Jeder König kennt diese Situation: Kaum weilt man mal ein paar Jahre auf Geschäftsreise außer Landes, schon mucken die daheim gebliebenen Fürsten auf und versuchen, das Reich unter sich aufzuteilen. Höchste Zeit also, zurückzukehren und dem Spuk ein Ende zu bereiten. Doch welcher Adlige wird bis dahin die meiste Macht, den größten Einfluss errungen haben?
Neun quadratische Teile setzen die Landschaft für jede Partie neu zusammen. Darauf sind Wälder und Wiesen, Dörfer und vier verschiedene Minensorten abgebildet. Vor dem eigentlichen Spiel setzt jeder der Fürsten seine Burgen und einige Ritter auf den Plan und legt so seine Startpositionen fest. Dann spielt reihum jeder eine seiner drei Handkarten aus und führt die damit verbundene Aktion durch. So werden zunächst Grenzen und weitere Ritter gesetzt, bis die ersten Gebiete entstehen. Diese müssen komplett von Grenzen oder dem Spielfeldrand umgeben sein und dürfen nur Figuren eines einzigen Spielers enthalten. Sogleich erfolgt eine Wertung, bei der alle frisch umschlossenen Wälder und Dörfer Punkte bringen. Nun machen auch die weiteren Aktionen Sinn: Gebiete werden erweitert; Ritter aus benachbarten Regionen ändern ihre Gesinnung und laufen zum Feind über; Zwangsbündnisse werden geschlossen, welche Erweiterungen zwischen zwei bestimmten Gebieten zukünftig verhindern. Und da nichts sicher ist, können Ländereien auch schon mal an einen Gegner verloren gehen, wenn dieser in seinem Gebiet die größere Ritterschar besitzt.
So weit, so gut – nur leider kosten alle diese Aktionen Geld, und Geld ist Mangelware. Jede Karte hat daher eine Doppelfunktion: Wird ihre Aktion genutzt, zahlt der Spieler; möchte er Geld einnehmen, verkauft er sie an den so genannten "Machtmarkt" und kassiert entsprechend. Doch Obacht, alle Karten im Machtmarkt stehen nun auch den Mitspielern zur Verfügung und dürfen aufgenommen werden, wenn ein Spieler seine Kartenhand ergänzt. Eine weitere Einnahmequelle sind die Minen, die jedem Spieler pro Sorte im eigenen Gebiet eine Extra-Dukate einbringen, und das jede Runde aufs Neue. Mehr Minen gleichen Typs bringen nicht mehr Geld, aber vielleicht ein Monopol und damit weitere Punkte. Erreicht ein Spieler so das Zielfeld auf der Siegpunktleiste, hat er sofort gewinnen. Ansonsten wird der Aktionskartenstapel einmal komplett durchgespielt, bis der Sieger schließlich feststeht.
Löwenherz – da war doch was? 1997 im Goldsieber-Verlag erschienen kam es damals immerhin auf die Auswahlliste zum Spiel des Jahres und belegte den ersten Platz beim Deutschen Spielepreis. Nach Ablauf der Goldsieber-Lizenz nutzte der Autor Klaus Teuber die Gelegenheit zur Runderneuerung des Spielprinzips, wie schon vorher bei Entdecker. Während Die neuen Entdecker bei Kosmos jedoch umfangreicher und zeitaufwendiger wurden, geht Teuber in seiner Löwenherz-Überarbeitung den umgekehrten Weg. Das Herzstück der Ursprungsversion, die Verhandlungsphase mit ihren Dukaten-Duellen, fällt in der Neuauflage dem beschriebenen Machtmarkt zum Opfer. Puristen und Hardcore-Strategen mögen das bedauern, doch schnell zeigt sich, dass man dadurch dem eigentlichen Spielprinzip, dem Setzen von Grenzen und Rittern, dem Drohen und Erobern, wieder näher kommt. War bei Goldsieber mitunter der geschickte Bluff gefragt, werden den Spielern nun, abgesehen von den gegnerischen Handkarten, keine Informationen vorenthalten. Löwenherz in der Urfassung war harte, aufregende, lohnende Arbeit. Jetzt spielt es sich einfach lockerer, was sich auch in der um die Hälfte verkürzten Spieldauer niederschlägt – und es lohnt noch immer. Auch die Taktik ändert sich: Durch die höhere Bedeutung der Minen, kann man nicht mehr einfach auf Abwarten spielen, sondern muss sich bereits frühzeitig Gebiete schaffen, um den Dukatenfluss sicherzustellen. Nicht mehr die Größe einer Region ist entscheidend, sondern der Inhalt zählt. Und der Glücksfaktor ist durch das Nachziehen der Karten vom verdeckten Stapel zwar gestiegen, hält sich aber trotzdem im Rahmen; nur durch Kartenglück oder -pech wird niemand eine Partie Löwenherz gewinnen oder verlieren.
Löwenherz ist und bleibt Klaus Teubers großer Wurf – trotz der Siedler von Catan. Und beide Fassungen haben ihre Daseinsberechtigung: Die von Goldsieber richtet sich mehr an die Taktiker mit guten Nerven und dickem Fell, die sich an einem Spiel auch mal über Stunden festbeißen können. Die Kosmos-Version ist familienfreundlicher und lädt zur sofortigen Revanche ein; außerdem ist sie für zwei oder drei Spieler besser geeignet, da das ursprüngliche Versteigerungselement wegfällt. Beides sind Werke, die in einem gut sortierten Spieleschrank nicht fehlen sollten.
Infos zu Löwenherz
- Verlag: Kosmos
- Autor: Klaus Teuber
- Jahrgang: 2003
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