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Hamburgum

Hamburgum von Reich der Spiele

Ich gebe es zu, selten hat mich ein Spiel vor so ein Rätsel gestellt wie dieses: Finde ich es nun gut oder nicht? Dazu muss man vielleicht wissen, dass ich ein Freund des Rondell-Mechanismusses von Autor Mac Gerdts bin. Dieser ist wesentlicher Bestandteil des Spiels so wie zuvor bei Antike und Imperial. Während Antike vergleichsweise zugänglich und Imperial ein echter Brocken waren, stellt sich für mich Hamburgum als ein überfrachtetes Spiel dar, das dennoch sehr reizvoll ist. Dazu erschlägt bei aller Liebe zum hervorragenden Material zugleich die Grafik in einer kaum noch anzutreffenden Hässlichkeit, die das Spiel zum optischen Desaster werden lässt. Prestigeträchtig ist die jedenfalls nicht. Im Gegensatz zur Gewinnvorgabe: Bis zum Spielende die meisten Prestigepunkte sammeln.

Im Hamburg des 17. Jahrhundert dürfen die Spieler sich als Pfeffersäcke probieren. Ziel ist es, das eigene Prestige so zu mehren, dass es bis zum Spielende für den Sieg reicht. Dass dies nicht allein mit einem glücklichen Händchen beim Handel geht, wird schnell klar. Denn alles Geld ist vergänglich und bedeutet vor den Bürgern der Stadt nichts, wenn man nicht für den Bau der Kirchen spendet. Und genau das ist es, was zu tun ist.

So entwickelt sich schnell ein Wirtschaftsspiel erster Güte, bei dem Waren (Bier, Zucker, Tuch) gekauft/produziert und möglichst Gewinn bringend verkauft werden, dazu aber Schiffe gebaut werden müssen und in See stechen, um die Waren verkaufen zu können, außerdem Baustoffe herangeschafft und das Geld gemehrt werden müssen, um diese für den Bau der Kirchen zu spenden. Natürlich ist man auch an der Entwicklung der Stadtteile beteiligt, was im Spiel aber fast schon zur abstrakten, wenn auch sehr wichtigen „Nebensache“ wird. Denn Bürger werden auf Gebäude platziert, die wiederum Einfluss auf das Spielgeschehen haben.

Kernpunkt ist neben der Geldmehrung die Kirchenspende. Niemand wird dieses Spiel gewinnen können, wenn er nicht möglichst viel zum Bau der Gotteshäuser beiträgt. Denn für eine Spende erhält man ein Spendenplättchen, das geschickt eingesetzt und in Wechselwirkung mit einigen anderen Mechanismen Prestigepunkte einbringt. Doch ist der Weg dahin weit und die Aktionen auf dem Rondell dürfen nicht sinnlos vergeudet werden. Nur wer klug plant und seine Ressourcen optimiert, wird viele Bauteile und ausreichend Geld zur Verfügung haben, um so viel zum Kirchenbau beizutragen, dass sich dies in beachtlichem Prestigegewinn bemerkbar macht.

Eigentlich – mal abgesehen von der schrecklichen Grafik – ein fein aufeinander abgestimmtes Spiel, das das Zeug zum absoluten Knaller hätte. Wenn, ja, wenn da dieses Gefühl der Überfrachtung nicht wäre. Es ist irgendwie alles zu viel des Guten. Hier ein Warenkreislauf, dort der Schiffsbau, dann die Gebäude und das Platzieren der Bürger und letztlich die Prestigeplättchen für Spenden zum Kirchenbau. Alles in sich schon fast jeweils ein eigenes Spiel im Spiel. Man hat das Gefühl, vor lauter feinen und thematisch passenden Detail-Mechanismen das eigentliche Spiel aus dem Auge zu verlieren. Deshalb möchte ich es so ausdrücken: Ich hasse es mehr, als ich es liebe. Ich liebe Antike für seine trotz der komplexen Mechanismen schlichte Eleganz, ich mag Imperial für seine ausgezeichnete thematische Umsetzung eines andersartigen Politik- und Wirtschaftsspiels. Aber ich hasse Hamburgum – weil es trotz seines fein funktionierenden Regelwerkes aufgebläht, geradezu bombastisch wirkt. Es ist vielleicht das handwerklich beste der drei „Rondell-Spiele“ (und es ist allemal ein gutes Spiel), aber es ist vom Spielreiz her das, was mich und auch die Spieler in meinen Testrunden von den drei Spielen am wenigsten erreicht.

Es ist schon fast absurd, dass ausgerechnet einem Spiel um Kirchenbau so etwas wie die spielerische Seele fehlt. Da hilft es auch nur Londonern, dass auf der Rückseite des Spielbrettes das Spiel nach Londinium versetzt wird. Abschließend sei noch die Beilage zum geschichtlichen Hintergrund der sechs Hamburger Kirchen lobend erwähnt. Bei der Gelegenheit frage ich mich, ob ich das Spiel lieben würde, wenn ich ein Hanseat wäre. Vermutlich schon. Ich würde es vielleicht sogar lieben, wenn ich Antike und Imperial nicht kennen würde …

Infos zu Hamburgum

  • Verlag: PD Verlag, eggertspiele
  • Autor: Walther Mac Gerdts
  • Spieleranzahl (von bis): 2 - 5
  • Alter (ab oder von bis in Jahren): 12
  • Dauer in Minuten: 90
  • Jahrgang: 2007

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