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Stefan Dorra über das perfekte Spiel

Stefan Dorra beim Spieleautorentreffen in Göttingen von Reich der Spiele

Interview mit Spieleautor

Stefan, in den letzen Jahren sind bereits einige Spiele von dir veröffentlicht worden. Woher nimmst du als Autor die Ideen für so viele Spiele?
„Das ist gleich eine ganz schwierige Frage. Ich weiß es auch nicht so genau. Ich beschäftige mich halt gern mit Spielen. Anregungen zu Ideen kann man eigentlich in allen Situationen bekommen. So viele Spiele sind in den letzten Jahren gar nicht entstanden. In der Vergangenheit habe ich pro Jahr etwa etwa zwei bis drei Prototypen fertig gestellt.“

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Steht bei dir am Anfang der Entwicklung dieser Prototypen erst der Mechanismus oder das Thema?
„Meist suche ich zunächst nach irgendeinem neuen Spielzug, den ich noch nirgendwo gesehen habe. Wenn mir etwas spannendes einfällt, wird daran so lange gefeilt, bis eine erste kleine Spielidee entsteht. Erst danach mache ich mir normalerweise Gedanken über ein passendes Thema. Durch die Wahl des Themas kommen dann fast automatisch neue Materialien und neue Spielregeln hinzu. Manchmal entwickelt sich daraus ein spannendes Spiel; oftmals verschwindet die Idee aber auch in einer großen Schublade.“

Wenn Spiele in der Schublade verschwinden, geschieht dies doch sicher auch durch äußeren Einfluss. Wer ist dein schärfster Kritiker bei der Entwicklung, bevor die Spiele an Verlage gegeben werden?
„Wenn mir ein Spiel gefällt und ich es in verschiedenen Besetzungen mehrfach gespielt habe, kommt es in meiner Testgruppe zum
Einsatz. Die besteht aus ‚abgebrühten‘ und sehr erfahrenen Spielern, die sich einen Spaß daraus machen, Regellücken zu entdecken. Oft wird dabei sehr unkonventionell gespielt, um das Spiel irgendwie ‚aus den Angeln zu heben‘. Wenn das nicht gelingt, kann ich mir schon recht sicher sein, dass es keinen Fehler im Regelwerk gibt. Weitere Testspieler sind meine Frau und meine Kinder, Freunde, Nachbarn und Bekannte, die Besucher des Spieleladens ‚Spielbrett‘ in Hildesheim, ein befreundeter ‚Spieltheoretiker‘ aus Amsterdam und gelegentlich die Mitglieder der Brettspielwelt-Hannover.“

... eins der Spiele von Stefan Dorra: Linie 1 von Reich der SpieleWenn die Tester „grünes Licht“ geben, Wonach entscheidest du, welche Spiele du welchem Verlag anbietest?
„Durch den regelmäßigen Besuch des Göttinger Spieleautorentreffens, verschiedener Spielveranstaltungen und Messen habe ich gute Kontakte zu den Redakteuren fast aller bekannten Verlage bekommen. Manchmal kann man sich ein Spiel im Programm eines bestimmten Verlages gut vorstellen und bietet diesem das Spiel zuerst an. Manche Spiele eignen sich für bestimmte Verlage auch gar nicht; soweit ich weiß, veröffentlicht Amigo derzeit beispielsweise keine reinen Zwei-Personen-Spiele.“

Wie wichtig ist nach deiner Erfahrung die Zielgruppe eines Spiels für den Verlag? Muss ein Spiel einfach nur gut sein oder ist es für Verlage ähnlich wichtig oder sogar wichtiger, dass Dinge wie Thema und Material stimmen?
„Die verschiedenen Verlage haben schon sehr unterschiedliche Zielgruppen. Ein etwas komplexeres Spiel würde ich sicherlich zunächst Alea oder Hans im Glück anbieten. Die thematische Umsetzung eines neuen Spiels übernimmt meist der Verlag. Die Auswahl der verwendeten Materialien wird ebenfalls in der Regel vom Verlag bestimmt. Für mich, als Spieler, sind die grafischen Elemente eines Spiels und die verwendeten Spielmaterialien sehr wichtig. Zum Glück hat sich die Qualität bei allen deutschen Verlagen in den letzten Jahren stetig verbessert.“

Dies gilt auch für die „spielerische Qualität“, die ein sehr gutes Niveau erreicht hat. Siehst du noch weiteres Entwicklungspotenzial und ist dieses gute Niveau für Autoren nicht sogar hinderlich? Immerhin liegt damit die Messlatte für Neuerscheinungen recht hoch.
„Ich bin zunächst einmal Spieler und freue mich über eine gute Qualität und einen guten Spielejahrgang. Für Autoren ist das sicherlich nicht hinderlich, sondern im Gegenteil eine große Chance. Dadurch, dass es Jahr für Jahr neue gute Brett- und Kartenspiele gibt, entwickelt sich eine gewisse Spielkultur und ich habe den Eindruck, dass sich zumindest in Deutschland, zunehmend mehr Menschen für Gesellschaftsspiele interessieren.
Negative Kehrseite der Medaille ist allerdings der Trend zu sehr kurzen Laufzeiten der Spiele. Neuerdings werden gute Spiele bereits nach zwei bis drei Jahren von den Verlagen ‚verscherbelt‘. Ein Spiel hat kaum noch eine Chance sich über einen längeren Zeitraum im Markt zu etablieren. Ich habe gerade gesehen, dass selbst ein Spiel wie Dschunke, das erst 2002 erschien und immerhin den Sprung auf die Auswahlliste zum Spiel des Jahres schaffte und mit dem dritten Platz des Deutschen Spielpreises ausgezeichnet wurde, in einer Warenhauskette für zehn Euro angeboten wird.“

Wie reagierst du als Autor auf Änderungen deiner Spiele durch die Verlagsredaktion? Gab es schon Spiele von dir, die so wesentlich verbessert oder verschlechtert in den Handel gingen?
„Sowohl als auch. Bernd Brunnhofer von Hans im Glück hatte mich beispielsweise gebeten, Medina in mehreren Details umzuarbeiten. Durch die Überarbeitung und einige fruchtbare Diskussionen wurde das Spiel durchaus noch verbessert.
Es kommt aber auch immer wieder vor, dass Spiele von Redakteuren selbst verändert und umgestaltet werden. Oftmals soll ein Spiel dabei familienfreundlicher, also einfacher und auch glücksabhängiger gestaltet werden. Dadurch wird das Spiel für den erfahrenen Spieler manchmal etwas uninteressanter. Oft werden auch thematische Änderungen vorgenommen. Mein Prototyp mit dem Titel Land unter wurde beispielsweise zunächst als Zum Kuckuck veröffentlicht. Mir gefiel weder Titel noch Thema. Jahre später hat Amigo das Spiel dann unter meinem ursprünglichen Titel in einer wesentlich ansprechenderen Form erneut veröffentlicht.
Bei Alles im Eimer handelte es sich zunächst um ein Spiel, bei dem alte Inka-Pyramiden über Jahrhunderte durch den Einsatz von Sturm-, Feuer- und Überschwemmungskarten zur Erosion und somit zum Einsturz gebracht wurden. Das Spiel entstand um die Zeit des 11. September und Kosmos wollte verständlicherweise kein Spiel auf den Markt bringen, bei dem Gebäude zerstört werden. Ich fand zwar den Prototypen ansprechender, habe mich aber mittlerweile auch mit Alles im Eimer angefreundet.
Bei Amazonas gab es ebenfalls durch eine redaktionelle Bearbeitung mehrere Änderungen. In meinem Prototypen gab es beispielsweise nur Siegpunkte für die Spieler, die in einem Forschungsbereich die meisten und zweitmeisten Plättchen besaßen. Dies war den Redakteuren für ein Familienspiel etwas zu kompliziert, insbesondere wenn es mehrere Erst- und/oder Zweitplatzierte gab. So wurde von Kosmos die Drei-Plättchen-Regel eingeführt. Die ist zwar einfacher zu handhaben, führt aber zu einem Spannungsabfall zum Ende des Spiels. Nur wenn Mehrheiten in einem Forschungsbereich zusätzlich honoriert werden, kommt es zu einem spannenden Endspiel, da sich die Mehrheiten ja erst zum Schluss ergeben. Auf meiner Homepage habe ich eine
Wertungs-Variante vorgestellt, in der diese Mehrheiten zusätzlich honoriert werden. So ist es möglich gezielter gegen den führenden Mitspieler zu spielen. Es ist dann sogar möglich das Spiel zu gewinnen, wenn man nicht den Fünfer- oder Vierer-Wertungs-Chip besitzt oder seinen Auftrag nicht vollständig erfüllt hat.“

In deinen Spielen ist häufig ein direkter (Intrige oder Alles im Eimer) oder indirekter (Linie 1) Ärgerfaktor vorhanden. Ist das dein Ansatz, um Spiele kommunikativ zu gestalten?
„Den angesprochenen Ärgerfaktor gibt es tatsächlich in vielen meiner Spiele; unter anderem auch bei Marracash, bei Tonga Bonga, bei Die sieben Siegel oder bei Kreta. Ich mag besonders Spiele, in denen es möglich ist, gezielt gegen den einen oder anderen Mitspieler zu agieren. Im Spiel Die sieben Siegel hieß der Saboteur eigentlich zutreffender ‚Spielverderber‘. Dieser hat nur die Aufgabe die Mitspieler zu ärgern und ihnen Minuspunkte zuzuschanzen.
Spiel ist nicht nur Bühne für eine andere Welt, in die man stundenweise eintaucht. Im Spiel kann man miteinander kooperieren, konkurrieren, wetteifern, feilschen und verhandeln. Im Grunde genommen kommt es darauf an, den Mitspieler ‚über’s Ohr zu hauen‘, ihm seine Grenzen aufzuzeigen und einen Sieg zu erringen. Spiele dürfen dabei auch gern einen kleinen Glücksfaktor beinhalten; dieser sollte aber so gering sein, dass man sich über einen strategisch oder taktisch herausgearbeiteten Sieg auch noch freuen kann.“

Welche Anforderungen muss für dich das perfekte Spiel erfüllen?
„Wieder so eine schwierige Frage. Das perfekte Spiel kann es gar nicht geben. In Spielrunden mit meinen Kindern, Nachbarn oder Großeltern kommen ganz andere Spiele auf den Tisch, als im Kreis erfahrener ‚Spielefreaks‘. Während ein Louis XIV in der einen Gruppe sehr gut ankommt, wird es in der anderen Gruppe nur als anstrengend und langweilig erlebt.
Für mich persönlich müsste ein gutes Spiel einen nur geringen Glücksanteil sowie strategische und taktische Anteile enthalten. Es sollte Verhandlungsmöglichkeiten, Biet- oder Versteigerungsphasen geben. Das Spielgeschehen sollte möglichst überschaubar sein. Ich mag keine Spiele mit Unmengen an Countern. Das Regelwerk sollte einfach und gut strukturiert sein. Es sollte keine oder nur wenige Sonderregeln geben, die nur in seltenen Situationen zur Geltung kommen. Das Spiel müsste gut zu viert spielbar sein und sollte eine Spieldauer von 60 – 90 Minuten haben.
Man könnte auch sagen: ‚Man nehme eine Priese Morgenland, rühre dazu zwei Esslöffel Euphrat & Tigris, streue darüber ein Quentchen Modern Art und schmecke das Ganze mit ein wenig Die Siedler von Catan oder Java ab.‘ Wohl bekomm’s!“

Was ist dein persönlicher Liebling deiner Spiele, welches magst du selbst (inzwischen) am wenigsten?
„Von meinen Brettspielen mag ich am liebsten Medina. Zur Zeit kommen auch Kreta und Amazonas (mit Wertungsvariante) häufig auf den Spieltisch. Ein Spiel, das mir nicht mehr so recht gefällt, wäre beispielsweise Volle Hütte.
Meine besondere Leidenschaft gilt aber seit vielen Jahren den Kartenspielen. Früher gab es regelmäßig Doppelkopfabende. Heute werden bei uns häufiger Kartenspiele, wie Njet, For Sale, Land unter oder Die sieben Siegel gespielt – aber auch Kartenspiele anderer Autoren. Mit jüngeren Mitspielern oder ‚Gelegenheitspielern‘ spielen wir oft Alles im Eimer und Hickhack im Gackelwack.“

Bei so häufigem Spielen: Was machst du, wenn du dich gerade mal nicht mit Spielen beschäftigst?
„Es wird bei uns in der Tat sehr viel gespielt. Ansonsten interessiere ich mich für Reisen in nahe und ferne Länder, für Badminton, für Krimis sowie für Politik und Geschichte.“

Webseite von Stefan Dorra

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