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Modern Society

Modern Society von Reich der Spiele

Eigentlich ist es geradezu tragisch: Das Konzept und die grafische Ausgestaltung des Spiels sind überaus attraktiv und seine thematische Grundlage von beklemmender Aktualität. Die weltweite Entwicklung zu Beginn des 21. Jahrhunderts steht im Zentrum des Geschehens. Neue Herausforderungen gilt es zu meistern, die die Hoffnung auf eine bessere Zukunft empfindlich trüben. Die Bevölkerung wird immer älter, der Anteil der Erwerbstätigen sinkt, daneben verstärken die Erderwärmung und die instabile Wirtschaft weltweit die Ängste der Menschen. Ziel und Aufgabe der Spieler ist es, unter all diesen schwierigen Rahmenbedingungen gesellschaftliche Rahmenbedingungen zu fördern, die der verunsicherten Bevölkerung den Weg in eine sorgenfreiere Zukunft öffnen können.

So weit so gut. Wer ganz unbefangen ans Spiel herangeht, findet drei erstaunlich schmale Spielanleitungen in finnischer, schwedischer und englischer, nicht dagegen in deutscher Sprache. Sie alle verschaffen einen an sich recht übersichtlichen Eindruck des Spielablaufs. Im Detail allerdings zeigt sich rasch, dass längst nicht alles geklärt ist und ein ganzer Haufen Fragen zum Zusammenwirken der Mechanismen des Spiels und zur Handhabung diverser Karten und spezieller Spielkonstellationen offen bleiben. Routinemäßig wird ein Blick ins Internet getan, wo sich tatsächlich diverse Hilfeseiten finden lassen, von denen beispielsweise auch eine (gute) deutsche Übersetzung der Spielregeln runtergeladen werden kann. Damit sind aber längst noch nicht alle Probleme gelöst.

Selbst die Hilfeseiten beschränken sich nämlich mehr oder weniger notgedrungen auf eine punktuelle Klärung von Problemen aller Art. Das meiste davon ist in einer Art Frage und Antwort Liste dargestellt, die durchzuackern eine schier endlose Fleissarbeit ist, was neben dem Kritiker möglicherweise nur die wenigsten wirklichen Fans des Spiels auf sich nehmen werden. Dass die ganzen Hilfestellungen praktisch ausschließlich in englischer Sprache formuliert sind, ist dabei bloß eine der niedrigsten der zu überwindenden Hürden …

Machen wir es kurz und schmerzlos: Ziel des Spiels ist der Erwerb von Gesetzeskarten in insgesamt vier Spielfarben. Diese symbolisieren zentrale Werte der Gesellschaft wie Patriotismus und staatliche Ordnung (schwarz), soziale Werte (rot), Wirtschaft (blau) und Ökologie (grün). Zu Beginn einer Runde legen die Spieler gleichzeitig je eine Themenkarte aus, mit denen vier Wertemarker in den entsprechenden Spielfarben auf einer kleinen Auslage in der Tischmitte nach oben oder unten verschoben werden. Das beeinflusst die Anzahl Punkte, die die Spieler aufgrund der von ihnen ausgelegten Themenkarte erhalten. Allfällige Punktezugänge werden auf individuellen Tableaus der Spieler verbucht. Sie erlauben den Kauf der bereits erwähnten Gesetzeskarten, die in einer begrenzten Anzahl bereitliegen und mit ihren aufgedruckten Gewinnpunkten maßgebend sind zur Ermittlung des Siegers.

Die Komplexität (und damit auch das Hauptproblem) des Spiels ergibt sich aus dem Zusammenspiel der einzelnen Spielkarten. Stets muss geprüft werden, ob die auszuspielende Karte eine Verknüpfung aufweist mit anderen Hand- oder bereits ausliegenden Themenkarten. Das führt zu empfindlichen Verzögerungen im Spiel, zumal die Angaben auf den Karten derart mickrig gedruckt sind, dass sie auf Distanz kaum entziffert werden können. Ärgerlich sind zudem redaktionelle Ungenauigkeiten und Fehler auf zahlreichen der Spielkarten sowie die Tatsache, dass die Punktetableaus der Spieler zu klein sind für die mitgelieferten Markiersteine.

Aber auch rein spieltechnisch gibt es Mängel. Sind die Spieler interessiert am Erwerb möglichst vieler Punkte einer Farbe, werden sie Themenkarten der entsprechenden Farbe ausspielen, was deren Wert tendenziell weiter nach oben drückt, während das Interesse an tiefer liegenden Werten entsprechend abnimmt. Gegenbewegungen kennt das Spiel kaum (oder dann haben wir sie im ganzen Regelwirrwarr bzw. -vakuum nicht gefunden). Bezeichnend beispielsweise, dass das vollständige Absacken eines Wertemarkers an den untern Rand der Skala offenbar das Spiel vorzeitig beenden würde, was leider aber in der Anleitung nirgends erwähnt, sondern einzig einem Hinweis im Internet beim Link zur Onlineversion des Spiels auf der Website des Verlags zu entnehmen ist. Die Liste solcher Unzulänglichkeiten ließe sich fast endlos weiterführen!

Letztlich hat Modern Society wohl zuviel gewollt und zuwenig davon umsetzen können. Es scheitert so letztlich an einer Spielanleitung, wie sie fragmentarischer und unbrauchbarer kaum sein könnte, und weiteren Unzulänglichkeiten, die vermutungsweise durchaus vermeidbar gewesen wären. Bevor diese Mängel nicht beseitigt sind, kann das Spiel eigentlich nicht einmal dem ärgsten Feind bedenkenlos empfohlen werden. Das ist schade und ärgerlich für all das Herzblut, das in die Entwicklung und Verbesserung des Spiels gesteckt wurde. Nicht zuletzt auch auf den Hilfeseiten im Internet.

Infos zu Modern Society

  • Titel: Modern Society
  • Verlag: Tuonela
  • Autor: Jussi Autio
  • Spieleranzahl (von bis): 3 - 5
  • Alter (ab oder von bis in Jahren): 10
  • Dauer in Minuten: 60
  • Jahrgang: 2009

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