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Interview mit Christian Beiersdorf über das Projekt Spiel

Christian Beiersdorf von Projekt Spiel

Der Wert der Professionalisierung

Herr Beiersdorf, Ihre Agentur Projekt Spiel gibt es inzwischen seit sechs Jahren und bedient als Komplettdienstleister für die Entwicklung von Spielen sowohl Verlage, als auch Autoren und Unternehmen. Wie würden Sie in der aktuellen Spielelandschaft die Rolle einer Agentur wie der Ihren beschreiben?
„Nun, auch die Spielelandschaft beziehungsweise die Spieleverlage können sich der stärkeren Kommerzialisierung aller Wirtschaftbereiche, was auch mit stärkerer Arbeitsteilung, Outsourcing und Personalbabbau verbunden ist, nicht verschließen. Insofern erfüllt die Agentur Bedürfnisse, die sowohl bei den Unternehmen als auch bei den Autoren vorhanden sind und zunehmend wachsen. Ich sehe hier durchaus noch Zukunftspotential, denn auch der einzelne Autor kann mit professioneller Unterstützung mehr Chancen sowohl national als auch international wahrnehmen.“

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Wäre eine solche Agentur vor 15–20 Jahren denkbar gewesen?
„Denkbar schon – nur hat es eben keiner gemacht. Zumindest die größeren Verlage waren ja schon damals gute Kunden der alteingesessenen internationalen Agenturen wie etwa Bar David. Es hat wohl mit der überschaubaren regionalen Größe des deutschsprachigen Raums und mit seiner sehr ausgeprägten Spielekultur zu tun, dass die Kontakte zwischen den Verlagen und den Autoren weitgehend direkt und persönlich sind. Göttingen spielte und spielt hier noch (mittlerweile zusammen mit Haar) eine wichtige Rolle. Die Redakteure hatten früher aber auch mehr Zeit, sich inhaltlich um ihre ‚Kinder‘ zu kümmern. Meine schönste Zeit des Spielemachens war mit Sicherheit die bei F.X.Schmid von 1984–1992.

Hinkt der deutschsprachige Markt der internationalen Entwicklung hinterher oder ist er ihr voraus?
„In punkto Spielkultur und Spielvielfalt ist dieser Markt sicher vorn dran. Aus Marketingsicht kann man allerdings Unterschiede in der Vermarktung bei Firmen feststellen, die in anderen Märkten beheimatet sind, wie zum Beispiel Hasbro. Verlage aus dem deutschsprachigen Raum haben beispielsweise erst spät begonnen, wichtige Spiele als Produktmarken zu begreifen und entsprechend zu vermarkten.“

Wäre es – abgesehen von dem Aspekt der Konkurrenz – wünschenswert, wenn mehr Agenturen als Dienstleister in der Spielebranche eine Rolle wie die Ihre einnehmen würden?
„Der Wettbewerb ist ja durchaus schon da. Zumindest als externe Redakteure arbeiten mittlerweile einige ehemalige Verlagsmitarbeiter. Und das wird von den Verlagen durchaus genutzt, um interne Engpässe zu meistern beziehungsweise grundsätzlich die Personaldecke knapp zu halten. Im Bereich der Lizenzagenturen ist der Markt sicherlich begrenzt, aber das hängt auch davon ab, ob hier noch andere Verlage den Weg von Ravensburger und Hasbro einschlagen.“

An welchen Spielen war Projekt Spiel zuletzt im Auftrag von Spieleherstellern tätig?
„Zum einen betreue ich das Kinderkartenprogramm von Ravensburger mit dem Schwerpunkt Supertrumpf. Zum anderen habe ich in den letzten Jahren Projekte für Kosmos, Nürnberger Spielkarten, Schmidt Spiele sowie W&L (Spielspass) betreut und zum Teil auch entwickelt.“

Als Lizenzagentur bieten Sie ausgewählten Spieleautoren eine Zusammenarbeit an. Was übernehmen Sie für den Autor und welche Freiheiten muss dieser dafür abgeben?
„Ich denke, Freiheiten muss er gar keine abgeben. Autoren gewinnen zunächst durch die gemeinsame inhaltliche Arbeit am Spiel. Dabei versuche ich, die Spiele in einer Art Vorredaktion so weit voranzutreiben, dass sie quasi reif für die Veröffentlichung sind. Dazu gehört auch eine mehr oder weniger druckreife Spielanleitung. Dies erhöht die Chancen einer Annahme durch einen Verlag und spart dann dort auch Manpower für die Weiterentwicklung; angesichts des Arbeitsdrucks in den Redaktionen ein oft notwendiger und sehr erwünschter Service.“

Die Agenturbeteiligung von 40 Prozent des Autorenanteiles am Verkaufserlös klingt nach relativ viel.
„40 Prozent sind international üblich, es gibt aber Agenturen, die mehr verlangen. Die Gegenleistung beinhaltet sowohl die inhaltliche Arbeit am Spiel, die – abhängig vom einzelnen Spiel – sehr umfassend und stark verändernd ausfallen kann (natürlich immer im Einklang mit dem Autor!), als auch die gesamte Akquisitionsphase inklusive der Vertragsabwicklung.“

Welche Vorteile hat ein Verlag, wenn er nicht direkt mit dem Autor verhandelt?
„Das Thema Verhandeln ist wahrscheinlich weniger das Problem, auch wenn es unter Profis mit weniger Kommunikationsaufwand und dadurch meist schneller abläuft. Der größte Vorteil für den Verlag ist die Vorselektion und Bearbeitung der ursprünglichen Rohideen. Bei späteren Änderungen beziehungsweise Bearbeitungen durch den Verlag wird der Autor über die Agentur genauso einbezogen wie auf dem direkten Weg.“

Mit welchen Autoren arbeiten Sie in diesem Sinne zusammen, welche Spiele haben Sie auf diesem Weg zuletzt an Verlage lizenziert?
„Die Liste der Autoren wäre zu lang, um sie hier aufzuzählen. Im aktuellen Portfolio sind zirka 20 bis 30 Autoren. Zuletzt erschienen sind Wie bitte? von Liane Telschow, Abgezockt von Lucy Schultz und Bienchen summ herum von Sibylle Walter bei W&L/Spielspass. 2008 folgend weitere – auch im Ausland.“

Seit 2004 prüft Projekt Spiel die Spielvorschläge unbekannter Autoren, die an den Verlag Ravensburger zur Veröffentlichung gesendet werden. Dafür wird eine Gebühr von derzeit 65 Euro vom Autor verlangt. Welche Gegenleistung bekommt dieser dafür? Was ist Aufgabe der Gebühr?
„Die Gebühr trägt zu einem Teil zur Kostendeckung des Aufwands bei, den anderen Teil trägt Ravensburger. Der Aufwand besteht in der administrativen Bearbeitung inklusive Rücksendung, dem Porto, dem Prüfungsbericht sowie gegebenenfalls diversen Tests und der Präsentation bei Ravensburger. Bei einzelnen Spielen findet auch eine Art Vorredaktion wie in der Lizenzagentur statt, um die Chancen einer Annahme bei Ravensburger zu erhöhen. Auf der anderen Seite haben die 65 Euro auch die Funktion einer Schutzgebühr, um die Flut der allzu banalen Einsendungen etwas einzudämmen. Dies wirkt auch, denn die Gesamtzahl der Einsendungen ist im erwarteten Rahmen auf zirka ein Viertel zurückgegangen.“

Ravensburger hatte die Umstellung des Sichtungsverfahrens auf dieses System unter anderem damit begründet, dass die meisten Vorschläge Klone von Monopoly, Memory oder Mensch ärgere dich nicht seien, deren redaktionelle Prüfung in keinem Kosten-Nutzen-Verhältnis stünden. Können Sie anhand der Ihnen geschickten Spielvorschläge die Gebühr in dem Sinne rechtfertigen, dass das Potenzial der Einsendungen in Bezug auf die Menge gestiegen ist?
„Prinzipiell ja. Das heißt, der Anteil vorstellungswürdiger Spiele ist deutlich größer als früher, auch wenn ein Großteil der Einsender nicht unbedingt aus der sogenannten Spielszene kommt. Parallel muss man sicher feststellen, dass eine Reihe guter Nachwuchsautoren sich noch scheut, Spiele über Projekt Spiel an Ravensburger zu schicken und somit wegen 65 Euro die Chance nicht nutzt, bei einem erfolgreichen Verlag veröffentlicht zu werden.“

Für die Gebühr erhalten die Autoren bei Ablehnung eine Beschreibung der Stärken und Schwächen des Vorschlages. Welches Feedback darauf erhalten Sie von den Autoren? Sehen Sie hier möglicherweise noch die Möglichkeit, detaillierter zu bewerten?
„Prinzipiell bekomme ich ein positives Feedback. Natürlich gibt es immer mal wieder Autoren, die nachfragen oder sich falsch verstanden fühlen. Solche Diskussionen spornen durchaus dazu an, die Bewertungen immer wieder zu optimieren. Vom Gros der Gelegenheits-Einsender kommt allerdings kein Feedback.“

Wie viele Vorschläge stellen Sie dem Verlag tatsächlich vor? Welche Spiele haben davon den Sprung in ein Verlagsprogramm geschafft.
„Im Schnitt präsentiere ich gut 15 Prozent der Einsendungen bei der Ravensburger Redaktion. Bisher hat leider noch kein Spiel den Sprung ins Ravensburger Programm geschafft, auch wenn es immer wieder dafür heiße Aspiranten gab und aktuell auch wieder gibt. Das ich damit nicht zufrieden bin, liegt auf der Hand. Aber die Konzentration auf immer weniger Titel, die oft auch nach klaren Marketingvorgaben entwickelt werden, macht diesen Auswahlprozess für die Redaktion und die Verlagsleitung nicht einfacher. Bisher haben aber fast alle Autoren, von deren Spiel ich wirklich überzeugt war, für das Spiel nach der Ablehnung durch Ravensburger mit der Lizenzagentur Projekt Spiel einen Agenturvertrag abgeschlossen. Einige dieser Spiele wurden inzwischen bei anderen Verlagen veröffentlicht, andere sind noch in der Entscheidungsphase.“

Wird der Erfolg des Gebührensystems im Verhältnis zum Nutzen zukünftig überprüft? Wäre nicht sogar eine Abschaffung nach dieser für das Verlagsprogramm mageren ‚Erprobungsphase‘ konsequent? Die interessanten Spiele finden anscheinend über andere Kanäle den Weg zum blauen Dreieck …
„Ravensburger ist mit dem Erfolg des Systems durchaus zufrieden, natürlich auch unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten. Auch vorher wurde aus dem Topf der unverlangten Spontaneinsendungen kaum etwas veröffentlicht. Dass es für Nachwuchsautoren über die Autorentreffen in Göttingen und Haar nach wie vor auch den direkten Draht zur Redaktion gibt, ist von Anfang an klar kommuniziert worden. Ich habe allerdings den Eindruck, dass einige Autoren die Leistungen der Agentur unterschätzen. Nebenbei gesagt: 65 Euro decken bei einem guten Spiel mit Potential nur einen minimalen Bruchteil des Aufwands ab; hier profitieren gute Spiele von den Varianten von Mensch ärgere dich nicht und sonstigen Banal-Einsendungen, die relativ schnell beurteilt sind. Dazu noch ein Blick über den Zaun: Viele Buchverlage schicken unverlangt eingesandte Manuskripte nicht einmal mehr zurück, geschweige denn, dass sie auch noch eine Beurteilung abgeben.“

In der Spieleszene wird das Verfahren, für eine Einsendung an den Verlag eine Gebühr zu zahlen, kontrovers, teilweise sehr kritisch diskutiert. Können Sie die Bedenken, die vor allem von Seiten der Autoren öffentlich geäußert werden, nachvollziehen?
„Dazu sind, denke ich, gerade in der Einführungsphase alle Argumente ausgetauscht worden. Natürlich habe ich Verständnis für Autoren, die über eine Gebühr nicht begeistert sind. Die Entscheidung bei Ravensburger beruht aber nun mal auf der extremen Flut der Einsendungen, die mit dem hohen Markenbekanntheitsgrad zusammenhängt. Ich meine jedenfalls, dass dadurch alle gewinnen beziehungsweise gewinnen können. Ich versuche jedenfalls, dafür mein Bestes – vor allem auch im Interesse der Autoren – zu geben.“
Webseite der Agentur Projekt Spiel

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