Mit Grenzland liegt ein knapp 180 Seiten starker Kampagnenband für das Rollenspiel Cthulhu vor, der die Spieler im Jahr 1927 in sechs Episoden durch den Osten des deutschen Kaiserreichs führt – beginnend von Berlin bis ins Herz von Ostpreußen, nach Königsberg. Im Verlauf der Geschichte bekommen die Spieler es dabei mit den obligatorischen Kultisten, chtuloiden Schrecken, Serienmördern, korrupten Polizisten, ausländischen Agenten, besessenen Wissenschaftlern, politischen Fanatikern und sogar mit einem der Großen Alten selbst zu tun. Wenn, ja wenn sie bis zum Ende durchhalten.
Der Hintergrund
Der Kampagnenband beginnt mit einer mehrseitigen Hintergrundgeschichte, die im Jahre 1895 beginnt und von jugendlicher Freundschaft, nationalistischem Gedankengut, einer gescheiterten Liebe und schrecklichen Experimenten erzählt. Die Erzählung reicht bis in den Spätsommer 1927, in welchem die Spieler in die Geschichte „gezwungen“ werden. Alles beginnt für sie mit einer Entführung und dem Erwachen in einem verlassenen Tierasyl in Berlin. Ab diesem Zeitpunkt befinden sich Spieler auf permanenter Flucht vor ihren Entführern und gleichzeitig auf der Jagd nach der Wahrheit, um in ihr früheres Leben zurückzukehren.
Aussichtslosigkeit und Endzeitstimmung
Beinahe schon grenzwertig ist dabei die Dichte der Erzählung, die sich ständig überschlagende Ereignisse in einer recht freien Handlung bietet, in welcher die Spieler in beinahe beliebiger Reihenfolge einzelne Orte aufsuchen können und zahlreichen Gefahren trotzen müssen. Die Anzahl der Antagonisten ist groß und sie sind stellenweise übermenschlich, sodass man sich als Spieler wie in klassischen Computerspielen Speicherorte wünscht, um bei Versagen an einem früheren Zeitpunkt wieder starten zu können. Es dürfte für den Spielleiter eine Herausforderung darstellen, die Spieler an einem Stück durch die Erzählung zu bringen, ohne das Gefühl von Aussichtslosigkeit und Endzeitstimmung zu verlieren.
Grenzland: Gewohnt erstklassiges Material
Aber auch weitere Herausforderungen gilt es für den Spielleiter zu meistern. Nicht nur, dass die Kampagne äußerst knackig ist, sie bietet auch noch zahlreiche Orte, Nichtspieler-Charaktere, zu entdeckende Gegenstände und Geheimnisse sowie Handlungssequenzen, die gut getimt eingebaut werden wollen. Nicht umsonst endet der Band mit knapp 30 Seiten Handouts und Karten für die Spieler.
Natürlich sind sowohl erwähnte Handouts und Karten als auch der Kampagnenband selbst wieder etwas fürs Auge. Der Fließtext wird immer wieder durch Infokästen, Bildmaterial und Charakterdossiers unterbrochen, die dem Spielleiter alles bieten, was er für die Ausgestaltung der Kampagne benötigt. Die Autoren sind sichtlich bemüht, in der Geschichte möglichst nichts dem Zufall zu überlassen und alle Eventualitäten vorherzusehen.
Finale wie zu 8-Bit Zeiten
Dennoch fühlt man sich spätestens im optionalen Finale wie in einem Konsolenspiel, in dem man einen aussichtslosen Kampf den scheinbar unbesiegbaren Endboss führt. Was es übrigens schon zu klassischen C64-Zeiten gab. Stichwort: Master of Magic. Hier ist ein außergewöhnlicher Held in der Gruppe gefragt, ein Tom Cruise, Matt Damon oder Sigmar Solbach. Aber das lässt sich ja wie immer individuell an die Gruppe anpassen.
Fazit: Lohnt sich der Band Chtulhu – Grenzland?
Alles in allem ist auch Grenzland wieder exzellenter Stoff für das Cthulhu-Rollenspiel. Nichts für „wimps and posers“, sondern für gestählte Rollenspiel Veteranen, die den Verlust eines geliebten Charakters schnell wegstecken und mit gespitztem Bleistift einen neuen Investigator auf den Charakterbogen zaubern. Und die natürlich den Willen und die Geduld mitbringen, wie aus einer Zitrone das letzte saure Geheimnis aus der Geschichte herauszupressen. Wenn diese Eigenschaften vorliegen und der Spielleiter sein Handwerk versteht, bietet Grenzland genügend Stoff für eine Menge furchtbar mystische Abende im vergangenen, düsteren Osten von Germany.
Infos zu Cthulhu: Grenzland
- Titel: Grenzland
- Verlag: Pegasus Spiele
- Autor: Marcel Durer, Sascha Hillenbrand, Stefan Franck, Sebastian Weitkamp, Uwe Weingärtner
- Jahrgang: 2020
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