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Klaus Teuber über Candamir

Candamir von Kosmos

Die ersten Siedler

Candamir bezieht sich auf die „Siedler-Welt“, ist aber eigenständig. Wodurch zeichnet es sich aus Sicht des Autors aus? Wird es Siedler-Freunden „trotzdem Spaß“ machen?
Candamir, die ersten Siedler gehört thematisch und atmosphärisch zur Catan-Spielefamilie. Thematisch erlebt man die Anfänge Catans, wie sie im Roman von Rebecca Gablé beschrieben wurden. Wie beim Brettspiel Die Siedler von Catan sind ‚Ernten, Handeln und Bauen‘ die elementaren Mechanismen des Spiels. Dennoch ist das Spielgefühl bei Candamir ein ganz anderes als beim Brettspiel. Verantwortlich für dieses andere Spielgefühl ist das Rollenspielelement. Freunde des Brettspiels müssen sich auf ein anderes Spiel einstellen, daher wird es der eine oder andere Catan-Purist vielleicht ablehnen. Andererseits wird es sicher Spieler geben, die das Catan-Brettspiel nicht mögen, aber ihre Freude mit Candamir haben.“

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Wie wird dieser Rollenspielansatz aussehen?
Candamir hat eine seiner Wurzeln in meiner Idee, Spielkarten nicht nur als Träger von Informationen oder Anweisungen zu nutzen, sondern mit Spielkarten den Abenteuercharakter eines Spiels zu verstärken. In gewisser Weise klang diese Idee schon bei meinem Zweipersonenspiel Sternenschiff Catan an. Dort fliegt man sozusagen in die Karten hinein und hat durch die Illustration der Karten den Eindruck, tatsächlich zwischen den Planeten zu reisen. Es ist so ein bisschen wie ein Daumenkino – durch die aufeinander folgenden Karten entsteht eine Erlebnissequenz.

Bei Candamir bin ich nun mit den Wegekarten noch einen Schritt weiter gegangen. Man bewegt seine Figur auf dem Spielplan zwar von Feld zu Feld. Jeder Zug auf dem Spielplan ist aber an eine Wegekarte gekoppelt, die ich vorher aufdecke. Während ich bei Sternenschiff Catan immer nur in einer Richtung von Karte zu Karte fliege, befinde ich mich bei Candamir vor jedem Zug sozusagen im Mittelpunkt der Karte beziehungsweise der dort abgebildeten Landschaft und muss mich für eine der vier möglichen Richtungen entscheiden. Welches Ereignis mich in jeder Richtung erwartet, ist auf jeder Wegekarte neben den Richtungspfeilen illustriert. Ich sehe den Bären, der unten im Gebüsch auf mich lauert, bemerke die Schlange, die sich oben schlängelt, und entscheide mich dann nach links zu gehen und pflücke einen Pilz.

Der Vorteil diese Wegekarten-Systems für ein Rollenspiel ist nicht nur, dass das Erlebnis intensiver wird; es spart auch eine Menge Material, Aufbauarbeit und Regelstudium, das heißt, es wird dadurch einstiegsfreundlich. Alle Ereignisse beziehungsweise Begegnungen mit wilden Tieren muss ich nicht auf Plättchen unterbringen und diese auf dem Spielplan verteilen, sie befinden sich auf den Wegekarten – unberechenbar wie in der Realität.

Entscheide ich mich für eine Richtung auf einer Wegekarte, muss ich je nach Ereignis, dass in der gewählten Richtung abgebildet ist, einen Bären bekämpfen, eine Schlange oder ein Wolf besiegen, Candamir beim Holzfällen helfen oder ein spezielles Abenteuer bestehen. Oder ich finde einen Pilz, ein Kraut oder Honig. Mit diesen Zutaten kann ich die für das Spiel sehr wichtige Tränke brauen.

Um Ereignisse erfolgreich zu bestehen, benötigt man Fähigkeiten. Hier kommt nun der für jedes Rollenspiel obligatorische Charakter in Form einer Charakterkarte und einer Charaktertafel ins Spiel. Auf der Charakterkarte ist Bild des Charakters zu sehen, die Grundwerte der vier Charaktereigenschaften Stärke, Geschick, Kampftalent und Charisma sowie zwei spezielle individuelle Fähigkeiten. Eine Charakterkarte wird in der Mitte einer Charaktertafel platziert. Auf der Charaktertafel kann ich meine Charaktereigenschaften während des Spieles über Erfahrungszuwachs und Ausrüstungsgegenstände steigern.

Während es bei einem konventionellen Rollenspiel meist darum geht, sich auf einen Endgegner vorzubereiten und diesen zu besiegen, muss ich mich bei Candamir in der Dorfgemeinschaft der ersten Siedler bewähren, was heißt, dass ich dringend benötigte Waren wie Schwerter, Truhen und Pergamentfenster herstellen muss. Für die Herstellung dieser Waren benötige ich die Rohstoffe Holz, Erz und Fell. Die Rohstoffe sind der Grund, warum ich mich auf Catan überhaupt auf Reisen begebe. Wenn ich bestimmte Ziele auf dem Spielplan erreiche, werde ich mit Rohstoffen und Erfahrung belohnt. Ein Fell erhalte ich beispielsweise aber auch, wenn es mir gelingt, dieses unterwegs einem Bären oder einem Wolf über die Ohren zu ziehen. Und mit Holz belohnt mich Candamir, wenn ich ihm auf meinem Weg begegne und stark genug bin, ihm beim Roden des Waldes behilflich zu sein.

Wenn ich eine Ware hergestellt habe, die von einem Siedler der Dorfgemeinschaft gewünscht wurde, beglückt er mich mit Saatgut, einem Schaf oder dem Ausbau meines Hauses – was letztlich einen Siegpunkt bedeutet. Hier gibt es wieder eine Parallele mit dem Brettspiel Die Siedler von Catan: Wer zuerst zehn Siegpunkte erreicht, gewinnt das Spiel.

Bei einem Rollenspiel ist es sehr wichtig, sich mit seinem Charakter identifizieren zu können. Dies erreiche ich bei Candamir in besonderem Maße durch die Möglichkeit, sich mit Hilfe eines Editors auf unserer Webseite (Anmerkung: Link siehe unten. Der Editor ist ab Anfang Oktober 2004 verfügbar.) seine individuelle Charakterkarte mit eigenem Bild und mit bis zu drei von über 40 individuellen Fähigkeiten zu erstellen und auszudrucken.“

Klaus Teuber von Reich der SpieleWas sollten Spieler bei ihrer ersten Partie beachten, um das Spiel „richtig“ genießen zu können? Wo liegen mögliche Spaßbremsen, typische Fehler …
„Wenn man sich mit seiner Figur auf dem Spielplan in Richtung des gewählten Ziels bewegt, sollte man in der Regel versuchen, so schnell wie möglich dort anzukommen. Die Zugweite wird durch die eigene Kondition bestimmt. Sie beträgt maximal vier, erlaubt mir also, vier Felder weit zu ziehen. Verliere ich einen Kampf oder bestehe ich ein Abenteuer nicht, reduziert dies meist meine Kondition – ich kann also weniger weit ziehen.

Nun können auf dem direkten Weg zu meinem Ziel natürlich wilde Tiere lauern. Bin ich zu vorsichtig, riskiere ich zwar keinen Konditionsverlust, muss dann aber Umwege in Kauf nehmen. Dadurch komme ich weniger schnell zu Rohstoffen als meine Mitspieler. Also lieber mal ‚Augen zu und durch‘. Letztlich ist der Verlust meiner Kondition infolge eines Schlangenbisses oder einer Ohrfeige von einer Bärentatze nicht so tragisch. Die Kondition lässt sich durch selbstgebraute Heiltränke wieder aufbessern. Im schlimmsten Fall setze ich eine Runde aus und besitze dann, wenn ich erneut an der Reihe bin, wieder meine höchste Konditionsstufe. Gestorben wird auf Catan jedenfalls nicht.

Ein zweiter Fehler, der gerne gemacht wird, ist, die Charaktereigenschaft Charisma zu unterschätzen. Zwar lassen sich die wilden Tiere nicht von meinem Charisma beeindrucken und auch Candamir lässt mein schönstes Lächeln kalt. Aber für das Bestehen der auf Karten beschriebenen Abenteuer ist in vielen Fällen ein guter Charismawert unverzichtbar. Ein Abenteuer muss ich immer dann bestehen, wenn ich in eine Richtung ziehe, in der auf der Wegekarte ein Fragezeichen abgebildet ist. Dann gilt es beispielsweise die Siedlerin Hergild aus den Fängen der Räuber befreien, die Siedler abends am Lagerfeuer mit einer catanischen Legende zu unterhalten oder Brigitta mit einem Met auszuhelfen. Habe ich ein Abenteuer bestanden, erhalte ich als Belohnung oft den im Spiel sehr wichtigen Rohstoff Erz. Habe ich mehr Abenteuer als meine Mitspieler bestanden, darf ich mich ‚Held Catans‘ nennen, was immerhin einen Siegpunkt wert ist.

Wenn man seinen Spielzug im Dorf beginnt, hat man die Wahl loszuziehen und Rohstoffe zu sammeln oder man bleibt im Dorf und darf dann ‚Bauen und Brauen‘. Nun sollte man nicht jedes Mal dies Option wählen, wenn man gerade mal eine Ware oder einen Trank herstellen kann. Effektiver ist es, erst dann zu bauen oder zu brauen, wenn man genügend Rohstoff beziehungsweise Zutaten besitzt, um mehrere Waren und Tränke auf einmal herzustellen.“

Welche Strategie sollten die Spieler verfolgen, um das Spiel gewinnen zu können? Worauf kommt es besonders an?
„Zu Beginn des Spieles bekomme ich einen Charakter zufällig zugelost. Meine Strategie sollte es sein, diesen Charakter sinnvoll zu optimieren und ihn möglichst effektiv einzusetzen. Hat der Charakter beispielsweise bei Kampftalent einen Grundwert von ‚2‘ und ein Geschick von ‚0‘, sollte ich Erfahrungen zunächst dem Kampftalent zugute kommen lassen. Je kampftalentierter ich werde, umso einfacher wird es, Bären zu besiegen. Ein Sieg über einen Bären bringt immerhin zwei Felle. Habe ich mein Ziel im Wald gewählt und erhalte ich nach Erreichen dieses Ziels ein Holz, kann ich mit dem Holz und den zwei Fellen schon ein Pergamentfenster herstellen.

Effektiv setze ich den Charakter ein, wenn ich die Möglichkeiten meiner Sonderfähigkeiten nutze. Besitze ich beispielsweise die Sonderfähigkeit ‚Reiten‘, darf ich jedes mal, wenn ich meinen Zug im Grasland beende, ein zusätzliches Feld weiterziehen. Also sollte ich mich vorzugsweise im Grasland bewegen. Die Sonderfähigkeit ‚Ordnung‘ gestattet mir auf meiner Wanderung den Besitz von maximal sechs statt fünf Zutaten für Tränke. Hier kann sich dann auch mal ein kleiner Umweg lohnen, um eine sechste Zutat einzusäckeln – da jeder Trank zwei Zutaten kostet, kann ich im Dorf dann drei Tränke auf einmal brauen.

Strategischer wird es, wenn ich mir mit Hilfe des Editors meinen eigenen Charakter zusammenstellen kann. Wenn ich beispielsweise die Sonderfähigkeiten ‚Bärentöter‘ und ‚Rohstoffhandel‘ wähle, habe ich von Beginn des Spieles an größere Chancen, einen Bären zu besiegen und zwei Felle zu erhalten. Diese Felle darf ich dann im Tauschkurs zwei zu eins gegen einen beliebigen Rohstoff tauschen. Somit beschert mir die Kombination dieser beiden Sonderfähigkeiten nach jedem gelungenen Bärenkampf einen beliebigen Rohstoff.

Ich stufe Candamir als ein überwiegend taktisches Spiel ein. Jedes Mal, bevor ich meine Figur ziehe, muss ich mich entscheiden, in welche Richtung ich ziehe. Soll ich nach rechts? Dort sitzt Candamir mit einem Herausforderungswert von acht. Meine Stärke beträgt nur drei. Ich müsste also mindestens eine fünf würfeln. Wenn ich Brigittas Trank schlucke, müsste ich nur noch eine drei würfeln. Ach, ich hebe mir den Trank lieber auf und ziehe nach unten. Damit mache ich zwar einen kleinen Umweg zu meinem Ziel, finde aber Honig. Dann kann ich im Dorf endlich einen Heiltrank brauen.

Natürlich spielt auch Glück eine Rolle. Aber das ist in einem Rollenspiel beziehungsweise einem Brettspiel mit Rollenspielelementen das Salz in der Suppe.“

Wird es auf Grundlage von Candamir weitere Spiele zur „Siedler-Welt“ geben? Sind bereits welche geplant?
„Ob es unter dem Label ‚Abenteuer Catan‘ weitere Spiele geben wird, kann ich heute nicht sagen. Eine Art Erweiterung für Candamir wird es nicht geben. Erweiterungen mache ich nur dann, wenn sie sinnvoll sind und zusammen mit dem Grundspiel wirklich mehr Spielerlebnis und vor allem neues Spielerlebnis bieten. Bei Candamir sind die Möglichkeiten hierzu – besonders wegen der Nähe zum Roman – von vorne herein ziemlich klar definiert. Natürlich könnte man einen Pack neue Charakterkarten als Erweiterung zusammen mit ein paar neuen Abenteuerkarten anbieten. Aber das machen wir lieber kostenlos übers Internet.

Momentan arbeite ich an einem Brettspiel mit noch mehr Rollensspielcharakter, dessen Herz das bei Candamir verwendete Wegekartensystem bildet, aber mit Catan nichts zu tun haben wird. Ich lese sehr gerne gute Fantasy-Literatur und freue mich jetzt schon darauf, mich bei diesem Spiel mit Magie, Labyrinthen, Drachen und Dämonen auszutoben …“

Webseite der Catan Onlinewelt

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