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Vom Spielbrett zum Ehekrach

Axel Bungart

Was mit wem?

Die Auswahl von Spielpartnern, die sich zu einem Spieleabend an einem Tisch zusammenfinden, birgt ein auf den ersten Blick gar nicht so präsentes Konfliktpotenzial. Eher unkompliziert ist es, wenn sich mehrere Singles zusammenfinden. Sie stehen möglicherweise in freundschaftlich-respektvoller aber dennoch ausreichend distanzierter Verbindung miteinander. Auch verheiratete oder in sonstiger eheähnlicher Verbindung stehende Personen können ungehindert mit- und gegeneinander spielen, solange sie auf die Anwesenheit der Partnerin/des Partners verzichten.

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Ehepaare und der K(r)ampf am Spielbrett

Schwierig wird es, wenn Paare, im schlimmsten Fall Ehepaare, an einem Tisch sitzen, die alle dasselbe Ziel verfolgen: Ich will gewinnen! Wie jeder andere auch versuchen sie, das Optimum an Siegpunkten (o. ä.) aus ihren Zügen herauszuholen, und machen dabei keinen Unterschied zwischen Männlein und Weiblein, die sie hinter sich lassen. Alles im Rahmen der Spielregeln versteht sich.

Während sich das aus dem Spiel erwachsende Konkurrenzverhalten unabhängiger Spielpartner stets auf der Oberfläche der Spielebene – um nicht zu sagen auf dem Spielbrett – abspielt, wandert es zwischen Paaren nicht selten etwas tiefer. Kleine verbale Sticheleien sind ein erstes Anzeichen für ein sich hinter dem Lächeln des Gatten verbergendes Köcheln, wo ihm doch der letzte Zug seiner Angetrauten einen fetten Strich durch seine weitere Planung gezogen hat. Das süffisante „Luder!“, das er ihr immer noch um Fassung bemüht zulächelt, hat sie geflissentlich überhört oder ignoriert. Noch. Mit seinem Kommentar zu ihrem nächsten ihn benachteiligenden Zug versucht er, sich in Unverständnis zu retten: „Ich verstehe zwar Deine Logik nicht, aber das ist ja nichts Neues“. Nicht zu verkennen ist bereits der Seitenhieb auf das ohnehin mangelnde Spielverständnis des weiblichen Teils des Paares, der damit gleichzeitig fast beiläufig beweisführend eingeworfen wird. Die Reaktion lässt dieses Mal nicht auf sich warten: „Ich dachte, hier spielt jeder für sich!“ ist allerdings eine Mischung aus Vorwurf („Darf ich vielleicht nicht gewinnen?“) und Verzweiflung („Wieso sagt er, mein Zug sei dumm?“).

Eskalation und der notwendige Pausengong

Der Zwist gewinnt zusehends an Dynamik. Zwei ihn benachteiligende Züge ihrerseits später hat er schon das Gefühl, bevorzugtes Opfer zu sein oder zumindest zu werden, was ihr, bisher sich keiner Schuld bewusst, sichtlich und zunehmend Spaß macht. Die Idee, ihn spielerisch zu mobben, war ihr bisher nicht in den Sinn gekommen, entbehrt aber nicht eines gewissen Reizes. (In zweiter Instanz ließen sich davon womöglich sogar sexuell motivierte Ziele ableiten.)  Das Scharmützel rutscht unter Umständen schon jetzt unter die Tischplatte, mündet aber eher in leichten Fußtritten oder Knuffen gegen den Oberschenkel, welche von einer ersten Entgleisung zeugen.

Spätestens jetzt sollte der Gastgeber Augen und Ohren offenhalten, um einer möglichen weiteren Eskalation vorzubeugen. Eine Nase voll frische Luft, ein Runde neuer Getränke – irgendetwas Kühles muss herhalten, um ein kurzes Break zu bewirken, das die Reaktortemperatur nachhaltig senkt. Witzeln ist dazu im Übrigen nicht geeignet, sondern verstärkt meist nur die Annahme des „Geschädigten“, er befinde sich ausschließlich deshalb in der Situation, weil sein geliebter Partner es so wollte.

Bei besonders ausgeprägter Dominanz des einen Partners hat es in früheren Spielrunden sogar schon dazu geführt, dass der devotere Gegenpart Spielzüge unterlässt, die dem Partner schaden könnten, ungeachtet dessen, dass es ihm selbst schadet, wenn er sie nicht spielt. Da wird’s dann krude. Auch ist bewiesen, dass die Rückfahrt im gemeinsamen Auto durchaus harmonischer verläuft, wenn die Schlacht am Brett entweder ohne interaktive Berührungspunkte oder zumindest mit angemessener Zurückhaltung einer der beiden (Spiel-)Partner verlaufen ist. Aber immer nur Mehrspielersolitärspiele fördern ja auch nicht das Zusammenleben.

Von wegen kooperative Spiele …

Man sollte meinen, dass kooperative Spiele da einfacher zu händeln seien. Das Gegenteil ist aber der Fall. Während ein Spieler mit konkurrierenden Mitspielern letztlich seines eigen‘ Glückes Schmied ist (von obigen Ausnahmen abgesehen), muss er sich im Team womöglich den Ratschlägen und sogar Anweisungen der Mitspieler, also auch denen des Lebensabschnittsgefährten, unterwerfen. Da geht’s ja fast um die Ehre und somit ans Eingemachte. Und plötzlich ist man als Ausrichter eines harmlosen Spieleabends der Urheber eines handfesten Ehestreits. Wie grotesk.

Nicht umsonst sagte mir einer meiner lieben Mitspieler mal, danach gefragt, ob er bei einer Runde Diplomacy mitspielen würde, dass er das nicht mehr spiele, seit sich bei einer der letzten Runden ein Ehepaar nach der Partie fast getrennt hätte. Was haben wir für ein sozialfeindliches Hobby.

Also immer schön sorgfältig auswählen, was mit wem gespielt werden soll.

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1 Kommentar

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Stefan 27. März 2014 at 03:51

>> Schwierig wird es, wenn Paare, im schlimmsten Fall Ehepaare, an einem Tisch sitzen … <<

Oh, da gibt es noch einen Unterschiede?

Antwort

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