Ein gut organisiertes und erfreulich familiäres Event
Auch dieses Jahr fanden die Ratinger Spieletage traditionell am ersten Wochenende der Osterferien statt: am 12 und 13. April 2025. Dies führte aufgrund von gutem Wetter zu einem ruhigen Samstag vor Ort in Ratingen. Sogar mehrere Parkplätze waren um 9:40 Uhr direkt vor Ort frei. Der Ansturm vom letzten Jahr blieb dieses Jahr aus. Insgesamt verloren sich Samstag über den Tag verteilt knapp 1000 Besuch in der Stadthalle Ratingen. Das Limit gleichzeitiger Besucher lag dabei aufgrund eines Sicherheitskonzepts bei 900 Personen.
Ratingen 2025: Tonnenweise gebrauchte Spiele

Spieltetage Ratingen 2025 – Stadthalle | Foto: Axel Bungart
Beim heimlichen Star der Ratinger Spieletage 2025, dem Flohmarkt, war bereits vor 10 Uhr einiges los. Hier hatten sich schon zahlreiche Schnäppchenjäger diszipliniert zu einer Schlange aufgestellt und ließen sich von der Morgensonne die Spielbäckchen bräunen. Punkt 10 Uhr wurden die ersten 40 Personen hineingelassen, um anschließend nach und nach freiwerdende Stellen mit neuen Kaufwütigen zu füllen.
Am Eingang erhielt man neben einer Nummernkarte außerdem noch einen Klebestreifen mit Uhrzeit, an dem man den Flohmarkt wieder verlassen musste. Danach hieß es Stöbern in der Flut an Angeboten. Lücken wurden dabei nach und nach vom Team aufgefüllt. Die Vielfalt des Angebots reichte hierbei von kleinen Kartenspielen bis hin zu Kickstarter All-In Paketen. Manch ein vermeintlicher Schnapper lag hierbei aber nur hauchdünn unter dem aktuellen Neupreis – und an einigen Stellen auch drüber. Gekauft wurde aber ordentlich. Mach einer verschwand beim Heraustragen hinter seinem Stapel an gekauften Spielen. Ein Wunder, dass dies alles ohne Kratzen, ohne Beißen und ohne wüste Beschimpfungen ablief. Der gemeine Gesellschaftsspieler scheint ein gelassenes Gemüt zu besitzen.
Die üblichen Verdächtigen und Einzelkämpfer

Spieltetage Ratingen 2025 | Foto: Axel Bungart
In der Stadthalle konnte man auf das Angebot von ca. 50 Verlagen/Institutionen und ca. 15 Spieleautoren zurückgreifen. Dabei waren typischen Verdächtige wie Kosmos, Pegasus, Strohmann Games, Queen Games, Skellig Games und der Boardgame Circus. Für Durst und Hunger gab es ein kleines Angebot an Getränken und Fingerfood.
Exotische Spiele darf man in Ratingen nicht erwarten – abgesehen von Prototypen, die von den jeweiligen Autoren präsentiert wurden. Die Spieletage versuchen zwar ein breites Spektrum abzudecken, aber gefühlt werden Spiele für die breite Masse angeboten. Was aber nicht schlecht ist, kann man doch die eine oder andere Lücke in der eigenen Spielerfahrung vor Ort schließen. Und ein Platz zum Ausprobieren findet sich immer.
Calzone zum Frühstück …

Gemüsewürfel glänzt mit der originellen Idee, dass man mit einem Pappbeil (Gemüse)würfel aus einer Würfelmasse heraustrennt, um schmackhafte Speisen zuzubereiten.
Zu Dritt starteten wir an diesem Tag mit Gemüsewürfel. Gemüsewürfel ist letztes Jahr bei Skellig Games erschienen und triggert Spieler, die gerne viele Würfel in einem Spiel haben. Genau 35 Farbwürfel, die Zutaten für Gerichte darstellen. Und diese Farbwürfel sind zu einem Block zusammengeschoben, aus dem der aktive Spieler nun vom Rand Würfel (Zutaten) mit einer maximalen Augensumme von 10 heraustrennt. Diese Zutaten dienen dazu, Rezepte, die vor einem liegen, zu kochen. Und gegebenenfalls auch noch die Bedingungen von Zusatzkarten zu erfüllen. Sowohl für gekochte Rezepte und erfüllte Zusatzkarten erhält man Punkte. Sobald ein Spieler sechs Rezepte gekocht hat, endet das Spiel und es gewinnt der Spieler mit den meisten Gesamtpunkten. Einfaches Spielprinzip, aber auch sehr erfüllend. Nur satt wird man davon nicht.
… und Napoleon im Nacken

Das Spiel Stephens teilt die Spielegruppe wie Moses das Meer in zwei Teile: Die einen können nicht schnell genug nach der Erklärung das Weite suchen, die anderen sind auch nach dem Spielerlebnis noch interessiert.
Nächste Station war bei The Game Builders, bei denen wir zu viert Stephens ausprobierten. Ebenfalls 2024 erschienen, spielt Stephens zu Zeiten Napoleons. Wir helfen dem Industriellen William Stephens in Portugal eine Glasindustrie aufzubauen. Und dies spürt man auch im Spiel, denn in Stephens bauen wir gemeinsam eine Engine auf, um uns mit Einfluss, Geld und Siegpunkten zu versorgen. Dabei stehen einem lediglich drei Aktionen zur Verfügung, so dass das Spiel leicht zu verstehen und zu spielen sein sollte.
Aber zumindest die eine Hälfte von uns ließ Stephens ratlos zurückließ. Das lag nicht nur an der holprigen Erklärung unseres Erklärbärens, der zudem auch noch schwach bei Stimme war, sondern auch an der lautstarken Kulisse, die auf diese schwache Stimme stieß. Das Kennerspiel von Costa und Rola würde ich nicht nur wegen des ausgezeichneten Coverartwortks gerne noch einmal in entspannter Atmosphäre ausprobieren, sondern weil The Game Builders Chef Ode uns nach dem Spiel etwas zu verschiedenen Strategien verriet und auch, was er an Stephens schätzt.
Stephens könnte eine kleine, bisher unentdeckte Perle sein.
Die Natur wird nicht müde

Die Natur bekommt keine Ruhe. Auch bei Life of the Amazonia platzieren wir wieder lustig Pflanzen und Tiere, um uns als Retter des Regenwaldes aufzuspielen. Nebenbei puhlen wir noch Pappchips aus einem Sack und erfreuen uns am schmucken Spielmaterial.
Life of the Amazonia dürfte hingegen nicht mehr unentdeckt sein. Aufgrund des Themas, der Optik des Spielmaterials und der zugänglichen Mischung verschiedener Mechanismen ist zu erwarten, dass das Ding durch die Decke gehen wird.
Thema ist schnell erklärt: Wir pflanzen im Regenwald Bäume und Wasserpflanzen und siedeln Tiere an. Natürlich alles, um den Regenwald zu schützen.
Kernmechanismus ist hierbei Bag Building. Wir ziehen in unserem Zug Ressourcen aus einem Beutel, mit denen wir wiederum optimierte Ressourcen für unseren Beutel oder aber Landschaftsplättchen, Tiere, Bäume oder Wasserpflanzen erwerben können. Tiere und Pflanzen müssen dabei nicht nur auf bestimmten Landschaftsfeldern platziert werden, sondern geben am Ende des Spiels Punkte, wenn gewisse Bedingungen erfüllt sind. Zusätzlich kann man weitere Boni auf den Landschaftsplättchen und einem Wasserfall abgreifen oder Insekten- und Landschaftskarten kaufen, die ebenfalls Boni oder zusätzliche Schlusswertungen ermöglichen.
Wir haben das Spiel mit einem Pärchen aus Köln gespielt, das schon nach dem ersten Griff in den Beutel steil ging und das Spiel in den Spielolymp erhob. Absolute Fan Truppe von StrohmanncGames, die – wie sich im weiteren Verlauf herausstellte – nicht nur nur jedes Spiel des Verlags besitzt, sondern auch hin und wieder dem Verlag in Essen als Erklärende dient. Setzt man die rosarote Brille ab, bleibt Life of the Amazonia ein netter Bag Builder mit schöner Optik, der aber auf der einen Seite Materialmängel (dünne Pappmarker und dünne Karten) hat und zumindest in unserer Partie etwas zu lange dauerte.
Aufgrund des Themas werden schnell Vergleiche zu Cascadia, Arche Nova, Mischwald oder Harmonies gezogen, die aber aufgrund der unterschiedlichen Mechaniken und Komplexität keinen Sinn machen. Ob man tatsächlich ein weiteres Spiel mit Naturthema braucht, sei mal dahingestellt. Life of the Amazonia macht einen guten, wenn auch nicht herausragenden ersten Eindruck. Spiele ich aber gerne noch einmal mit.
Mehr nett als scheiße

Cities von Kosmos ist mehr nett als scheiße, d.h. kann man mal spielen, aber die Welt dreht sich auch weiter, wenn man es sein lässt.
Zum Schluss versuchten wir uns bei Cities von Kosmos noch als Stadtplaner. Zu zweit haben wir dabei über 7 Runden unsere Stadt in einem 5 x 3 Plättchenraster vor uns ausgelegt und versuchten, lukrative Aufträge zu ergattern und Gebäude möglichst punkteträchtig vor uns hochzuziehen. Die Nummer wurde aufgrund der Masse an Aufträgen von Runde zu Runde unübersichtlicher und endete schließlich in einer geisteskranken Punkteapokalypse. Optisch ist das Spiel vollkommen nichtssagend, spielerisch hat es aber schon seinen Reiz, weil Mitspieler einem immer genau die Elemente wegnehmen, die man für den finalen Punktesegen gebraucht hätte. Insgesamt war es mehr nett als scheiße, aber weit entfernt von bahnbrechend.
Angenehm stressfrei
Die Ratinger Spieletage sind ebenso wie die Spiel Doch in Dortmund jedes Jahr ein netter Start in den Spielefrühling. Auch Ratingen zeigte sich dabei gut organisiert und erfreulich familiär. Im Gegensatz zur großen Herbstmesse in Essen erzeugt der Event weder Stress an den Spieltischen noch Stress beim Spielekauf – wenn man einmal vom Flohmarkt absieht, der durch die schiere Masse an günstigen Spielen auch leicht eine Eskalation triggern kann. Leider haben aber die Ratinger Spieletage 2025 ebenso wie Dortmund bisher keinen Spielekracher im neuen Jahr hervorgebracht. Wodurch aber das Portemonnaie erfreulich geschont blieb. Aber das Jahr ist noch jung …