Friedrich Ebert war der vielleicht größte Sozialdemokrat. Er ist bis heute eng verbunden mit dem Wechsel vom Kaiserreich hin zur Demokratie, die damals ungemein brüchig war. Viele Gruppierungen versuchten in der Weimarer Republik die Macht an sich zu reißen: Royalisten, Militär, Revolutionäre, Gegner der Demokratie. Heute wissen wir, dass sein Beitrag ungemein wichtig war. Das alles ist Gegenstand des „serious Games“ Friedrich Ebert – Der Weg zur Demokratie.
Worum geht es beim Politikspiel Friedrich Ebert?
Das Politikspiel ist eine „Übersetzung“ des gleichnamigen Browserspiels. Autoren sind Jonas André und Martin Thiele-Schwez. Ostia Spiele hat es gemeinsam mit Playing History entwickelt. Es zeichnet das Leben von Friedrich Ebert nach und setzt dabei das Browserspiel fast 1:1 um. In einem kooperativen Spiel machen sich alle gemeinsam daran, das Leben Eberts nachzuzeichnen und durch geschickte Entscheidungen die Demokratie zu sichern.
Regeln und Handhabung sind kompliziert
Wer sich einmal am Browserspiel probiert hat, wird die einfachen Regeln erfrischend finden, die eine spannende und fordernde Partie ermöglichen. Das Gesellschaftsspiel kann in diesem Punkt zunächst nicht überzeugen.
Die Handhabung ist äußerst umständlich. Das Management der Kartenauslage ist kompliziert und wird dem im Prinzip einfachen Ablauf nicht gerecht. Die Regeln sind zwar klar und ausführlich, aber ich vermisse eine komprimierte Übersicht für Neulinge. Zwar liegen Rundenablaufkarten bei, diese sind aber zu knapp. Es wäre schön gewesen, eine klare Kurzregel zu ergänzen. Denn genau die hätte den Einstieg ungemein erleichtert.
Top-Material liegt bei
Das soll aber nicht täuschen. Denn mit etwas, anfangs eben mühevollem Einarbeiten ist der Ablauf klar und geht gut von der Hand. Dabei hilft auch das gute Material. Die Chips und Karten sind von guter Qualität, Zip-Tüten liegen bei. Optional gibt es noch Spielhilfen vom Verlag sowie größere Spannungskarten und Meilensteine.
Erstklassig ist die Chronik, die sich den Regeln im Heft anschließt. Auf 32 Seiten gibt es chronologisch sortiert Hinweise zum Leben und Schaffen von Ebert sowie wichtige Ereignisse aus der Zeit. Diese Chronik sowie der Spielablauf schlagen zugleich einen beklemmenden Bogen zur heutigen Zeit, in der die Demokratie wieder so gefährdet zu sein scheint wie am Ende der Weimarer Republik.
Der Spielablauf: Briefe lesen und Einfluss geltend machen
Je nach Anzahl der Mitspielenden übernehmen alle jeweils eine besondere Rolle. Im Grunde läuft es aber darauf hinaus, dass Ebert an seinem Schreibtisch sitzt, Briefe liest und seinen Einfluss ausübt.
Sobald die Gruppe den golden Zielbrief freispielt, gewinnt sie das Kapitel. Vier davon sind zu bewältigen – in aufsteigender Schwierigkeit. Während der Runde steigt die Spannung der beteiligten Fraktionen an. Steigt sie zu stark, verlieren alle gemeinsam bei Friedrich Ebert. Auf dem Weg zum Spielende sind Meilensteine zu bewältigen und persönliche Erlebnisse zu managen.
Briefe bringen Einflussmarker
Während der Kapitel kommen bei Friedrich Ebert jede Runde Brief der verschiedenen Fraktionen in deren Auslagen. In jeder Runde können insgesamt zwei davon gelesen werden – die beiden äußersten. Die Briefe zeichnen das geschichtliche Geschehen nach. Meistens bringen sie Einflussmarker für bestimmte Fraktionen, manchmal steigt auch die Spannung innerhalb einer Fraktion. Ein einigen Fällen kommt es zu Sonderereignissen.
Das Problem ist das bei Friedrich Ebert wachsende Stresslevel: Es kommen in den späteren Kapiteln viel mehr Briefe in die Auslage, als gelesen werden können. Da jeder Brief nicht nur die Spannung ansteigen lässt, sondern die Auslagen auf jeweils fünf Exemplare begrenzt ist, ist die Not schnell groß. Zu viele Briefe bedeuten wiederum noch mehr Spannung und schnell ist eine Partie verloren.
Friedrich Ebert muss den Einfluss zum eigenen Vorteil nutzen
Die gewonnenen Einflussmarker sind von enormer Bedeutung. Sie reduzieren die Spannung, lassen Briefe verschwinden oder helfen dabei, Meilensteine zu erfüllen oder persönliche Erlebnisse abzuschließen.
Meilensteine sind besondere Herausforderungen, die unbedingt zu erfüllen sind. Nur so kann die Gruppe Friedrich Ebert gewinnen. Das funktioniert wiederum über Einflussmarker. Das Erfüllen der Meilensteine hat enorme Vorteile. Unter anderem säubert es die Auslagen und bringt neue Einflussmarker. Das alles ist wichtig, um nach und nach bis zum goldenen Brief vorzudringen, der in den Tiefen des vorsortierten Nachziehstapels wartet. Damit wäre die Runde beendet und im letzten Kapitel die Partie gewonnen.
Friedrich Ebert ist Geschichtsunterricht für Spielefans
Es handelt sich um ein serious Game. Das bedeutet: Es zeichnet historische Zusammenhänge möglichst exakt nach.
Spielerisch macht sich das an den vorsortierten Karten bemerkbar. Damit verläuft jede Partie relativ ähnlich. Ein Manko, das aber zu verkraften ist. Denn die eigenen Entscheidungen bringen ausreichend Abwechslung. Dass zudem die geschichtlichen Daten den Ablauf prägen, ist unabdingbar, macht Friedrich Ebert aber auch ein Stück berechenbar.
Inhaltlich macht sich das „serious Game“ durch die Kartentexte, Meilensteine und die vielen anderen Dinge bemerkbar. Das ist Geschichte pur. Die Texte bringen Atmosphäre in die Partie. Zugleich vermitteln die vielen kleinen Anekdoten und Ereignisse ungeheuer viel Wissen über die Zeit.
Ich erinnere mich an meinen Geschichtsunterricht, in der die Zeit anders als die NS-Zeit nur ein einziges Mal Thema war. Ich war ein begieriger Lerner für politische Zusammenhänge. Aber diese Zeit wurde uns schlecht vermittelt. Hätte ich dieses Spiel gehabt, wäre vieles verständlicher gewesen. Geschichte kann so leicht sein.
Spielerisch nichts für Hardcore-Fans
Die Story ist genial. Das System ist überaus elegant. Das Gewinnen und Verteilen der Einflussmarker bei gleichzeitigem Anstieg der Fraktionsspannungen ist sehr gelungen. Wäre die Einstiegshürde nicht, könnte Friedrich Ebert eine Empfehlung als Top-Politikspiel bekommen. So ist es aber anfangs zu kompliziert, was aber die Handhabung und nicht den Komplexitätsgrad betrifft. Zum besseren Verständnis empfehle ich daher vorab eine Partie am Bildschirm mit dem Broswerspiel.
Meisterstück der politischen Bildung
Mir gefällt Friedrich Ebert – Der Weg zur Demokratie sehr gut.
Ich würde es aber nicht in jeder Runde spielen wollen. Und ich muss gestehen, dass ich es lieber allein oder zu zweit spiele. Bei mehr Spielern kommt es zwar zu interessanten Debatten und mehr Interaktion. Beides verschleppt aber nur Entscheidungen, die ohnehin meistens von der Not der Fraktionsspannung getrieben sind. Aber: In der richtigen Runde ist es ein Meisterstück der politischen Bildung und der Erklärung geschichtlicher Zusammenhänge. Und damit ist das Ziel erreicht – bei einem ausreichend großen Spielspaß.
Infos zu Friedrich Ebert – Der Weg zur Demokratie
- Titel: Friedrich Ebert
- Untertitel: Der Weg zur Demokratie
- Verlag: Ostia Spiele
- Autor: Jonas André, Martin Thiele-Schwez
- Spieleranzahl (von bis): 1-4
- Alter (ab oder von bis in Jahren): 12
- Dauer in Minuten: 45
- Jahrgang: 2024
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