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30 Jahre Michas Spieleabend in Bonn

Micha Heißing von Axel Bungart

Ein Haus voll Spiele

Als ich mich vor einigen Jahren in einem bekannten Forum jämmerlich darüber beschwerte, dass es in Bonn keinen vernünftigen Spielekreis gäbe, bekam ich eine Mail von Michael Heißing. Er lud mich dazu ein, doch mal vorbeizuschauen und mitzuspielen, und dem folgte ich gerne. Was mich dort erwartete, sprengte meine bisherigen Vorstellungen eines privaten Spieletreffs mit der dazugehörigen Spielesammlung.

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Brettspiele ohne Ende von Axel Bungart„Ich bin kein Sammler“ sagt Michael Heißing als wir auf den Umfang seiner Spielesammlung zu sprechen kommen. Wir sitzen in einem Raum, dessen Wände beidseitig mit Regalen voll Spielen bebaut sind. Das ist für einen Spieler nichts Ungewöhnliches. Wäre da nicht der Raum nebenan, in dem es genauso aussieht und der Raum daneben und überhaupt die ganze Wohnung … Und es ist nicht nur eine Wohnung, nein, es ist ein ganzes Einfamilienhaus, das zum Spielhaus umfunktioniert wurde. Und wie und wo wohnt man da? Gar nicht! Man spielt nur! Ein ganzes Haus, in dem nur gespielt wird. Halt! Im Erdgeschoss wohnt ein Freund, natürlich ein passionierter Spieler. Und so sieht man dort ebenfalls Regale voller Spiele. Aber immerhin auch eine Wohnecke (mit Spielekonsole).

Zurück in die 1. Etage. Hier treffen sich seit nunmehr 30 (in Worten: dreißig) Jahren jeden Freitag um 20:00 Uhr Spielbegeisterte, ja Spielverrückte und frönen ihrem Hobby. Drei Zimmer, Küche, Diele, Bad (inkl. Computeranschluss und Software für 18XX-Spiele) stehen dem privaten Spielekreis – Michas Spieleabend – zur Verfügung. Ansonsten wird die obere Etage nicht genutzt. Michael selbst ist mittlerweile Wahl-Kölner, aber trotzdem natürlich nach Möglichkeit immer dabei. Die Auswahl an Spielen ist unbeschreiblich, die Übersicht über das, was es gibt und vor allem, wo man es findet, behalten nur Insider.

Zwischendurch mal entspannen ... von Axel BungartBegonnen hat alles mit Diplomacy, einem der populärsten Spiele der 1970er Jahre. Als Mathematik-Student fand man sich zusammen, verbrachte Stunden mit dem Strategieklassiker und gründete schließlich Anfang der 1980er einen ersten, festen Spielekreis, den „Dottendorfer Soccer“. Daraus generierte sich ein harter Kern von Spielern, von denen zwar kaum noch jemand dem heutigen Spielkreis – „Michas Spieleabend“ – angehört. Dennoch erleben einige Spieler schon seit mehr als zwei Jahrzehnten die Entwicklung der Spielelandschaft und die des Spieleabends gemeinsam. Daraus erwuchsen nicht nur Freundschaften sondern auch „Zweckgemeinschaften“ wie das Team für die Mannschaftsmeisterschaft. Immerhin treffen sich jede Woche zwischen zehn und zwanzig Spieler bei Micha, die (je nach Jahreszeit) z. T. bis zum Sonnenaufgang spielen. Und wenn’s richtig voll wird? Na, „dann müssen sich eben zehn Leute in die Küche stellen und reden“, meint Micha. Das sei am klassischen Weihnachtsspieleabend sowieso Usus.

In seinem Haus findet man Spiele jeden Genres. So unterschiedlich die Charaktere sind, die hier ein- und ausgehen, so vielfältig ist sein Angebot. Und keines, außer den ganz Neuen, für die noch keine Zeit war, ist ungespielt. Bemerkenswert, bei einem geschätzten Umfang von 2.000 Spielen! Tendenz: zunehmend. Aber Spiele verkaufen? „Niemals!“ sagt Micha, und da kann ich ihn nur zu gut verstehen.

So betrachtet glaubt man ihm auch, dass er eigentlich kein Sammler ist, wie er selbst betont. Spieler ist er. Jahrgang 1955 und außer gelerntem Mathe- und Bio-Lehrer Arzt im öffentlichen Dienst (Verkehrswesen). Er trotzt damit auch gleich seiner lakonisch angemerkten, eigenen These, nach der Ärzte im Gegensatz zu Mathematikern nicht die klassischen Spielertypen sind. Dabei prägten nicht nur Brettspiele seinen Werdegang. Sowohl bei der Mitarbeit in der Jeopardy-Redaktion bei Frank Elstner als auch als Autor in einer (ehemaligen) Kölner Schmiede für Computerspiele konnte er seine Neigung zu allem Spielbaren ausleben.

oder über die vielen Brettspiele diskutieren von Axel BungartSympathisch wirkt er und nach außen Ruhe ausstrahlend. Ein Vater-Typ. Was nicht heißt, dass er nicht innerlich kochen kann, wenn es auf dem Brett quer läuft. Da kocht er zuweilen auch mal über, denn die Leidenschaft ist eben auch nach sicher mehr als dreißig Jahren spielen nicht erloschen. Zu seinen Favoriten zählen insbesondere Through the Ages, Twilight Struggle und 1829. Aber auch unter den Eurogames findet er Lieblinge wie Puerto Rico. Und natürlich darf Tichu in der Aufzählung nicht fehlen!

Ab und an gibt sich sogar die Prominenz der Spielewelt die Ehre im Spielehaus. Uwe Rosenberg war z. B. schon des Öfteren da und testet mit den Spielern seine Neuheiten. Und selbst die Kinder der Spieler finden im Dachgeschoss eine Kuschelecke und eine große Auswahl an (kindgerechten!) Videos, damit keiner sich langweilt.

Dass der Spielekreis nicht schon längst überaltert oder gar ausgestorben ist, dafür sorgen die Spieler selbst, in dem sie ihren Spielekreis nicht zum geschlossenen Zirkel erklären, sondern auch Neulingen eine Chance geben. So wie mir vor einigen Jahren.

Ich kenne bis heute keinen vergleichbaren privaten Spielekreis. Wer Spiele nicht nur spielt, sondern liebt, der fühlt sich in so einer Umgebung wohl. Sich hinsetzen und nicht darüber nachdenken, ob es das Spiel gibt, das man gerne spielen möchte, sondern einfach zu sagen „Wir spielen jetzt ein (…)“ ist schon ein Erlebnis. Und immer am Spielmessen-Freitag gibt’s eine Wagenladung Neues, was dann wieder Stoff für unzählige Nächte ist.

Zum Schluss erzählt er mir noch die Anekdote zum 25-jährigen Jubiläum seines Spieleabends: Eine Überraschungsparty sollte es werden, mit mehr als 50 Gästen. Die waren auch da. Doch bevor Micha kam, kam eine deftiger Wolkenbruch, der in seinem Viertel die Keller voll laufen ließ – so auch Michas Spielelager. Ca. 200 Spiele (also etwa die haushaltsübliche Menge eines durchschnittlich Spielebegeisterten) versank in den Fluten. Seine Gäste retteten in einer Spontanaktion mit einer Menschenkette vom Keller zum Dach alles, was zu retten war. Als Micha kam, war zumindest die „Rettungsparty“ in vollem Gange. Der nominelle Verlust war vielleicht größer als der inhaltliche, aber für jemanden, der sich freiwillig von keinem Spiel trennt, war das schon eine eher traurige Party. Dank seiner Spieler nahm das ganze wenigstens noch einen glimpflichen Ausgang.

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1 Kommentar

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Detlef Hanz 2. Juni 2015 at 20:13

Meine Frau und ich haben Micha vor – ja ziemlich genau 30 Jahren kennen gelernt. Wir waren damals (natürlich 😉 ) Mathematikstudentin und Informatikstudent. Durch Zufall gerieten wir in die United Riege (Fußballtraining und Liga per Post) und schon fast zwangsläufig auch nach Dottendorf. Wie man diese Zeit und diese Abende beschreibt? Cool *g*.

ALs das Studium zu Ende ging und das Arbeitsleben immer weniger Zeit ließ, wurden unsere Besuche immer seltener. Der Kontakt aber blieb, über das Zine Dottendorfer Soccer in dem anläßlich unserer Hochzeit sogar eine Sonderfahrt Dampfroß Indien stattfand, per email und immer mal wieder auf der Spiel in Essen.

 

Inzwischen haben wir (seit 1990) einen eigenen Spieletreff in den Räumen der evangelischen Kirche in Troisdorf Oberlar und können uns ein Leben ohne Spieleabende nicht mehr vorstellen und daß auc Dank Spielern wie Micha, Cici, Fitti, Rolfi, Uli und und und.

 

Dank Euch, dank Dir Mich und alles gute zum Geburtstag, alss es noch viele Abende am Spielbrett krachen.

 

Detlef

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