Infos zu Cthulhu: Der Hexer von Salem – Tage des Mondes
- Verlag: Pegasus Spiele
- Autor: Andreas Melhorn
- Jahrgang: 2007
„In der Baltimore-Klinik, einer zurückgezogen gelegenen Irrenanstalt nahe des englischen Dorfes Lowgreen, munkelt man, Wahnsinn und Mond seien ein Liebespaar. Wenn Luna in Vollmondnächten ihre lieblichen Strahlen in voller Pracht über die Welt ergieße, tanze der Wahnsinn mit ihr zu einer unüberhörbaren Melodie. In diesen Nächten ziehen die Schwestern der Klinik Streichhölzer, wer den Nachtdienst übernimmt, denn in diesen Nächten spielen die Patienten verrückt.“ (Tage des Mondes, S. 14)
Mit Tage des Mondes legt der Verlag nunmehr den dritten Band aus der Reihe Der Hexer von Salem vor. Der bisherige Erfolg und die durchweg positive Resonanz scheinen dem Konzept der „nicht-euklidischen Kombination aus blasphemischem Grauen und rasant-gruseligen Spielspaß“ auch hinlänglich Recht zu geben.
In seiner Optik schließt sich der Band unmittelbar an seine Vorgänger an und besticht wiederum durch das gelungene Coverdesign von Manfred Escher. Man erhält ein durchaus ansehnliches und im Layout sauber gearbeitetes 48 Seiten umfassendes Softcover-Heft im Format A4, welches neben einer Kurzgeschichte aus der Feder von Wolfgang Hohlbein und Dieter Winkler ein neues Abenteuer in der Welt des R. Craven bereit hält. Einziger Mangel ist die Qualität und die Auswahl der zeitgenössischen Fotos, die wie bereits in den anderen Bänden zu wünschen übrig lassen.
Im ersten Teil des Heftes findet der geneigte Leser zunächst die erwähnte Kurzgeschichte „Die Feuerteufel“ von Wolfgang Hohlbein und Dieter Winkler, in der es den Hexer auf der Suche nach seinem Sohn Richard letztlich auf eine namenlose Insel im Pazifik verschlagen hat. Den Hinweisen auf der Insel folgend, treiben die Schreckgespenster der Vergangenheit den Hexer zurück in vermeintlich glückliche Kindertage. Doch rückblickend wird der Hexer lediglich mit einem Grauen konfrontiert, das ihn bereits schon als Kind auslöschen wollte. In einer Mischung aus Alptraum und Trugbild erwartet Robert Craven und sein Begleiter Plüschow im Fernen Osten wahrlich ein feuriges Finale, aber bei weitem noch nicht das Ende ihrer Odyssee.
Durchaus lesbar und der Tradition der ersten beiden Teile folgend, erwartet den Leser ein recht durchschnittlicher Fortsetzungsroman. Der Schluss bleibt bewusst offen und eine Fortsetzung dürfte sicherlich nicht lange auf sich warten lassen. Für Fans eine Pflichtlektüre, für Spielleiter unter Umständen ein Fundus von Einfällen fürs eigene Spiel.
Im Abenteuer Tage des Mondes werden die Charaktere tiefer in die Abgründe der menschlichen Seele hineingezogen, als sie sich hätten träumen lassen. Der Titel des Abenteuers und Teile seiner Handlung ist als Hommage des Autors an den Roman „Tage des Wahnsinns“ von Wolfgang Hohlbein gedacht, spielte diese abgeschieden gelegene Anstalt doch bereits im Leben von Robert Craven bereits nicht unbedeutende Rolle.
Der Einladung von Dr. Baltimore, alias Mortimer Gray II, in dessen Klinik in der Nähe von Lowgreen folgend, werden die Charaktere mit dem vorliegenden Abenteuer mit den Abgründen und unzähligen Spielarten der menschlichen Psyche konfrontiert. Nicht zuletzt sind es die seltsamen Phänomene um die kranken Insassen seiner Klinik, die Dr. Baltimore dazu gebracht haben, sich an die Charaktere zu wenden und um deren Hilfe zu bitten. In bester Hexer-Manier und den Sitten der bisherigen Veröffentlichungen folgend, kommt aber auch in diesem Abenteuer neben dem fast schon inflationären Verlust von geistiger Stabilität der heldenhafte Kampf gegen Schurken, Bösewichte und allerlei übles Gezücht von Angesicht zu Angesicht nicht zu kurz.
Im Rahmen ihrer Nachforschungen geraten die Charaktere in die Fänge des skrupellosen, bösen und zugleich genialen Nervenarztes Dr. Mabuse. Nach seiner Flucht aus Deutschland übernahm er vor einigen Jahren in London das Longfield-Sanatorium, um dort die Auswüchse des menschlichen Wahnsinns zu studieren. Seit mehr als zwei Jahren beschäftigt er sich mit der Wirkung der Großen Alten auf die Psyche der Menschen, um eine Möglichkeit zu finden Wahnsinn zu verbreiten und sich vermittels seiner eigens hierzu entwickelten „Methode“ eine riesige menschliche Dienerschar Untertan zu machen.
Den Spuren in der Klinik von Dr. Baltimore folgend, zieht es die Charaktere unversehens in die Welt hinter den Spiegeln: Dr. Mabuse ist es gelungen eine Parallelwelt zu öffnen, in der der „Wahnsinn“ scheinbar seinen Ursprung hat. Vermittels Magie und Wissenschaft kann Dr. Mabuse nunmehr mit Gegenden, in denen der menschliche Wahnsinn große Macht besitzt in Kontakt treten. Sein erster Test ist hierbei die von ihm innig gehasste Klinik von Dr. Baltimore. Letztlich führen die Hinweise und Fährten in der Klinik und den abartigen Gefilden der Welt hinter den Spiegeln die Charaktere zum Longfield-Sanatorium nach London. Hier treffen sie in einem packenden Finale und einem Wettlauf gegen die Zeit auf Dr. Mabuse und der Möglichkeit, dessen wahnwitzige Pläne zu verhindern.
Es gibt wohl kaum jemanden, der von Dr. Mabuse noch nichts gehört hat. In den Jahren 1921/22 erschien der Roman „Dr. Mabuse – der Spieler“ von Norbert Jaques als Vorabdruck in der „Berliner Illustrierten“. Fritz Lang verfilmte die Geschichte um den genialen Verbrecher. Selbst wenn man nicht die Filmklassiker „Mabuse“ (1922) und „Das Testament von Dr. Mabuse“ (1933) von Fritz Lang (sowie spätere Adaptionen mit Filmbösewicht Gert Fröbe) gesehen haben, ist der Mythos Mabuse auch mehr als 80 Jahre nach seiner Veröffentlichung der Geschichte präsent.
In der Konzeption und Umsetzung des Abenteuers von Andreas Melhorn werden zwar immer wieder Grundelemente sowohl aus den Filmen wie auch der Romanvorlage übernommen, allein die richtige Stimmung zu den Ängsten, dem Irrsinn und die an Magie grenzenden Fähigkeiten der Hypnose die Dr. Mabuse eigen sind, vermisst man doch. Lediglich sporadisch, wie zum Beispiel in der Sequenz um Cornelia Bennet, einer Patientin von Dr. Baltimore, kommen die unterdrückten Wünsche und Begierden die sich Dr. Mabuse zu Eigen machen möchte zum Vorschein, wenn auch nur mit dem lapidaren Hinweis an den Spielleiter: „Der Raum riecht nach Sex“.
Die vermeintlich irrationale Welt hinter den Spiegeln als zentrales Element im Abenteuer erscheint mir stellenweise platt und wirkt leidlich behäbig. Erschwerend ist auch die zum Teil fehlende Handlungsfreiheit der Charaktere, ist es zum Beispiel letztlich Dr. Baltimore, der den entscheidenden Hinweis auf das Sanatorium in London gibt, um nur einen gravierenden Punkt zu nennen.
Weiterhin stellt sich mir die Frage, wie schnell man in dieser Serie die großen Trash-Helden aufbrauchen möchte. Waren es doch nunmehr schon Fu-Manchu und jetzt noch Dr. Mabuse. Was mag uns als nächstes erwarten? Man braucht sicherlich starke Helden, schillernde Persönlichkeiten und finstere Schurken – aber es muss nicht jedes Mal einer aus der Riege der obersten Titanen der Finsternis sein. Was ist mit all den anderen Gruppierungen nicht so klotzig daherkommenden Bösewichtern aus der Romanwelt des Hexers, oder möchte man nur noch das Klischee bedienen? Das wäre sehr Schade und der zukünftigen Entwicklung der Hexer-Serie sicherlich abträglich.
Insgesamt konnte mich das Abenteuer nicht hundertprozentig überzeugen, mögen die zum Teil abgedruckten Erfahrungen von „Testspielen“ den Leser auch eines besseren belehren wollen. Unerfahrene Spieler und Spielleiter erhalten auf jeden Fall ein passables und ohne große Vorbereitung spielbares Abenteuer, wohingegen Veteranen sicherlich gezwungen sein werden, dem Abenteuer an einigen Stellen etwas nachzuhelfen.
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