Infos zu Evacuation
- Titel: Evacuation
- Verlag: Pegasus Spiele
- Autor: Vladimir Suchý
- Spieleranzahl (von bis): 1-4
- Alter (ab oder von bis in Jahren): 12
- Dauer in Minuten: 60-150
- Jahrgang: 2024
Hat man seine Nase erst einmal tief hineingesteckt in die Brettspielwelt, öffnen sich auch schnell die Tore zu den ureigenen Insidern dieser illustren Szene. Nimmt man all die Male zusammen, in denen ein Mitspieler oder eine Mitspielerin eröffnet, ein Buch über diese spezialgelagerten Aussprüche und Gebräuche zu schreiben, und verrechnet das mit einem kleinen Geldbetrag: Der Rezensent würde sich eine einsame Insel kaufen. Aber nun gut, die einsame Insel ist in weiter Ferne und auf dem Spieltisch liegt nun Evacuation (Pegasus Spiele) vom tschechischen Autor Vladimir Suchý.
Der tschechische Minimalist
Wo wir aber wieder bei Insidern wären: Genau über den munkelt man im Kreise der Meeple-Schubser, dass man in seinem nächsten Spiel nur einen einzigen Zug zur Verfügung habe. Also quasi als wäre nach dem Rauskommen bei Mensch ärgere Dich nicht gleich Schluss.
Dieses Gerücht ist natürlich in das Land der Absurditäten zu verweisen. Aber wenn man sich die Spielhistorie von Suchý mal genau anschaut, weiß man, wo das herkommt. Die Begrenzung von Spielzügen auf ein Minimum gehört zu seinem festen Repertoire. Angesichts der zu erfüllenden Ziele in den Spielen, kann das zu direkten Schweißausbrüchen führen. Zusammenfassend kann man sagen: Spiele von Suchý, die beim Händler des Vertrauens bei den Eurogames zu finden wären, sind erstmal ein ordentliches und nicht zu unterschätzendes Brett. Die Fülle an Regeln, das Beherrschen des Spiels auf Dauer und – bei Suchý nicht zu vergessen – eine stets fordernde Ikonographie, kommen dann noch oben drauf.
Evacuation: logistische Herausforderungen
Nachdem wir mit Suchý bisher in Unterwasserwelten, im mittelalterlichen Prag oder im von der Pest verseuchten Italien unterwegs waren, entführt uns Evacuation in den Weltraum. Was also ist unsere Aufgabe in Evacuation? Und worum geht bei diesem bedeutungsschweren Titel?
Die Erde, wie wir sie kennen, ist am Ende. Die Sonne dehnt sich aus, unser Planet liegt aufgrund der steigenden Temperaturen in Trümmern. Aber Rettung ist in Sicht in einem neuen, erdähnlichen Planeten. Also müssen wir Bewohner wie Infrastruktur von der kaputten auf die frische Erde bringen. Spieler treten in verschiedenen Fraktionen gegeneinander an, die darum wetteifern, ihre Leute vom Planeten zu evakuieren. Im Laufe von maximal vier Jahren (aka vier Runden) müssen wir Maßnahmen ergreifen, um Menschen wie Produktionsstätten auf Raumschiffe zu verfrachten und damit die neue Welt zu besiedeln. Zu guter Letzt müssen wir auch den Freizeitbedürfnissen der Menschen auf dem B-Planeten gerecht werden, in dem wir dort Stadien bauen.
Die vier Runden und sieben Phasen bei Evacuation
Jede der vier Runden besteht aus sieben Phasen:
- Einkommen,
- Aktionen,
- Transport,
- Zugreihenfolge,
- Fortschritt,
- Boni und
- Aufräumphase.
Zu Beginn jeder Runde produziert jeder Planet Energie, Eisen und Nahrung entsprechend der vorhandenen Infrastruktur. Zusätzlich muss die Bevölkerung ernährt werden. Im Gegensatz zu vielen anderen Eurogames, in denen man zu Beginn erstmal seine Produktionskette aufbauen muss, kann man hier zu Beginn aus dem Vollen schöpfen. Durch den Abtransport aber verringert sich die Produktion von Ressourcen auf dem alten Planeten, gleichzeitig benötigt man diese auch zum Aufbau auf der neuen Erde. Der Clou ist, mit seinen Ressourcen entsprechend hauszuhalten und diese durchdacht auf den verschiedenen Planeten zu verteilen (u. a. durch den Einsatz von Raumschiffen). Jeder Ressourcenwürfel zählt!
Beim Ent- und Besiedeln ist also Fingerspitzengefühl gefragt. Je schneller man die Evakuierung durchführt, desto mehr schadet man sich selbst, weil man nicht mehr genug produziert. Je langsamer man es macht, desto mehr gerät man im weiteren Verlauf unter Druck, um den alten Planeten leer zu bekommen.
Und: Action!
Im Zusammenhang mit den Ressourcen steht auch die originelle Aktionsphase. Während die ersten beiden Aktionen in einer Runde kostenlos sind, kostet jede Aktion ab der Dritten eine zunehmende Menge an Energie. Es gibt keine Begrenzung dafür, wie viele Aktionen ein Spieler in einem Zug ausführen kann, nur eine natürliche Grenze dafür, wie viele Ressourcen ein Spieler ausgeben kann und will.
Zusätzlich bestimmt die Auswahl der Aktionen, die je mit einem Wert von 1-4 versehen sind, den Spielfortschritt. In der späteren Fortschrittsphase werden diese Werte zusammengerechnet auf die den Planeten umringenden Satelliten aufgeteilt. Das Vorankommen auf dieser Umlaufbahn begünstigt das Freischalten von Besiedlungsplätzen auf dem neuen Planeten, abhängig von der zugrunde liegenden Flora.
Nacheinander wählen die Spieler ihre Aktionen aus und zahlen ggf. ihre Energiekosten. Die Aktionsphase dauert an, bis alle Spieler gepasst haben.
Dann geht es ab: die Raumflüge
In der anschließenden Transportphase muss erneut die Ressource Energie genutzt werden, um die Raumschiffe zwischen den Welten zu bewegen. Jedes Schiff hat eine Reihe von Eigenschaften wie z. B. von welchem Geländetyp aus es Menschen/Fabriken evakuieren kann, wie viele Ressourcen, Stadien oder Fabriken es transportieren kann. Alles, was verschifft wird, wird auf die neue Erde des eigenen Spieltableaus gelegt, wo es noch keine Wirkung hat und in einer späteren Runde mit der Bevölkerungsaktion auf der neuen Welt angesiedelt werden muss.
Rennen oder Punkte
Evacuation kann in zwei verschiedenen Modi gespielt werden. Die Regeln schlagen vor, zunächst im Rennmodus zu spielen, bei dem das Spiel endet, sobald ein Spieler eine Produktion von acht in jeder Ressource erreicht hat und drei Stadien auf der neuen Welt platziert hat. Jeder verbleibende Spieler in der Zugreihenfolge erhält eine weitere Aktion, und das war es dann. Dies kann ziemlich abrupt passieren, also aufgepasst.
Im Punktemodus hingegen, der für den Vielspieler geeignet ist, wird das Spiel bis zum Ende der vierten Runde gespielt. Die Wertung wird ein wenig geändert, bleibt aber im Wesentlichen ähnlich. Es gibt dann noch eine Reihe von kleineren Zusatzmodulen, die die Spieler je nach Vorliebe hinzufügen oder weglassen kann.
Was am Ende übrig bleibt … außer der alten Erde
Einer der größten Stärken von Evacuation ist sicherlich die Umsetzung des Themas und dessen Wiedererkennungswert im Spiel. Viele Eurogames tragen ein Thema in sich, dass am Ende austauschbar ist, weil die dahinterstehende Mathematik und Mechanik zu sehr durchscheint. Da kann aus dem Weltraum-Wirtschaftsspiel mal schnell eine Nordpol-Simulation oder ein Schneckenrennen werden. Auch Evacuation ist letztlich ein sehr hartes und strategisch forderndes Rechenspiel, weil Gewinn oder Verlust von einem Ressourcenwürfel abhängig sein können. Aber die titeltragende Evakuierung ist hier so eng mit der Mechanik verzahnt, dass die benannten Vorurteile gegenüber Eurogames hier nicht bewahrheitet werden können.
Ressourcenknappheit erlaubt einfache Entscheidungen …
Dem gegenüber steht aber eine nicht zu knappe Downtime. Auf Grund der Knappheit der Ressourcen sind die zu treffenden Entscheidungen bezüglich deren Nutzung keine einfachen. Da überlegt man sich lieber mehrmals, ob und was für die jeweilige Runde in die Waagschale geworfen werden muss. Gerade in Spielen mit mehreren Personen, kann der Abend schon etwas länger dauern, weshalb hier die Spielerzahl von maximal drei Personen empfohlen wird. Evacuation eignet sich aber auch perfekt als 2-Personen-Spiel.
Und dann ist er natürlich auch hier zu erwähnen, der Verknappungsfaktor a la Suchý, der bei Evacuation auch zu den eingangs erwähnten Schweißausbrüchen führt. Das Gefühl sagt einem zunächst, dass bei Evacuation mehr möglich ist, als bei früheren Titeln des tschechischen Autors. Aber durch den Ressourcenschwund muss man gleichermaßen mit den Aktionen haushalten. Und so sind es am Ende doch nicht allzu viele, die man wirklich nutzt bzw. nutzen kann.
Wie bei den Vorgängern Praga Caput Regni oder Messina 1347 ist dies letztlich keine Schwäche des Spiels. Nein, gerade diese Verknappung und das Bahnen des Weges, doch ein Maximum an Boni und Synergieeffekten herauszuholen, ist die große Herausforderung. Diese meistert man sicherlich nicht nach einem Spiel, sondern es bedarf Übung bei vielen Partien, um möglichst gut abzuschneiden.
Evacuation ist deswegen mit seiner Langzeitmotivation in Zeiten von unzähligen Neuerscheinungen und damit ständigen Verlockungen sowas wie ein inoffizieller und überaus gelungener Aufruf zum Minimalismus. Nicht nur auf dem Spielbrett, sondern auch im Spielregal.
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