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Bericht zur Spielemesse in Essen 2014

Aquasphere

Gesellschaftsspiele zwischen Smartphones und Votinglisten

Aus! Aus! Aus! Die Spiel ist aus … Deutschland ist Weltmeister … im Spielen! Das wussten wir zwar schon, aber die Spiel ’14 hat es wieder gezeigt: Alles, was Rang und Namen hat, war vier Tage lang auf der weltgrößten Spielmesse in Essen. 158.000 Besucher sollen es dieses Jahr gewesen sein. Eine Angabe, die einen Rekord bedeuten würde, der sich so nicht unbedingt im Gedränge erfühlen ließ. Aber groß war sie dennoch, die Spiel ’14: 10.000 m² oder eine Halle mehr Ausstellungsfläche als im Vorjahr, mehr Toiletten, mehr neue Spiele. Trotz der großen Fläche war es für viele Besucher wieder ein Schritt zur Normalität, denn die Verlage waren überwiegend an denselben Stellen wie im Vorjahr zu finden, was das Suchen erleichterte. Letztes Jahr irrten durch die Verlegung in andere Hallen doch viele etwas suchend umher. Dadurch war es für einige Besucher, Aussteller und vereinzelt auch das Standpersonal mühsam. Auch der Streik bei der Bahn brachte interne Zeitpläne durcheinander, sodass an einigen Stellen zur Messeeröffnung noch improvisiert werden musste. An- und Abreise waren zum Teil jedenfalls mit Komplikationen verbunden.

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Kickstarter und Kleinverlage

Ein Trend aus den Vorjahren setzt sich fort: Kleine Verlage schaffen es, in mühevoller und liebevoller Arbeit professionelle Produkte zu veröffentlichen, die den Vergleich zu Gesellschaftsspielen der großen Verlage nicht zu scheuen brauchen. Ob das in Sachen Spielmechanismus immer gegeben ist, muss hingegen angezweifelt werden. Denn insbesondere Kleinverlage wählen zur Finanzierung das Crowdfunding wie Kickstarter und ähnliche Portale. Eine Entwicklung, die zwar das Kostenrisiko mindert, aber tendenziell auch Spielen den Weg direkt zum Kunden eröffnet, die vielleicht besser eine professionellere redaktionelle Überarbeitung erfahren hätten. Die Finanzierung von Gesellschaftsspielen durch Crowdfunding gehört auf der Spielemesse in Essen inzwischen jedenfalls fest dazu.

Anekdote am Rande: Dass Professionalität nicht vor Fehlern schützt, musste der Spieleverlag Fata Morgana erfahren. Die bisherige Reihe des Bluffspiels Anno Domini wurde jeweils mit Schrift auf goldenem Untergrund hergestellt. Für die Ausgabe Anno Domini: Bern wollte der Verlag diesen auf Gelb ändern, um in Kombination mit Rot und Schwarz die Berner Kantonsfarben zeigen zu können. Ein vorauseilender Kundenservice der Druckerei änderte diese Farbgebung in Erwartung eines Fehlers ohne Absprache wieder auf Gold …

Was waren die Highlights der Spiel ’14?

Smartplay von Ravensburger auf der Spiel'14 - Foto Axel Bungart

So richtige Highlights waren kaum auszumachen. Orientiert man sich am Medieninteresse, war es sicher Ravensburger mit smartPlay. Schon auf der Neuheitenschau gaben sich die Kamerateams die Mikrofone in die Hand, war der Stand stets in eine Traube Journalisten gehüllt. Auf der Messe selbst schien sich das Interesse in Grenzen zu halten, was daran zu erkennen war, dass meist wenigstens einer der mit „Smartphone am Stiel“ ausgestatteten Spieltische frei war.

Insgesamt gab es wirklich viele gute Spiele, von denen sich aber kaum eines von den anderen abhob. Klassischerweise war es natürlich La Isla (Alea) von Stefan Feld, das häufig genannt wurde. Dennoch: Im Geekbuzz von BGG taucht das Spiel nicht unter den ersten dreißig auf. Dort geht Alchemists von Czech Games Edition als Sieger des Votings hervor. Sowohl thematisch als auch spielerisch konnte aber ein bis dato bei uns fast unbekannter Verlag punkten. North Star Games (Wits & Wagers) landete mit seinem Evolution in der Geeklist auf Anhieb auf Platz 26 (Stand Sonntag Abend). Das ist sicher ein großer Erfolg für das Spiel und seinen Verlag. Das Spiel ist zwar derzeit nur in englischer Sprache zu haben, aber es gibt bereits ernsthafte Gespräche mit einem Interessenten für eine deutsche Edition. Eine übersetzte Spielregel war sogar schon am Stand der Amerikaner zu haben.

Zhan Guo von Whats Your Game auf der Spiel'14 - Foto Axel Bungart

Die Top-Spiele der Fairplay-Scoutliste

Bei den Kollegen der Fairplay konnten die Besucher wieder Noten für die Neuheiten vergeben. Am Sonntag rangierten unter den Spielen mit mindestens 40 Noten die folgenden Gesellschaftsspiele ganz vorn: AquaSphere (Hall Games/Pegasus), Orléans (dlp games), ZhanGuo (What’s Your Game?) und Alchemists   (CGE/Heidelberger) schafften sogar einen Notenschnitt von unter zwei und sind damit für Spieler ein ganz heißer Tipp. Auf den weiteren Plätzen lagen Deus (Pearl Games), Murano (Lookout/Mayfair), Die Staufer (Hans im Glück) und Patchwork (Lookout/Mayfair). Insgesamt überraschend ist eine große Zahl von Spielen, die als reine Zwei-Personen-Spiele angeboten werden.

Im Rahmen der Spiel wurde wie jedes Jahr der Deutsche Spielepreis verliehen. Über die ausgezeichneten Spiele haben wir mehrfach berichtet, zuletzt mit einer Fotogalerie von der Preisverleihung.

Deus von Pearl Games auf der Spiel'14 - Foto Axel Bungart

Das Drumherum auf der Spiel ’14

Der Grillstand zwischen den Hallen 3 und 2 erfreute sich auch wieder großen Zuspruchs, was an den akzeptablen Preisen und dem zeitweise messe-unpassenden Wetter lag; denn bei einem Grillsteak im Brötchen ließ es sich in der Sonne bestens aushalten, und einen Augenblick verschallte der Lärm des Hallengetümmels. Überhaupt gab es deutlich mehr gastronomische Angebote, auch wenn eine Ausrichtung auf Vegetarier fehlte.

Etwas entspannter schien es sich auch mit dem Druck auf der Blase zu leben. Die zusätzlichen Toiletten in Halle 4a waren nicht nur Zielort für unabwendbare Bedürfnisse. Sie zogen gleich auch Besucher in die etwas abgelegene Halle 4, die, von der anderen Seite aus betreten, aus der ungewohnten Perspektive kaum als alte Bekannte wieder zu erkennen war.

Die Preise bei den Spielehändlern verfielen im Laufe der Messe zusehens. Teilweise gab es relativ neue Gesellschaftsspiele bereite für fünf Euro. Entsprechend freuten sich die Besucher über Schnäppchen, während die Händler sich frustriert im Preiskampf sahen.

Ausblick auf 2015

„Die Messe ist wie eine Droge“ philosophierte heute noch Kollege Riemi, als ich ihn um seinen Messesonntag beneidete. Wie Recht er hat. Die vier Tage Messe gehen viel schneller vorbei, als die vier Tage vorher. (Muss ja auch, damit sich die Zeitverschiebung wieder einrenkt.) Und danach kommt dann immer diese Wehmut, die die rund 360 Tage bis zur Spiel ’15 in einem bewirken. Diese findet statt vom 8. bis 11. Oktober 2015. Ich versuche mich daher zu trösten und halte es am liebsten wie Sepp Herberger: Nach der Spiel ist vor der Spiel.

Mit Material von Jörn Frenzel, Frank Riemenschneider, Michael Weber und Bernhard Zaugg, Fotos: Axel Bungart

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