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Cartaventura: Vinland

Cartaventura: Vinland - Ausschnitt - Foto von Kosmos

Kosmos hat mit Adventure Games eine interessante Reihe gestartet. Dort agieren die Charaktere in Form von Point & Click durch ein Abenteuer. Im Prinzip ist die dabei erlebte Geschichte aber eher ein interaktiver Roman, bei dem die Entscheidungen zu einem neuen Textabschnitt führen. Dieses System war in den 1970er- und 1980er-Jahren verbreitet und bot insbesondere Fantasy-Fans Bücher mit mehr oder weniger dynamisch entstehenden Geschichten. Cartaventura ist ein Versuch von Kosmos, dieses System in ein Gesellschaftsspiel zu packen.blank

Anders als bei Adventure Games bietet die Reihe tatsächlich mehr Geschichte – und fast schon zu wenig Spiel. Eine der ersten Ausgaben ist Cartaventura: Vinland von Thomas Dupont (Mechanismus) und Arnaud Ladagnous (Geschichte) sowie mit Illustrationen von Guillaume Bernot und Jeanne Landart. Es geht es um Leif Eriksson, den Sohn eines bekannten Wikingers: Erik der Rote. Dieser Erik hatte lange vor Kolumbus Amerika entdeckt und dort eine Siedlung im sogenannten Vinland gegründet.

Cartaventura: Vinland - einige Karten aus dem Spiel - Foto von Michael Weber

Vorab das Fazit für die schnelle Leserschaft

Cartaventura: Vinland ist eine gelungene Veröffentlichung. Alle nehmen Anteil an den Geschehnissen. Die Geschichte bietet jederzeit Aktionsoptionen in Form von verschiedenen Karten. Jede einzelne Entscheidung führt zu neuen Karten oder lässt bereits ausliegende wieder verschwinden. Dadurch entsteht eine Story, die von der Gruppe beeinflusst wird und fünf verschiedenen Enden ermöglicht. Das steigert zugleich den Wiederspielreiz und macht Spaß. Hinzu kommt ein weiterer Pluspunkt. Die Einbettung des Themas ist gelungen. Wichtige Begriffe der Wikingerkultur werden in einem Mini-Begleittext kurz erläutert.

Keine Regeln lesen!

Bevor es losgeht, steht bei Gesellschaftsspielen eigentlich die Regellektüre. Bei Cartaventura entfällt dies. Die „Anleitung“ besteht aus wenigen Sätzen, in der lediglich Kartensymbole erklärt werden. Denn eigentlich entsteht das „Regelwerk“ durch die jeweiligen Karten.

Alter und Gruppengröße

Mitmachen können übrigens bis zu sechs Leute ab zwölf Jahren. Die Altersangabe ist eher hoch angesetzt. Sie ist dem Thema und den beschriebenen Abschnitten geschuldet. Den Ablauf selbst bekommen auch Achtjährige hin. Einen spannenden Unterschied gibt es zwischen Solopartie und Mehrspielerrunde. Je mehr mitmachen, desto mehr müssen sich alle auf eine Aktion einigen. Für mich besteht die Reihe bisher in erster Linie aus Titeln, die vorrangig als Solospiel ihren Charme entfalten.

Karten als Motor: So geht es los

Cartaventura: Vinland - Leif Eriksson - Foto von Michael Weber

Am Anfang liegt die Karte „Leif Eriksson“ aus. Das ist der Hauptcharakter, den alle durch die nun anstehende Geschichte begleiten. Über den Kartentext kommen noch drei Gottheiten in die Partie: Tyr, Loki und Thrud. Alle drei vergeben hin und wieder ihre Gunst, die im Abenteuer noch wichtig sein kann. Alles weitere entsteht durch das Auslegen von Karten. Ein Text gibt beispielsweise vor, die Karte mit einer Nummer auszulegen. Wählt die Gruppe später diese Karte, kommen weitere Karten ins Spiel, andere wieder vom Tisch oder werden umgedreht. Die Karten sind nicht nur Teil der Geschichte, sie schreiben diese.

Wie funktioniert Cartaventura: Vinland?

Anfangs liegen Leif und drei Gottheiten aus. Aus der erklärenden Einstiegskarte ergibt sich der Zwang, weitere Karten umzudrehen. Dabei handelt es sich um ein Stück einer Landkarte: In diesem Fall Island. Auf allen Landkarten ist wiederum eine Windrose abgebildet, an der Nummern platziert sind. Das bedeutet: In Richtung der Windrose sind nun weitere Karten mit den jeweiligen Nummern an das Stück Island anzulegen. Diese können Landkarten sein, es können aber auch Personen, Entscheidungen oder andere Karten sein. Manchmal ist eine Karte vor allen anderen auszuführen, häufig müssen sich aber alle für eine der möglichen Karten als Aktionsauswahl entscheiden.

Cartaventura: Vinland - Das Kartensystem - Foto von Michael Weber

Abzweigungen mit allen Konsequenzen folgen

Während die Karten so nach und nach auf den Tisch oder in die Partie kommen, bedeutet eine Aktionsauswahl, die Karte zu nutzen und den darauf beschriebenen Anweisungen zu folgen. Teilweise ist eine Auswahl aus zwei Optionen, teilweise eine Bedingung (bereits gefundener Gegenstand) für die Aktion angegeben. Je nach Entscheidung und bisherigem Verlauf der Geschichte folgen daraus wieder neue Karten mit Landkarte, Person, Begegnung oder Textabschnitt. Zugleich sind andere zuvor mögliche Wege für Leif endgültig verschlossen.

Die Gunst der Götter ist entscheidend

So geht es von Island über Grönland bis nach Vinland – oder auch nicht. Denn hin und wieder ist eine Gunst der Götter erforderlich. Sonst droht Ungemach. Dieses Ungemach kann in tödliche Situationen führen oder gar das vorzeitige Ableben von Leif bedeuten. Umso wichtiger ist es, die Gunst der Götter auf der eigenen Seite zu wissen. Diese wiederum muss sich Leif erst durch bestimmte Aktionen verdienen. Allerdings kann er sie auch – gefühlt viel zu häufig – wieder verlieren. Hat der Wikinger sie jedoch, meistert er schwierige Situationen viel einfacher.

Cartaventura: Vinland - Die Götter und ihre Günste - Foto von Michael Weber

Jedes vorzeitige Ableben führt zum Verlust nicht einer Gunst, sondern einer ganzen Götterkarte. So bedeuten Aktionen auch immer, mit den Folgen leben oder sterben zu müssen. Die anfängliche Zahl von drei Gottheiten sinkt schnell spürbar. Kommt es zu einer tödlichen Gefahr und Leif hat keinen Gott mehr auf seiner Seite, stirbt er und die Geschichte ist vorzeitig beendet.

Die Wikingerkultur als zentrales Element

Eingebettet in diese Geschichte ist die Wikingerkultur. Althing, Götter, die historische Ausbreitung und die Christianisierung sind Bestandteil der Entwicklung innerhalb des Abenteuers. Dadurch gewinnt Cartaventura: Vinland enorm an Atmosphäre und „Dichte“.

Wenig Spiel, aber verdammt gut gemacht

Cartaventura: Vinland - island als Doppelkarte - Foto von Michael Weber

Das Einbetten der kulturellen Details ist auch gut so. Denn spielerisch bietet diese Veröffentlichung eher wenig. Zwar fordern Karten immer wieder Entscheidungen, die ihrerseits in Folgen und neue Entscheidungen münden. Ein klassisches Gesellschaftsspiel ist das aber dadurch nicht. Vielmehr handelt es sich wirklich um den interaktiven Abenteuerroman der Form: „Möchtet ihr nun A oder B machen?“ – „Okay, ihr wollt B. Dann passiert dies und das oder ihr trefft auf eine Person. Wählt nun eure Entscheidung zwischen D und E.“ …

Starke interaktive Geschichte

So oder so ähnlich funktioniert auch Cartaventura: Vinland. „Leider“ ist das alles. Spiel? Nicht zu sehen. Aber die Geschichte und das Eingreifen in den Ablauf durch individuelle Entscheidungen sind erstklassig gemacht. In diesem Sinne könnte der Titel eine tolle Vorlage für ein Pen & Paper/Fantasy-Rollenspiel sein oder einen echten interaktiven Roman sein. Allerdings ist es eben ein kleines, sehr kompaktes Kartenspiel.

Cartaventura: Vinland - Schachtel - Foto von Kosmos

Als Gesellschaftsspiel ist Cartaventura: Vinland daher eine zweischneidige Angelegenheit. Soll der Spielmechanismus als solches bewertet werden, würde das Fazit eher mäßig ausfallen. Andererseits bietet diese Veröffentlichung aber eine gute Stunde wunderbare Unterhaltung. Da viele Entscheidungen zudem andere Optionen in der Partie blockieren, lohnt sich eine Wiederholung. So wird aus einer Minischachtel eine vollwertige Freizeitgestaltung nahe an einer Höchstwertung.

In der Kombination ergibt das einen Tipp für alle, die einfach und ohne Regellesen eine tolle Zeit mit einem spielerischen Abenteuer erleben wollen.

Ich empfehle, diese abenteuerliche Reise durch die Wikingerzeit allein oder zu zweit anzutreten. Bei mehr Personen kommt es zwar zu Diskussionen und einem gemeinschaftlichen Erleben, die Atmosphäre der Geschichte bleibt etwas auf der Strecke.

Infos zu Cartaventura: Vinland

  • Titel: Cartaventura: Vinland
  • Verlag: Kosmos
  • Autor: Arnaud Ladagnous, Thomas Dupont
  • Spieleranzahl (von bis): 1-6
  • Alter (ab oder von bis in Jahren): 12
  • Dauer in Minuten: 60
  • Jahrgang: 2022

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