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Ein Verlag ohne Spielerkontakt?

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Winning Moves und der Verzicht auf Essen

Hoppla! Da rauscht gerade die Meldung rein, dass Winning Moves dieses Jahr nicht auf der Spiel in Essen dabei sein wird. Als Begründung heißt es, dass man mit einer anderen Marketingstrategie ein breiteres Publikum erreichen könne. So schätzt der Verlag, dass rund drei Prozent der Messebesucher die Neuheiten aus dem eigenen Haus während der letzten Spielemesse in Essen ausprobiert haben.

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So sehr es verständlich ist, eine solche Schätzung als Anlass zu nehmen, die Wirtschaftlichkeit eines Messebesuches zu überprüfen und eventuell eine Konsequenz zu ziehen, ist es dennoch für mich absolut nicht nachvollziehbar. Ich halte ein Wegbleiben auf der Spiel für schädlich, wenn der Verlag sich als Spieleverlag in der Öffentlichkeit präsentieren möchte.

Vor ein paar Tagen machte Winning Moves darauf aufmerksam, dass man Verkäuferschulungen für den Handel anbietet. Offenbar setzt die neue Geschäftsführung der Düsseldorfer darauf, im Einzelhandel besser in den Regalen stehen zu können als die Konkurrenz. Nur sind auch dort solche Schulungen keine Einzelfälle, die Konkurrenz ist also durchaus vorhanden. Ob dieser Weg erfolgreich sein wird, wird interessant zu beobachten sein. Besonders auch deshalb, weil der Online-Handel inzwischen eine große Bedeutung hat und sich die dortigen Käufer im Internet informieren. Das geht zukünftig nicht mehr über die beliebten und nach der Messe stark frequentierten Messeeindrücke der Sorte „Ich habe es gespielt und es gefällt mir!“, sondern nur noch über Rezensionen. Die wird es von den bisherigen Rezensenten sicher geben. Ob aber neue Spielerezensenten so erreicht werden können, wenn ein Verlag auf der Spiel in Essen fehlt, wird mittelfristig eher fraglich sein.

Jedenfalls scheint Winning Moves sich von den „Spielern“ und „Spielebegeisterten“, die die Spiel in Essen besuchen, abzuwenden. Verkaufsschulungen sind wichtiger als ein Stand auf der bedeutendsten Spielemesse der Welt. Ist das vernünftig? Ich glaube nicht. Der Imageschaden könnte enorm sein. Zum einen sind die dort spielenden Menschen fast alle Multiplikatoren, die zuhause wenigstens eine Spielerunde haben. Wenn ein Spiel in Essen überzeugt, verkauft es sich auch im Rahmen der angedachten Zielgruppe in aller Regel ganz gut. Zum anderen führt ein Fehlen eines Verlages dazu, dass er schnell in Vergessenheit gerät.

Letztes Jahr haben in Essen drei bedeutende Verlage gefehlt: Marktführer Hasbro, die Kinderspielexperten von Selecta Spieleug und der Tabletop-Riese Games Workshop. Hasbro und Selecta Spielzeug werden meines Wissens für dieses Jahr ihre Entscheidung revidieren. Auch wenn beide Verlage keine direkten Verkaufserfolge auf der Spiel in Essen erwarten, wissen sie aus der Erfahrung des letzten Jahres, dass sie sich mit dem Fernbleiben keinen Gefallen getan haben.

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3 Kommentare

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Patrick Meyer 17. Mai 2010 at 18:02

Sehr guter Beitrag! Zu den angesprochenen Schulungen: Was, bitte, will Winning Moves denn schulen? Die Monopoly-Städteausgaben? Monopoly kennt doch jeder! Oder etwa die Top Trumps, von denen es mittlerweile gefühlt 100 verschiedene gibt. Gibt es überhaupt Schulenswertes im Winning Moves Programm? Oder wollen sie auf diese Weise das grauenhafte Cirkis "verkaufsfördern"?

Pat 

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Gernot Donner 20. Mai 2010 at 09:21

Messeauftritt = kritische Kunden muss man vor Ort am Produkt überzeugen; Händlerschulung = kritische Kunden soll man vor Ort am Produkt überzeugen lernen

Wo ist der Unterschied? Essen ist "show", im Laden ist "sale". Klares Bekenntnis zu: Wir sind in erster Linie eine Firma, kein Freizeithelfer und Freudemacher. Wie überall macht die Marktwirtschaft zuerst die Ursache, und dann die Wirkung kaputt. Sobald es auch um’s Geld geht, geht’s um nichts Gutes mehr. Und wie immer dann, wuchert das Böse mehr und mehr. Am Ende geht’s wie bei Hasbro nur noch um’s Geld. Nicht mehr um Innovation und Tiefsinn.

Das Spiel ist nur noch eine Ware auf dem Markt wie andere auch. Es wird an Verbraucher verkauft, die eine Konsumlücke des Alltags füllen, nicht an Kenner und Geniesser, die einen Kulturbereich zum Niveau entwickeln. Es kann nun auch in Großkaufhäusern wie "Toys ‚r‘ us" in langen Regalen als Massenware feil geboten werden. Direkt in den  Einkaufskorb gelegt, wie auch im Internet. Statt dass es wie Kostbares auf Kissen in feinen Läden einem würdigen Publikum auf Samttischdecke vorgeführt würde. Dazu müssen Spiele natürlich die entsprechende Qualität haben, den hohen Anspruch, nicht nur am Material. Und nicht nur intellektuell, weil man kompliziert denken muss. Darum geht’s gar nicht!

Spiel ist Geist, und sonst NICHTS! Vergnügen muss wieder am Weiterbilden und tiefsinnig sein haften. Spiele erfinden soll Forschung sein, Wie ja tatsächlich moderne Forschung überall heutzutage zumeist Modellierung der Realität in Abstrakta und Formalia ist. Damit spielen ist dann der praktische Teil. Und nicht bloß Geschmackssache und Unterhaltung.

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Oceanus 21. Mai 2010 at 15:57

Winning Moves scheint da bei einigen Publishern im Bereich PC-Spiele/Software und Computerfirmen abzukupfern. Die sind in den vergangenen Jahren zum Teil auch der Gamescon in Leipzig oder der CeBIT in Hannover ferngeblieben. Beispiel: Nintendo als einer der großen Hersteller hatte keinen Messestand mehr auf der Games Convention 2008 in Leipzig. Begründung: Man wolle an Veranstaltungen mit anderen Zielgruppen teilnehmen und eine eigene Promo-Tour durchführen. Auch der Hauptverband der PC-Spiele-Industrie mäkelte an Leipzig herum. Mittlerweile ist die Games Convention tot und es gibt die Gamescom in Köln….

Aber ich wollte eigentlich was zum Thema "Verkäuferschulung" schreiben. Die sind insgesamt m.E. bitter nötig, weil besonders in Buchläden mit Spielesortiment oder gar großen Warenhäusern viele der "Einzelhandelsfachverkäufer/innen" in Sachen Spiel von Tuten und Blasen keine Ahnung haben.

Kurze, selbsterlebte Szene bei Karstadt Bremen:

"Guten Tag, wo bitte finde ich denn Seeland von Ravensburger ?

Was ?

Seeland?

Nie gehört !

Was ist denn das ?

….und so weiter und so fort…..

Ich schäme mich nicht oft fremd, aber in diesem Fall tat mir die Verkäuferin in der Spielabteilung leid.

(zu diesem Zeitpunkt war Seeland übrigens schon seit drei Monaten im Handel.!)

 

Viele Grüße von

Oceanus

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