Reich der Spiele

Vejen

Brettspiel Vejen - Foto von Spielefaible

Der Handel mit Ochsen war im späten und ausgehenden Mittelalter ein bedeutender Wirtschaftsfaktor in Europa. Und ein bedeutender Weg, auf dem die Verbringung der Ochsen, die Ochsendrift, stattfand, war der Ochsenweg, der von Viborg (Dänemark) bis Wedel (Deutschland) verlief.

Um diesen Weg – dän.: Vejen – geht es im gleichnamigen Brettspiel der Autoren Thomas Nielsen und Kai Starck des kleinen neuen Verlags Spielefaible aus Schleswig-Holstein.

Deutsch-dänischer Handel bei Vejen

Bezeichnenderweise wird in dem Spiel vieles transportiert, nur keine Ochsen. Und auch die Start- und Endpunkte des historischen Wegs sind auf der Karte nicht vorhanden. Macht aber nichts. Transportiert werden sollen dafür so grundlegende Sachen wie Fisch, Holz, Torf, aber auch edle Waren wie Werkzeuge und Nahrung. Bei dem (zum Teil) grenzübergreifenden Handel müssen die Spieler ihre Geschäfte in zwei Währungen (Deutsche Taler und Dänische Kronen) abwickeln, was besondere Aufmerksamkeit erfordert.

Die 2-4 Spieler starten mit einem Kontor in einer vorgegebenen Stadt, können bis zu drei weitere Kontore bauen, sollten eine Mühle errichten, ein Schiff zu Wasser lassen und sowohl ihren Karren (und damit auch ihr Warenlager) als auch ihren Laderaum ausbauen. Jeder der Ausbauten verbessert die Möglichkeiten der Spieler, der Kernaufgabe bei Vejen nachzukommen: Waren aus dem eigenen Lager zu verladen, sie möglichst weit zu transportieren und sie dann wieder zu verkaufen. Außerdem ist es das Ziel, möglichst zwei für alle Spieler geltende Aufträge bis zum Spielende zu erfüllen, um somit Boni zu erhalten. Denn: Wer am Ende das meiste Geld hat, gewinnt.

Brettspiel Vejen - Warenlager - Foto von Spielefaible

Spielregel mit Lücken

Das sind eine Reihe von Aufgaben, die ein Spieler in diesem Spiel erfüllen könnte. Alles zu erreichen ist sportlich. Beschrieben werden sie in einer Spielregel, die sich an anderer Stelle bereits teils vernichtender Kritik ausgesetzt sah. Zugegeben: Die Spielregel wirft ein paar Fragen auf, die sich auch mit menschlichem Verstand nicht alleine klären lassen. Die schwerwiegenderen Fragen wurden zumindest in einer FAQ-Liste auf der Seite des Verlags beantwortet. Somit sollte der Vorwurf der Unspielbarkeit relativiert worden sein. Dennoch bleiben ein paar Fragen offen (z. B.: Wie werden neutrale Kontore bei weniger als 4 Spielern behandelt? Was passiert mit Spielfiguren, die in einer zu sperrenden Stadt stehen?) Das sind schon noch Details, die ebenfalls in eine vollständige Regel gehören. Da ist bei künftigen Spielen mehr Sorgfalt notwendig.

Die gesamte Aufmachung des Spiels inklusive des Materials hingegen ist einwandfrei. Die Spielsteine aus Holz, die Zeichnung der Karten und des Spielplans sind gelungen. Eine Ausnahme: Als unpraktisch hat sich erwiesen, dass die Bonuskarten statt mit verständlichen Symbolen mit Text in Deutsch und Englisch versehen wurden, vor allem da die Texte sehr klein geschrieben sind. Aber auch optisch ist das kein Brüller. Darüber hinaus eignen sich gerade einfache Sachverhalte (z. B. 2 Schritte zusätzlich) zur Darstellung mit Symbolen, was quasi Standard ist bei Spielen dieser Klasse.

Vejen – Überblick und Weitsicht sind gefragt

Vejen zwingt einem seinen Charakter als anspruchsvolles Kennerspiel von Beginn an auf. Es ist unabdingbar, ab dem ersten Zug, und das gesamte Spiel über, seine Züge exakt zu planen. Wohin reist man? Auf welcher Route? Welche Waren erhält man automatisch am Rundenbeginn (als Einkommen) und welche muss man unterwegs einsammeln, um am Ziel die benötigten Waren zu haben? Wie entwickelt sich der Kurs der Währungen? Hat man genug Geld? Dazu kommen zufällige Ereignisse, die in jeder Runde stattfinden, über die man aber zumindest eine Runde im Voraus Bescheid weiß. Das alles ist weitestgehend planbar, aber es ist auch erforderlich, weil spielentscheidend.

Logischerweise kann das in einer ersten Partie keiner so recht überblicken. Es ist daher sehr ernüchternd, um nicht zu sagen frustrierend, festzustellen, dass ein einziger Fehler bei der Planung dazu führen kann, dass ein Spieler quasi rundenlang aus dem Spiel genommen wurde. Das Problem sind vor allem die starken Beschränkungen in einem Spielzug.

Da ist zum einen die Zugweite von drei Schritten, die erst durch die erste Ausbaustufe des eigenen Karrens auf fünf Schritte erweitert werden kann. Sie erlaubt einem im Zweifel in einer Runde nur einen einzigen Schritt von einer Stadt in die nächste, was geradezu lähmend wirkt. Der Karren kann im zweiten Ausbau auf sieben Schritte ausgeweitete werden; eine nahezu unabdingbare Option. Für den Ausbau benötigt man aber edle Waren, welche man erst durch andere Ausbauten (Mühle) erzeugen kann. Das sind schon tiefer gehende Abhängigkeiten, welche die Spieler zwingen, zu priorisieren. Es heißt aber auch, den Überblick zu haben. Versäumt es ein Spieler, eine Ware aufzuladen, die er zum Verkauf benötigte, um sich von dem Geld andere Waren zu kaufen, und er merkt das erst kurz vor dem Ziel, kann er fast aufhören zu spielen. Er braucht mehrere Runden, um wieder in kleinen Schritten an den Ausgang seiner Reise zurückzukehren und den Fehler zu korrigieren. In der Zeit haben die anderen ihn abgehängt. Da man gerade in der Anfangsphase noch wenig Geld hat, kommt dann oft erschwerend hinzu, dass man keine anderen Waren erhalten kann, als man sowieso im Lager hat. Man kann also auch keinen Plan B aufschlagen. Es fehlt in dieser Lage eine Art Notausgang, mit der man wieder ins Spiel zurückfindet.

Brettspiel Vejen - Kartenausschnitt - Foto von Spielefaible

Lohn der Arbeit

Hat man aber richtig geplant, kann man das, was man sich vorgenommen hat, in aller Regel auch zu Ende bringen. Eine geplante Route kann auch mal über wenige Züge gehen, ohne dass man davon einen Nachteil hätte. Die Interaktion beschränkt sich dafür auf ein paar wenige Aktionen wie den Überfall, bei dem man anderen eine Ware stehlen kann oder eine Münze, die man abgeben muss, weil man an bei einem Kontor eines Mitspielers Waren verkauft.

Spaßbremsen

Was mir am wenigsten gefallen hat, ist die Beschränkung der möglichen Aktionen während eines Spielzugs. Man darf gemäß seiner Zugweite von Ort zu Ort reisen und eine Aktion ausführen. (z. B. kaufen oder verkaufen oder bauen oder eine Ware veredeln). Das fühlt sich an, als würde man die ganze Zeit mit angezogener Handbremse spielen und ergibt auch nicht in allen Fällen Sinn. Da man an Orten nach einer Aktion stehen bleiben kann, würde es kaum einen Unterschied machen, wenn man dort auch gleich eine weitere Aktion ausführen könnte. So aber muss man stehen bleiben und einfach warten, bis man wieder am Zug ist, um eine weitere Aktion durchführen zu können, die u. U. auch kein Mitspieler hätte verhindern können.

Das zieht das Spiel unnötig in die Länge. Eine Partie unter zweieinhalb Stunden ist aus meiner Sicht nur bei sehr erfahrenen Spielern ohne Grusel-Grübler möglich.

Nach zwölf Runden endet das Spiel. In jeder dieser Runden entwickeln sich die Kurse der beiden Währungen auf und ab (eher auf als ab). Ab und zu gibt es auch teils großzügige Belohnungen für bestimmte Waren, die man im Lager hat. Gegen Ende können auch sehr hinderliche Ereignisse eintreten. So erhält man mal kein Einkommen am Rundenanfang, was bedauerlich, aber bei einem kleinen Geldvorrat zumindest noch kompensierbar ist. Ungleich härter trifft es denjenigen, der rundenlang darauf hingearbeitet hat, ein Schiff zu bauen und dann in einer Runde nicht mit dem Schiff gezogen werden darf. „Nur eine Runde“ möchte man einwenden. Aber nein: Es sind ohnehin nicht viele Runden, in denen man das Schiff einsetzen kann, da es erst gebaut sein will und die entsprechende Zugweite vorhanden sein muss. Und eine Fahrt mit dem Schiff ist deshalb so wichtig, weil der Erlös, den man für den Verkauf von Waren erzielt, u. a. von der Entfernung zum Aufladeort abhängt. Mit dem Schiff hat man da schnell eine große Strecke überwunden. Fällt diese Möglichkeit in einer Runde aus, entscheidet dies vielleicht über Sieg und Niederlage. Ich habe nicht verstanden, welchen Sinn es hat, einem kurz vor Ende der Partie einen solchen Knüppel zwischen die Beine zu werfen und damit eine meist schwer erarbeitete Errungenschaft für eine Runde außer Kraft zu setzen.

Es könnte besser sein

Brettspiel Vejen - Schachtel - Foto von SpielefaibleAlles zusammengenommen kann ich im Resultat vor allem aufgrund der (empfundenen) Sackgasse, der Zähigkeit und auch der Unzulänglichkeiten der Spielregeln nicht durchweg zu einem positiven Ergebnis kommen. Dabei könnte, wenn man das mal außer Acht lässt, Vejen sowohl thematisch als auch spieltechnisch durchaus gefallen. Die Anforderungen an die Spieler sind sehr hoch, doch die Durchführbarkeit belohnt einen in aller Regel. Auch deswegen, weil Glück nur eine untergeordnete Rolle spielt. Fehler verzeiht Vejen allerdings kaum. Einen schwerwiegenden Fehler wird man aber wohl kein zweites Mal machen. Ob indes jemand, der bei seiner ersten Partie rundenlang nur Statist war, eine zweite Partie spielen will, ist fraglich. Mit einem bisschen mehr redaktionellen Engagement könnte man aus Vejen aber ein tolles Spiel machen.blank

Hier geht’s zur Spielregel von Vejen

Infos zu Vejen

  • Titel: Vejen
  • Verlag: Spielefaible
  • Autor: Kai Starck, Thomas Nielsen
  • Spieleranzahl (von bis): 2-4
  • Alter (ab oder von bis in Jahren): 12
  • Dauer in Minuten: 60-120
  • Jahrgang: 2019

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