigenen Vorteil.

Die Regeln: 20 Seiten Anleitung

Die Anleitung ist ganz gut gemacht, aber sehr umfangreich. Auch abseits von den Lesefluss störenden Gender-Sonderzeichen sind die Details teilweise nicht besonders zugänglich formuliert. Die Regeln sind eigentlich gar nicht schwer, aber die Sonderfälle und Mini-Details vereinfachen das Verständnis nicht gerade. Die Rettung sind die Beispiele, mit denen sich so manche Lücke erschließt. Dennoch gilt für eine Anleitung von Hans im Glück einmal mehr: Das geht deutlich besser – nämlich einfacher und übersichtlicher formuliert.

Kernelemente der Partie

Planet B - Material - Foto von Hans im Glück

Planet B ist in erster Linie ein Worker-Placement-Spiel. Während der Partie können alle ihre „Workies“ einsetzen. Ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg ist dabei das Timing. Denn speziell der perfekte Moment beim Einsatz und Zurücknehmen der Workies von eigenen Karten kann den Ablauf im eigenen Interesse begünstigen.

Der Deal und die Produktionsketten

Am Anfang eines Zuges steht zunächst ein Deal mit einem Konzern an. Diese wirtschaftliche Hilfe wird durch einen abgelegten Koffer symbolisch erkauft. Je nach Wahl des Konzerns stehen so einige Grundaktionen zur Verfügung. Im Kern läuft es darauf hinaus, das eigene Wohl durch mehr Ressourcen oder Schwarzgeld zu mehren. Das geht direkt über Produktion oder über den Kauf und das Nutzen von neuen Karten.

Workies und Billies

Um die eignen Karten zu nutzen, sind Workies erforderlich. Davon gibt es anfangs zu wenige, sodass diese emsigen Arbeiterfiguren erst einmal nach und nach herangekarrt werden müssen. Die Karten sind Gebäude und bringen bei Nutzung immer wieder Rohstoffe oder andere Vorteile. Es ist sehr wichtig, diesen Produktionsfluss im Auge zu behalten, da hier riesige Geldmengen entstehen können. Dieses Engine-Building ist ein weiterer Schlüssel zum Sieg.

Die „Billies“ genannten Geldscheine werden schnell zu Schwarzgeld, das im wahrsten Sinne des Wortes in der eigenen Tasche verschwindet. Denn Schwarzgeld ist per Regeldefinition zu verstecken – zum Beispiel in der Hosentasche. Niemand soll wissen, welche Reichtümer die anderen bereits angesammelt haben.

Stimmung und News

Weitere Einflussgrößen sind Stimmung und Nachrichten. Bei einigen Konzernen oder durch andere Aktionen lassen sich Nachrichten manipulieren. Dazu gibt es dann eine Karte, die bestimmte Effekte bringt. Mal gute, mal weniger gute.

Mitunter wirken die Nachrichten aber wie einige andere Aktionen auf die Stimmung der Bevölkerung. Sinkt diese zu stark, kostet das etwas Schwarzgeld. Steigt diese, ist das Schmiergeld leichter zu bekommen.

Planet B - Ausschnitt des Materials - Foto von Hans im Glück

Spannend: Die Wahl manipulieren

Ein weiterer Kernmechanismus ist die Wahl. Diese hat enormen Einfluss. Zum einen werden darüber Rollen verteilt, die recht starke Aktionen erlauben. Zum anderen sind viele kleine Manipulationen möglich. Daher sind Aktionen häufig auch darauf ausgerichtet, den Wahlausgang zu beeinflussen.

Die Wahlmanipulation bei Planet B ist besonders erfrischend und für mich der Lichtblick.

Im Laufe der eigenen Züge ist es möglich, Stimmzettel in die Wahlurne (Beutel) zu werfen. Das steigert die eigenen Chancen.

Bei der Auswertung der Wahl wird es spannend, aber der Zufall spielt ebenfalls eine Rolle. So funktioniert es: Reihum ziehen alle jeweils drei Stimmzettel aus dem Beutel. Am Ende prüfen alle, wie viele eigene Stimmen sie selbst gezogen haben. Nur diese kommen in die Wertung. Entsprechend dieser Anzahl werden vier Ämter vergeben. Alle bieten besondere Vorteile bis zur nächsten Wahl.

Bei Planet B ist alles nur Mittel zum Zweck

Das Zusammenspiel der einzelnen Mechanismen ist ganz gut gelungen. Durch die wortgewaltige Präsentation – die aber abseits der Icons für den Mechanismus auch gelesen werden will – kommt durchaus Atmosphäre auf.

Allerdings hat Planet B ein ganz großes Problem: Jeder Zug ist mit vielen detaillierten Aktionen verbunden. Jede davon bedeutet kleinteiliges Hantieren: Workies platzieren, Geld zählen, Karten nehmen, auf Leisten vorrücken, Wahlausgang beeinflussen. Dadurch wird aus einem als strategisch, aber humorvoll angelegten Ablauf ein übermäßiger Verwaltungsaufwand.

Alle Teilmechanismen haben eigentlich nur ein Ziel: die eigene schwarze Kasse ist aufzubessern. Denn nur die ist am Ende entscheidend für den Spielausgang. Der Weg dahin ist vielfältig, von kleinen Teilmechanismen durchzogen und mit immer neuen Details gespickt. So fühlt sich der Ablauf eher unnötig kompliziert und anstrengend als fordernd komplex und elegant an.

Es fehlt spürbar eine Reduktion

Sicherlich lässt sich über diesen Punkt streiten. Aber es gibt Brettspiele, die funktionieren mit vielen kleinen Detailabläufen hervorragend. Und es gibt Titel, die wirken überfrachtet und vollgestopft. Planet B gehört für mich zur zweiten Gruppe. Ich bin der Meinung, dass es positiv auf das Spielerlebnis gewirkt hätte, die tollen Ideen des Autors einzufangen und deutlich zu reduzieren.

Gesellschaftsspiel Planet B - Schachtel - Foto von Hans im Glück

Alle Teilmechanismen sind ganz spannend, wenn auch nicht alle neu. Im Zusammenspiel wird alles aber etwas zu viel. Der erzählerische Fokus geht verloren. Obwohl der Grundablauf gar nicht so kompliziert ist, macht gerade das Zusammenspiel aus den vielen kleinen, teilweise heterogenen Teilen die Partie schwerfällig. Es fehlt mir der letzte Schliff, der alles eingängiger und eleganter werden lässt. Das hätte auch die Spieldauer verkürzt, die gerade anfangs bei voller Besetzung abendfüllend und – Floskelalarm – für das Gebotene zu lang ist.

Gut, aber nicht gut genug

Das bedeutet nicht, dass Planet B ein schwaches Gesellschaftsspiel wäre. Aber es ist eins, dass ich nach meinen Testrunden nicht unbedingt noch einmal freiwillig auf den Tisch bringen möchte. Es gibt so viele gute Worker-Placement-Spiele von Caylus bis Gutenberg und so schöne Spiele um Einfluss und Politik von Die Macher bis Kreml. Planet B ist zwar ganz „nett“, aber hat es aus meiner Sicht wegen der fehlenden „Mechanismusdiät“ durch abspeckende redaktionelle Bearbeitung gegen diese Konkurrenz schwer, eine Daseinsberechtigung im Spielregal zu finden. Schade, vor allem um den Wahlmechanismus.

Infos zu Planet B

  • Titel: Planet B
  • Verlag: Hans im Glück
  • Autor: Johannes Natterer
  • Spieleranzahl (von bis): 2-4
  • Alter (ab oder von bis in Jahren): 14
  • Dauer in Minuten: 60-180
  • Jahrgang: 2022

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