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Moral und Rollenspiel

Tanja Weber von Tanja Weber

Gewalt und Ethik in Rollenspielen

Beim Lesen des Vorwortes des Abenteuers Lherata und der Dornenkönig bin ich auf etwas sehr interessantes gestoßen. Dort äußerte sich der Verfasser befremdlich über die Ankündigung eines neuen Rollenspielsystems: Afghanistan D20, ein mir bisher unbekanntes Produkt, das anscheinend direkt die Vorfälle des 11. Septembers und die kriegerischen Auseinandersetzungen in Afghanistan thematisiert.

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Man kann über Rollenspiele geteilter Meinung sein, ich habe manchmal das Problem, dass ich eigentlich ein recht friedlicher Mensch bin, aber meine Charaktere im Spiel töten (müssen). Moral und Rollenspiel oder sollte man vielleicht sagen Moral im Rollenspiel ist ein schwieriges Thema. So weit ich das beurteilen kann, hat jedes System Regeln für Kämpfe, die einen mehr und die anderen weniger. Egal ob in einem Fantasy-, Hack and Slay, in einem Science Fiction- oder in anderen Systemen, die vielleicht sogar in der Gegenwart angesiedelt sind: In jedem System gibt es Regeln zum Töten. Ist das verwerflich?

Gewalt im Rollenspiel und in der Realität sind verschiedene Dinge. Es tut gut, manchmal den strahlenden Helden eines Fantasy-Epos darzustellen oder einen modernen Robin Hood im Shadowrun-Universum. Das ist in etwa so, wie einen guten Krimi oder Actionfilm zu sehen, nur das man selbst in der Geschichte steckt, sie direkter miterlebt. In jeder Kultur gibt es Märchen und Göttergeschichten, die teilweise auch zur Unterhaltung dienen. Schon im Kindesalter erfreuen wir uns daran, wenn Kasperle das Krokodil verhaut. 

Manch einer mag einwenden, dass Rollenspiele trotzdem die Gewaltbereitschaft erhöhen, in Einzelfällen würde ich dem sogar zustimmen, aber es ist kein Regelfall. Nach dem Kasperltheater ziehen Kinder nicht los, um "Krokodile" zu verprügeln und ich gehe nicht nach dem Rollenspiel Menschen töten. Denn eigentlich wissen wir, dass Spiel Spiel ist und Realität Realität.

Genau hier kommen wir zurück zu Afghanistan D20. Mit einem solchen Rollenspiel geht man zu weit: Da kämpft man auf Seiten der ach so guten Nord-Allianz gegen die ach so bösen Terroristen. Eine eindeutige politische Stellungnahme, bei der das Elend der Bevölkerung unbeachtet bleibt. An dieser Stelle soll es keine politische Diskussion über den Sinn und Zweck von Kriegen, speziell diesem, geben, ich möchte nur daran erinnern, dass es immer mindestens zwei Seiten gibt, die man beachten muss. Ein Rollenspiel, das gedankenlos eine Seite als die gute darstellt, sollte mit Vorsicht genossen werden.

Die Verquickung von rollenspielerischen Elementen wie Gewalt und Töten mit der realen Welt wird hier letztlich zu einem ethischen Problem. Jeder kann sich in Fantasiewelten im Grunde ganz bewusst vom realen Handeln distanzieren und dort Held sein, Zauberer oder vielleicht Vampir. Systeme wie Hyperborea sind dabei meiner Meinung nach sogar gewaltverherrlichend und sexistisch, aber immer noch fiktiv. Ein Rollenspiel, dass aktuelle weltpolitische Konflikte einseitig und zu Lasten der in der realen "Spielwelt" lebenden Menschen nachzeichnet, überschreitet jedoch die Grenze zum tolerierbaren Rollenspiel. Und dabei ist es völlig gleichgültig, welche Seite die gute ist. Hier sind Spiel und Realität verwischt, Gewalt und Töten überschreiten die ethischen Grenze, die sich Rollenspiele durch Fiktion selbst gesetzt haben.

 

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