Beyond the Horizon ist ein Strategiespiel im Zivilisations-Gewandt für 2–4 Spieler. Es ist der spirituelle Erbe von Beyond the Sun – eines der besten und erfrischendsten Spiele des Jahrgangs 2020 – und verlegt das Geschehen vom Weltall zurück auf die Erde. Die Spieler entwickeln nun Zivilisationen und streben danach, die einflussreichste Zivilisation der Geschichte hervorzubringen. Über eine variable Anzahl von Runden hinweg werden neue Technologien erforscht, Ländereien erkundet sowie Dörfer und Städte gegründet. Drei variable Zielkarten legen unterschiedliche Siegbedingungen fest, die jede Zivilisation einmalig und unabhängig voneinander erfüllen kann. Sobald insgesamt vier Ziele erreicht wurden, endet das Spiel. Die Zivilisation mit den meisten Siegpunkten gewinnt.
Infos zu Beyond the Horizon
- Titel: Beyond the Horizon
- Verlag: PD-Verlag
- Autor: Dennis K. Chan, Adam Hill, Ben Pinchback, Matt Riddle
- Spieleranzahl: 2-4
- Alter ab: 14
- Dauer in Minuten: 90-129
- Jahrgang: 2025
Das Spielmaterial und der Einstieg
Die Schachtel von Beyond the Horizon ist randvoll mit hochwertig gefertigten Komponenten: zahlreiche sechseckige Landschaftsplättchen aus dicker Pappe, Technologie-, Persönlichkeits- und Regierungskarten sowie eine Fülle von Holzmarkern. Einziger Wermutstropfen sind die Pappmünzen, die größer hätten ausfallen dürfen. Die gut geschriebene 12-seitige Anleitung lässt sich schnell und flüssig lesen, sodass der Einstieg ins Spiel leicht fällt.
Jeder Spieler erhält ein doppelseitiges Tableau zur Organisation seines Spielmaterials. Leider sind die Aussparungen für die Bevölkerungssteine in den Tableaus nicht farblich abgesetzt, was die Übersichtlichkeit verbessert hätte. Die Tischmitte teilen sich ein ansprechend gestalteter Technologiebaum und eine im Verlauf des Spiels immer größer anwachsenden Landkarte aus Geländefeldern. Die Darstellung der Technologien und Persönlichkeiten ist für meinen Geschmack etwas zu generisch und viele Abbildungen ähneln sich sehr.
Das größte Problem des Spielmaterials sind die Bevölkerungs-Pöppel auf der Landkarte: Holzfiguren, die je nach Einsatz als Siedler oder Soldaten dienen. Auf die Oberseite dieser Pöppel werden winzige Zahlen-Plättchen gelegt, um die aktuelle Stärke der Einheit anzuzeigen (braune Plättchen für Siedler, silberne für Soldaten). Diese Konstruktion erweist sich als äußerst fummelig: kleinste Erschütterungen können die Plättchen vom Pöppel fallen lassen. In jeder meiner Testspielrunden wurde das nach kurzer Zeit von den Mitspielenden – gelinde gesagt – bemängelt. Die clevere Verwendung der Würfel im Vorgänger wird hier schmerzlich vermisst.

Beyond the Horizon – Spielfiguren mit Markern | Foto: Daniel Rooney
Der Spielablauf von Beyond the Horizon
Es wird über eine variable Anzahl von Runden gespielt und in jeder Runde führen die Spieler der Reihe nach folgende Schritte aus:
- Aktionsphase: Es wird genau eine Aktion durch Platzieren der achteckigen Aktionsfigur auf einem Aktionsfeld gewählt (häufig ist das Forschen, Produzieren oder Expandieren). Die Aktionsfigur muss dabei jede Runde auf ein anderes Feld versetzt werden.
- Expansionsphase (optional): Die Spieler können mit speziellen Makern ein Dorf bzw. eine Stadt gründen oder ein Gebäude bauen bzw. ausbauen.
- Produktionsphase: Die Spieler entscheiden sich, entweder eine Ressource (Bevölkerung oder Münzen) zu produzieren oder Ressourcen zu tauschen.
- Zielphase: Jetzt können erreichte Ziele beansprucht werden – das vierte beanspruchte Ziel löst das Spielende aus und anschließend wird noch genau eine Runde gespielt.

Beyond the Horizon – Auslage für Aktionsauswahl | Foto: Daniel Rooney
Die zwei zentralen Schauplätze für das Ausführen von Aktionen sind der Technologiebaum und die Landkarte. In beiden Fällen kommen Bevölkerungssteine zum Einsatz, die zunächst vom eigenen Spielertableau rekrutiert werden müssen.
Technologien erst nach und nach erforschbar
Der Technologiebaum hat vier Ebenen, und Technologien einer höheren Ebene können erst erforscht werden, wenn die Vorgängertechnologien auf den darunterliegenden Stufen erforscht wurden. Technologien bieten sofortige Boni, dauerhafte Vorteile oder neue, stärkere Aktionsmöglichkeiten. Darüber hinaus erhalten Spieler, die zuerst eine Technologie erforschen, Boni von der dort ausliegenden Persönlichkeitskarte, wodurch das Timing beim Erforschen von Technologien zusätzliche Bedeutung erhält. Erforscht ein Spieler eine Technologie, setzt er einen Bevölkerungsstein (einen Gelehrten) seiner Farbe neben die entsprechende Technologiekarte und kann die Effekte der Technologie von nun an dauerhaft nutzen.

Beyond the Horizon – Technologiebaum | Foto: Daniel Rooney
Expansion auf dem Brett
Parallel zum Forschen finden Aktionen zur Expansion auf der Karte statt. Die Spieler beginnen mit ihren Startgebieten angrenzend an ein zentrales Feld, die „Wiege der Zivilisation“, und breiten sich von dort mit Hilfe ihrer Siedler auf der Karte aus. Wird ein angrenzendes Landschaftsplättchen durch Betreten mit einem Siedler erforscht, deckt der aktive Spieler es auf – oft gibt es dafür einen Entdecker-Bonus. Jedes Plättchen hat einen Stärkewert und zeigt sowohl ein Dorf als auch eine Stadt. Zuerst kann das Dorf gegründet werden, danach die Stadt. Das Dorf bringt sowohl spielrelevante Boni als auch Siegpunkte, die Stadt nur Siegpunkte – davon aber eine ganze Menge. Um ein Dorf zu gründen, benötigt man einen oder mehrere Siedler mit mindestens der Stärke des Plättchens, für die Stadt gilt dasselbe mit Rittern.
Produktion auf dem Tableaus
Die Produktionsphase findet auf den Spielertableaus der Spieler statt. Jedes zeigt im oberen Teil fünf Bevölkerungsspalten, in die die inaktiven Bevölkerungssteine einsortiert sind. Darunter sind drei Entwicklungsleisten mit Holzwürfeln: Nahrung, Wirtschaft und Infrastruktur. Durch das Entfernen von Würfeln von der Nahrungsleiste – z. B. durch Aktionen oder Boni beim Besiedeln – werden die darüberliegenden Bevölkerungsspalten aktiviert, sodass die Spieler in der Produktionsphase neue Bevölkerungssteine aus diesen Spalten in ihren aktiven Vorrat rekrutieren können – ein sehr cleverer und spaßiger Mechanismus! Aus dem aktiven Vorrat werden die Bevölkerungssteine dann entweder als Gelehrte, Siedler oder Soldaten ins Spiel gebracht. Die zweite Ressource im Spiel sind Münzen und die Münzenproduktion wird über die entfernten Würfel der Wirtschaftsleiste gesteuert. Schließlich können Spieler noch durch das Entfernen von Würfeln aus ihrer Infrastrukturleiste neue Fähigkeiten ihrer Regierungskarte freischalten. Jeder Spieler hat zu Spielbeginn eine unterschiedliche Regierungskarte erhalten, wodurch etwas Asymmetrie ins Spiel gebracht.

Beyond the Horizon – Spielertableau | Foto: Daniel Rooney
Das Spielerlebnis bei Beyond the Horizon
Beyond the Horizon bietet viele Momente, die Spaß machen – besonders dann, wenn sich gute Planung auszahlt. Es ist befriedigend, wenn man durch cleveres Agieren auf den Leisten genau im richtigen Moment benötigte Fähigkeiten oder Boni freischaltet, eine starke Technologie als erster erforscht oder genau passend ein Gebiet besiedelt. Beyond the Horizon übernimmt viele der Stärken seines Vorgängers Beyond the Sun und insbesondere das modulare Erforschen von Technologien ist erneut ein Highlight: Kluge Wege durch den Technologiebaum planen, dabei starke, neue Aktionen freischalten und die einmaligen Boni der Technologien und Persönlichkeitskarten mitnehmen – all das macht beim Zivilisationsbau auf der Erde genauso viel Freude wie im Weltall. Die stetig wachsende Landkarte erzeugt zudem ein Gefühl von Expansion und das Freischalten von neuen Regierungsformen belohnt vorausschauendes Spielen.
Der Trick vor der Rezension: Einfach mal beide Spiele im Vergleich testen …
Wäre Beyond the Horizon ein einsamer Stern im Universum, würden die folgenden Zeilen vielleicht anders lauten. So ist es aber nicht, und aufgrund der starken spielerischen Überschneidungen mit seinem Vorgänger muss sich Beyond the Horizon zwangsläufig auch mit seiner Herkunft auseinandersetzen. An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass ich die beiden Spiele immer im Kontrast gespielt habe. Bei den ersten beiden Spielrunden habe ich Beyond the Horizon direkt nach einer Partie Beyond the Sun auf den Tisch gebracht. Danach habe ich die Reihenfolge getauscht, um zunächst unabhängige Meinungen zu Beyond the Horizon zu sammeln, bevor ich diese mit Beyond the Sun kontrastiert habe.
Der thematische Tapetenwechsel zum Zivilisationsspiel funktioniert nur bedingt. Die Erforschung neuer Technologien soll auch den kulturellen Fortschritt der Zivilisationen darstellen, doch während ich auf der Landkarte noch mit Siedlern unentdeckte Gebiete kartographiere und Dörfer mit mittelalterlicher Optik gründe, erforschen meine Gelehrten plötzlich Dinge wie Teilchenphysik, Satelliten und das Internet. Irgendwie passt das atmosphärisch nicht zusammen und hat bei meinen Testspielgruppen allenfalls Stirnrunzeln hervorgerufen.
Das Material behindert den Spielfluss
Ein Highlight des Vorgängers war der angenehme Spielfluss. Beyond the Horizon leidet hier merklich unter seiner kleinteiligeren Struktur: Fast jede Aktion besteht aus mehreren kleinen Schritten (Spielstein platzieren und Stärketoken drauflegen (Token fällt runter, wieder drauflegen), Stärketoken verändern (Token fällt runter, wieder drauflegen), Marker nehmen, Boni kassieren, Leiste aktualisieren, etc.). Es ist nicht leicht zu sagen, woran es genau liegt, aber meine Testspielrunden waren sich einig: Wo der Vorgänger angenehm dahinfließt, ist der Spielablauf von Beyond the Horizon unnötig „frickelig“. Insbesondere die neue Landkarte bringt das Spiel ins Stocken und die cleveren Mechanismen des Technologiebaums und des Retourenmanagements auf den Spielertableaus werden leider durch die fummelige Umsetzung der Landkarten-Aktionen ausgebremst.
Spielerinteraktion ist immer ein zweischneidiges Schwert: Es gibt Spieler, die es lieben, sich gegenseitig in die Suppe zu spucken, und andere, die davon sehr frustriert sind. Wem die Area-Control-Elemente des Vorgängers zu viel des Guten waren, kann aufatmen: In Beyond the Horizon ist direkte Interaktion zwischen den Spielern verschwindend gering – abgesehen vom Wettlauf um die allgemeinen Zielkarten. Insbesondere beim Bauen von Gebäuden spürt man einen Hauch von Kooperation, da der Erbauer eines Gebäudes nur dann Siegpunkte erhält, wenn eine zweite Zivilisation das Gebäude ausbaut – diese erhält dafür jedoch keine Siegpunkte. In meinen Testspielrunden wurde daher kein einziges Gebäude ausgebaut, es erschien uns zu stark, einem Mitspieler dadurch Siegpunkte zu verschaffen. Meine Testspielrunden empfanden den Wegfall der kompetitiven Interaktion aus Beyond the Sun als deutlichen Verlust. Besonders im späteren Spielverlauf hatten wir oft das Gefühl, dass jeder mehr oder weniger sein eigenes Aufbauspiel spielte und die direkte Interaktion in den Hintergrund trat. Im Gegensatz zum Vorgänger hatten wir bei Beyond the Horizon auch ein spürbares Gefühl von Downtime, was wahrscheinlich auch daran lag, dass die Züge der Mitspieler für einen selbst weitgehend irrelevant erschienen und die Gedanken daher schnell vom Spieltisch abschweifen konnten – für mich kein gutes Zeichen!

Beyond the Horizon – Spielsituation | Foto: Daniel Rooney
Wiederspielwert
Beyond the Horizon hat einen sehr variablen Spielablauf: Zufällig kombinierte Zielkarten, ein modularer Technologiebaum mit wechselnden Persönlichkeitsboni und unterschiedliche Regierungskarten sorgen für abwechslungsreiche strategische Herausforderungen. Auch der Wettlauf um die Erschließung und Entwicklung von Gebieten auf der Landkarte bietet Raum für unterschiedliche Taktiken. Wer Spaß am Optimieren und langfristigen Planen hat, kann hier viele verschiedene Wege zum Sieg ausprobieren. Direkte Interaktion zwischen den Spielern erhöht in meinen Augen per se den Wiederspielreiz und bei Beyond the Horizon fällt diese relativ gering aus. Hier gehen die Geschmäcker aber auseinander und jeder darf für sich entscheiden, ob das etwas Gutes ist oder nicht. Dadurch wird einerseits der Frust vermieden, dass ein Mitspieler die eigenen Pläne durchkreuzen könnte, andererseits gibt es aber auch nur wenige Möglichkeiten, die Pläne der Mitspieler aktiv zu vereiteln.
Fazit der Rezension zu Beyond the Horizon
Beyond the Horizon ist ein ambitionierter Nachfolger, der die Stärken des Vorgängers Beyond the Sun in ein neues Gewand verpacken und mit neuen Ideen anreichern möchte. Leider geht das Experiment nur teilweise auf: Es erhält viele der Qualitäten, die schon den Vorgänger zu einem großartigen Spiel gemacht haben und die Mischung aus bewährtem Technologiebaum und neuer Landkarten-Expansion ist konzeptionell reizvoll, schafft es aber in der Praxis leider nicht, echtes Zivilisations-Feeling aufkommen lassen.
So lobenswert der Versuch auch ist, dem Spiel um den Technologiebaum mehr Detailtiefe zu geben, so bleiben die neuen Mechanismen doch leider zu umständlich und zu „fummelig“, um richtig guten Spielfluss entstehen zu lassen. Zudem dämpft die reduzierte Spielerinteraktion das Spielerlebnis deutlich. In meinen Testspielgruppen sprang der Funke daher einfach nicht über.
Das ernüchternde Fazit: Nach einer Partie des Vorgängers Beyond the Sun, die ich meist direkt im Anschluss an die Testpartien von Beyond the Horizon mit den Testspielgruppen spielte, wollte nicht ein einziger der Testspieler Beyond the Horizon ein weiteres Mal spielen – der Vorgänger macht einfach deutlich mehr Spaß.
Beyond the Horizon ist kein schlechtes Spiel, aber es ist eben auch nicht allein im Universum. Und da es hinter der Sonne einen sehr hell leuchtenden Stern gibt wird es Beyond the Horizon schwer haben, die unendlichen Weiten meines Spieleregals oft in Richtung Spieltisch zu verlassen. – DR