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Cthulhu: Expeditionen – Ins Herz der Finsternis

Expeditionen - Foto von Pegasus Spiele

Der Abenteuer- und Quellenband Expeditionen – Ins Herz der Finsternis zum Cthulhu-Rollenspiel weckt natürlich zahlreiche Assoziationen. Der langjährige Cthulhu-Spieler denkt sofort an so legendäre Abenteuerbände wie Jenseits von Kalkamal oder die Ägypten-Box. Der Cthulhu-Neuling hingegen erwartet Abenteuer im Stil eines Indiana Jones oder Quartermain. Die Erwartungshaltung ist bei so einem Thema also dementsprechend hoch, um so erfreulicher, dass der Hersteller dieses Wagnis eingegangen ist.

Rein optisch gehört der Band mal wieder zu den Besten auf dem deutschen Rollenspielmarkt. Die 176 Seiten kommen als stabiles Hardcoverbuch daher mit zahlreichen Fotos, Karten und stimmungsvollen Handouts, die sofort das besondere Flair der 1920er-Jahre versprühen. Den Leser erwarten fünf cthuloide Abenteuer sowie einen Quellenteil über Expeditionen als Wege ins Unbekannte.

Der angenehm kurze Quellenteil gibt einen Überblick darüber, was es bedeutet in den 1920er-Jahren eine Expedition zu den zahlreichen weißen Flecken auf der Landkarte zu unternehmen. Hier wird dem Spielleiter das nötige Rüstzeug gegeben, um selbst ein Expeditionsabenteuer zu entwickeln, gepaart mit verschiedenen Vorschlägen zu möglichen Zielen. Hinzu kommen einige wenige Regelergänzungen, mit denen sich der Verbrauch an Proviant, Ausrüstung und Treibstoff für eine groß angelegte Expedition berechnen lässt.

Vier der fünf sehr umfangreichen Abenteuer spielen in den 1920er-Jahren, eines ist in der Gaslight-Epoche angesiedelt, kann aber relativ leicht in die 1920er-Jahre transferiert werden. Alle Abenteuer führen die Investigatoren natürlich in die entlegendsten Winkel der Kontinente.

Den Anfang macht das Abenteuer „Ewiges Eis“ von Sebastian Weitkamp. Eine mysteriöse Phonographenwalze lockt die Investigatoren über Stockholm und Berlin ins eisige Grönland. Hier versucht man, einen verschollenen deutschen Zeppelin zu finden, der angeblich meteorologische Daten über den Himmeln Grönlands sammeln wollte. Doch auch die rechtsgerichtete Thule-Gesellschaft ist hinter der Phonographenwalze her und macht den Investigatoren das Leben schwer. Hinzu kommt noch die alte germanische Legende vom „Weissen Wurm“, der im ewigen Eis lauert. Das recht lineare, aber gut ausgearbeitete Abenteuer wird durch sehr stimmungsvolle Handouts unterstützt und mit viel Lokalkolorit gewürzt.

Im zweiten Abenteuer „Herz der Finsternis“ von Ingo Ahrens verschlägt es die Investigatoren nach Belgisch-Kongo, um ein saurierähnliches Wesen, den Mokele Mbembe, zu finden. Doch getrieben von den Intrigen einer Handelsgesellschaft werden die Charaktere mit den Grauen der Kolonialherrschaft konfrontiert, die schrecklicher sind als so manche Begegnung mit einem Großen Alten.Das Abenteuer verwendet Motive des gleichnamigen Romans von Joseph Conrad, auf denen auch der Film „Apocalypse Now“ basiert. Obwohl es ebenfalls recht gradlinig angelegt ist, bedarf es eines sehr erfahrenen Spielleiters, um die notwendige, beklemmende Atmosphäre zu erzeugen und das moralische Dilemma, in dass das Abenteuer mündet, entsprechend rüberbringen zu können.

In „Curso Cannibale“, aus der Feder von Matthias Oden, müssen sich die Charaktere ein Wettrennen in der grünen Hölle Brasiliens liefern, um eine millionenschwere Erbschaft antreten zu können. Die allgegenwärtige Malaria ist auf dem Weg zum großen Geld noch das geringste Übel, führt das Wettrennen die Charaktere doch zu einem ghul-verwandten Kannibalen-Kult, wodurch das Abenteuer nichts für zart besaitete Spieler wird.

Das Abenteuer „Die vergessene Stadt“ stammt von Michael Cisco und wurde von Cthulhu-Mastermind Frank Heller mit zusätzlichen Texten versehen. Es gehört zu den ganz besonderen Abenteuern und Szenarien, denn es hat keine Kultisten, keine Monstrositäten, nicht einmal Ermittlungen. Die Charaktere stoßen auf der Suche nach einer verschollenen Expedition auf die Inka-Stadt Paititi und geraten in den widernatürlichen Bann eines nahe gelegenen Berges, dem sie sich kaum entziehen können. Das Abenteuer ist nur etwas für sehr erfahrene Rollenspieler, die viel Spaß am Spiel ihrer Rolle haben.

Den Abschluss bildet schließlich „Die letzte Ruhe der Minna B.“ von Peer Kröger. Die Investigatoren sollen einem vor der norwegischen Küste verschwundenen Frachtschiff nachspüren, dessen einziges überlebendes Besatzungsmitglied wenig später in der deutschen Kolonie Neuguinea auftaucht. Das sehr gut ausgearbeitete Abenteuer basiert auf einer wunderbar einfachen Idee, trotzdem ist es überraschend vielschichtig und beinhaltet viele verschiedene Handlungsstränge.

Mit dem Abenteuer- und Quellenband Expeditionen – Ins Herz der Finsternis ist dem Hersteller erneut ein großer Wurf gelungen. Der Quellenteil mag vielen vielleicht zu knapp erscheinen, dafür gehören die fünf enthaltenen Abenteuer allesamt zu den besten Cthulhu-Abenteuern der letzten Zeit. Besonders hervorzuheben ist dabei, dass das Grauen in den Abenteuern nicht immer etwas mit dem Cthulhu-Mythos zu tun hat, sondern häufig den ganz normalen Abgründen der menschlichen Seele entspringen. Als besonders gute Idee empfinde ich die Spieltestberichte, die den Spielleiter über Schwierigkeiten aufklärt, die beim Leiten der Abenteuer auftreten können. Leider gibt es die Spieltestberichte nur bei drei der fünf Abenteuer, sie sollten in Zukunft zum Standard eines jeden Abenteuers werden.

Einziger Wermutstropfen stellt das recht hohe Niveau der Abenteuer da, die einen versierten Spielleiter benötigen, damit das volle Grauen der Abenteuer offenbar wird. Der Band ist also nichts für Rollenspiel-Neulinge, ansonsten kann man nur eine uneingeschränkte Kaufempfehlung aussprechen.

Infos zu Cthulhu: Expeditionen – Ins Herz der Finsternis

  • Verlag: Pegasus Spiele
  • Autor: Frank Heller, Peer Kröger, Matthias Oden, Ingo Ahrens, Michael Cisco, Steffen Schütte, Sebastian Weitkamp
  • Jahrgang: 2006

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