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Spielen in … Russland

Biznes 2000 - ein Monopoly-Clon von Boardgames.ru

Bärige Aufbruchsstimmung

Deutsche Spiele sind in der Welt das Nonplusultra, sagt man wenigstens. Doch was ist mit anderen Ländern. Wie und was wird dort gespielt? Gibt es dort eine ähnlich rege Spieleszene? Wir wagen einen Blick über die Grenzen und haben Menschen gefragt, die es wissen müssen: Autoren, Verlage, Spieler. Natürlich können unsere Ergebnisse nur eine Stichprobe und eine Momentaufnahme sein. Die Wahrheit liegt hoffentlich dicht an unserer Recherche, vielleicht aber auch weit davon weg.

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Brettspiele in Russland haben eine lange Tradition. Die ältesten, die gefunden (allerdings nicht ohne Mühe) und gespielt werden, datieren aus den 1930ern: Beglye (Flüchtlinge), Zakhvat Koloniy (Besetzung der Kolonien), Piraty (Piraten) – erfunden vom pensionierten Seefahrer Vladimir M. Golizyn.

Die Siedler von Catan - russische Ausgabe! von Boardgames.ruDiese Spiele zu spielen, macht wirklich Spaß. Sie bieten Originalität und kreative Ideen wie Windrosen und interessante Methoden, um die Geschwindigkeit von Schiffen festzulegen (Piraty, Zakhvat Koloniy), oder ungewöhnliche Würfel mit Bildern von Ereignissen (Beglye). Die Spiele sind für zwei bis sieben Personen (Beglye sogar auch für einen Spieler) und thematisieren verschiedene historische Ereignisse. Zum Beispiel die das spanische Gold jagenden Piraten der Karibik oder Schlachten im Indischen Ozean um Kolonien. Diese Spiele sind nie im so genannten Schachtel-Format erschienen. Das Sowjet-Magazin „Pioner“ (Pionier) veröffentlichte vor langer Zeit die Anleitungen und Pläne.

In den 80er Jahren kam das Strategie-Kriegsspiel Polkovodez (Befehlshaber) auf den Markt, das den Krieg gegen Napoleon von 1812 aufgriff. Es übertraf zu der Zeit alles dagewesene – Armeen aus 30 bis 50 Einheiten waren normal für das Spiel.

Aber die sowjetische Spiele-Industrie verwöhnte die Spieler nicht gerade mit einem großen Angebot. Die meisten Spiele stellte Malysh (Baby) her. Spiele wurden in Russland jedoch kaum weiter entwickelt, es mangelte an Spannung und Interaktion. Mehr zu bekommen, war fast unmöglich. Der Auslandsmarkt war unzugänglich. Findige Spieler suchten nach Ausweg. Handgemachte Spiele lockten mit ausländischen Titeln wie Monopoliya (Monopoly) entstanden. So malten ältere Schüler Quadrate mit ausländischen Wörtern auf Pappe, schnitten Spielzeugdollar aus und gaben die Regeln mündlich weiter. Oder Kartenspiel-Freunde nahmen ein gewöhnliches Deck und kreierten Mafia.

Berserk - Sammelkartenspiel von Boardgames.ruAls am Ende der 80er Jahre der eiserne Vorhang fiel, überschwemmten viele Monopoly-Klone den Markt wie zum Beispiel Monopoliya, Kooperativ und Biznes 2000. Das sind russische Versionen des amerikanischen Originals. Ein paar dieser Spiele waren unverkennbar, da sie die sowjetische Realität widerspiegelten: Orchered (Warteschlange), Belaya Vorona (Rara Avis). Mit Titeln wie Menedzher (Manager) und Millioner (Millionär) wird Monopoly in Russland immer noch kopiert.

Später erschienen die ersten Spiele anderer Genres: das strategische Geopolitica (Weltpolitik), das Abenteuerspiel Chudovishche Dzhio-Dzhange (Das Monster von Dschio Dschungel), das Science-Fiction-Spiel Planeta Astronavta Pirksa (Der Planet der Astronautenvergünstigung) und mit Prizraki Zamka Ferro (Die Geister von Schloss Ferro) sogar ein Horrorspiel. Die meisten dieser Spiele wurden von Letra-Relax hergestellt, einem heute fast vergessenen Verlag.

Als die Computer-Revolution ausbrach, schafften Brettspiele es nicht, mit PC-Spielen zu konkurrieren und verloren ihre Bedeutung. Das zwang die Hersteller, sich am Markt neu zu orientieren. Die Geschäfte wurden wieder mit primitiven Brettspielen schlechter Qualität überflutet. Aber trotzdem gab und gibt es Verlage, die „echten“ Brettspielen die Treue halten. Zum Beispiel CPR (The Center of the Perspective Projects), EGRI, Russkiye Igry (Russische Spiele), Russkiy Stil (Russischer Stil), „Technolog“ (Technologe), „Zvezda“ (Stern).

Wojna - Sammelkartenspiel zum 2. Weltkrieg von Boardgames.ru2002 veröffentlichte „Hobby-Igry“ (Hobby-Spiele) endlich den weltberühmten Verkaufsschlager Die Siedler von Catan von Klaus Teuber in Russland. 2003 erschien Twilight Imperium. Carcassonne und das Die Siedler von Catan – Das Kartenspiel sind in Vorbereitung. Gleichzeitig gibt es in Russland eine wachsende Anzahl von Spieleclubs sowie einige Fachmagazine: „1000 I Odna Igra“ (1000 und ein Spiel), „Igromania“ (Spiele-Leidenschaft), das informative und sehr umfangreiche „Imperia Nastolnykh Igr“ (Das Reich der Brettspiele – sic!) und „Mir Phantastiki“ (Fantastik-Welt), in dem eine eigene Brettspielrubrik zu finden ist. In Russland gibt es inzwischen sogar eigene Sammelkartenspiele: Wojna (Der Krieg) von der Designgruppe Stoliza zum Zweiten Weltkrieg und das Fantasy-Spiel Berserk vom Verlag Mir Fantasy (Fantasy Welt).

Schön, dass es Bewegung in der Brettspiel-Szene Russlands gibt. Nach und nach wird die Zeit der Stagnation hinter sich gelassen und Szene für die heimischen und ausländischen Spiele wächst. Gleichzeitig wird das Hauptproblem überwunden – die Orientierung der Brettspiele in Richtung kleiner Kinder. Traditionell halten Erwachsene Brettspiele für Kinderkram und für keine vernünftige Freizeitbeschäftigung.

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