Stolz & Vorurteil und viele Geheimnisse: Ausschnitt vom Titel, Foto Coppenrath
Reich der Spiele Rezension Stolz & Vorurteil und viele Geheimnisse

Stolz & Vorurteil und viele Geheimnisse

von Kevin
3 Minuten Lesedauer

Im gemeinsamen Urlaub – wir fahren immer mit einer großen, bunten und spieleaffinen Gruppe – war ich ganz sicher: Das spielt niemand mit mir! Jane Austen? Rosa Box mit gold-glänzenden Lettern? Schwierig.

Infos zu Stolz & Vorurteil und viele Geheimnisse

  • Titel: Stolz & Vorurteil und viele Geheimnisse
  • Verlag: Coppenrath
  • Autor: Martin Kallenborn, Matthias Prinz
  • Spieleranzahl: 1-5
  • Alter ab: 12
  • Jahrgang: 2024

Aber: Kaum war die Schachtel auf dem Tisch … Erst mein Kumpel Björn: „Oh, hübsche Verpackung, da bin ich dabei!“ Dann Maja: „Jane Austen? Als Spiel? Wie cool!“ Vanessa: „Lady Whisperton? Die kommt in den Romanen aber nicht vor, glaube ich.“ Sylvia: „Jane Austen, da bin ich dabei! Und was für eine hübsche Spielschachtel!“ Vom Trubel angezogen, hat sich dann auch noch der 10-jährige Felix zu uns gesellt. Und was soll ich sagen: Wenige Minuten später waren wir vertieft, mitten im gesellschaftlichen Chaos rund um Lady Whisperton & Co. bei Stolz & Vorurteil und viele Geheimnisse von Martin Kallenborn und Matthias Prinz.

Ein Fall für die feine Knobelgesellschaft

Jane Austen trifft bei Stolz & Vorurteil und viele Geheimnisse auf Deduktion – und zwar ganz ohne Blutvergießen. In Story Hunters: Stolz & Vorurteil und viele Geheimnisse von Coppenrath schlüpfen wir in die Rolle von kooperierend Ermittelnden, die im Vorfeld einer vornehmen Hochzeit den Dingen auf den Grund gehen. Und das funktioniert gut – vielleicht auch gerade, weil niemand ermordet wurde.

Von Gesellschaft zu Geheimnissen

Das Setting ist originell: Eine Austen-inspirierte Themenwelt, ein skandalträchtiger Vorfall und eine gewisse Lady Whisperton, deren Briefe mehr andeuten, als sie verraten. In drei Kapiteln arbeiten sich die Spielenden durch eine gesellschaftliche Ermittlung, die mehr mit Menschenkenntnis als mit Forensik zu tun hat. Jedes Kapitel bringt ein eigenes Setting und eine eigene Übersichtskarte mit – schön gestaltet, funktional, und ideal zur Orientierung in der Welt zwischen Teeservice und Taktgefühl.

Fähigkeiten, Bücher, Folgen

Stolz & Vorurteil und viele Geheimnisse: das Spielmaterial, Foto Coppenrath

Mechanisch wird Stolz & Vorurteil und viele Geheimnisse von einem leicht zugänglichen Fähigkeitensystem ergänzt. Durch Entscheidungen kann man Klugheit, Geschicklichkeit oder Stärke gewinnen und darf diese Werte über alle drei Kapitel mitnehmen. Von Charakterprogression zu sprechen wäre übertrieben, aber man benötigt gewisse Minimalwerte, um mit bestimmten Karten zu interagieren und die Story voranzutreiben. Subtil, aber wirkungsvoll.

Das eigentliche Highlight aber sind die fünf so genannten „Bücher der Wahrheit“. Diese müssen im Spielverlauf erst freigeschaltet werden – ein weiterer, kleiner, gut getimter Spannungsaufbau. Einmal verfügbar, lassen sie sich auf jede bereits aufgedeckte Spielkarte anlegen. Die Rückseiten der Karten sind mit Symbolen versehen, die durch Sichtlöcher in den Büchern sichtbar werden. Stimmen die Symbole überein, erhält man neue Hinweise. Liegt man daneben, verliert man wertvolle Zeit – dargestellt durch ein cleveres Sanduhrensystem. Das Prinzip ist analog, intuitiv und elegant. Auch, dass man die Bücher wirklich auf jede ausliegende Karte legen könnte, ist gelungen. Die Frage „Welches Buch an welcher Karte bringt uns weiter“ sorgte für viele, viele Diskussionen – immer verbunden mit dem Risiko, dass wir durch eine falsche Wahl wertvolle Sanduhren verlieren. Spannend!

Kein Mord, keine Langeweile

Dass Stolz & Vorurteil und viele Geheimnisse auf einen klassischen Mordfall verzichtet, ist keine Schwäche – im Gegenteil. Die Spannung entsteht hier aus dem feinen Geflecht sozialer Beziehungen, aus Gerüchten, Hinweisen und kleinen Überraschungen. Die Zeitbegrenzung auf sechs Sanduhren pro Kapitel sorgt für angenehmen Druck, ohne zu frustrieren. Hier wird nicht sinnlos geraten, sondern mit Bedacht kombiniert.

Kleine Dellen im Lack

Designseitig hätte man bei den Spielkarten moderner arbeiten können – die Illustrationen wirken altbacken und etwas unter Wert. Auch der Themenpark-Rahmen bleibt eine nette Idee, die nach dem Einstieg aber kaum noch tragend wird. Wieso die Handlung nicht direkt ins Südengland des frühen 19. Jahrhunderts legen, selbst wenn es nur fürs Feeling ist? Das ist schade, zumal dort vielleicht auch erzählerisch noch Potenzial gelegen hätte.

Austen statt Autopsie

Stolz & Vorurteil und viele Geheimnisse ist ein Ermittlungsspiel mit Haltung – zurückhaltend, stilvoll und überraschend fesselnd. Das Bücher-System bringt haptische Freude, das Zeitmanagement funktioniert einwandfrei, und die Geschichte bleibt glaubwürdig im Austen-Kosmos verankert.

Stolz & Vorurteil und viele Geheimnisse: Schachtel, Foto Coppenrath

Ein Spiel für alle, die Kooperation, Story und soziale Dynamik zu schätzen wissen – und kein Problem damit haben, dass es bis zum Ende ganz unblutig abläuft. Ein Fall für die feine Knobelgesellschaft, eben. Unsere Urlaubs-Spielgruppe war sich einig:

Die rosa Spielschachtel mit den goldenen Lettern hatte es klar verdient, gespielt zu werden!

Übrigens: Stolz & Vorurteil und viele Geheimnisse ist der erste Fall der Story Hunters-Reihe. Mit Draculas Vermächtnis erschien inzwischen ein zweiter Fall, der die Spielenden nach Siebenbürgen schickt – düsterer, übernatürlicher, aber mit demselben raffinierten Büchersystem. Weitere Teile sind (noch) nicht angekündigt – aber wenn die Reihe dieses Niveau hält, darf man sich auf elegante Ermittlungen in literarischen Welten freuen.

Schreibe einen Kommentar!

Mehr Spiele-Themen entdecken