Das alles muss organisiert werden – und er macht das
Amigo Spiele veranstaltet seit Jahren verschiedene Turnierformate wie Deutsche Meisterschaften und Weltmeisterschaften in Wizard, 6 nimmt, Saboteur, Bohnanza und anderen Spielen. Aber wie funktioniert so eine Meisterschaft eigentlich, welche Herausforderungen gibt es und welchen Effekt für den Erfolg eines Spiels hat das alles? Wir haben Sebastian Matthies interviewt, der die Events für den Verlag organisiert.
So funktionieren Spieleturniere
Sebastian, du bist bei Amigo Spiele für die Turniere und Events mitverantwortlich. Kannst du uns bitte zum Einstieg kurz Zahlen nennen, wie viele Turnier-Reihen ihr im Jahr veranstaltet, wie viele Einzelevents das ungefähr sind und wie viele Menschen aktiv teilnehmen?
„Sehr gern. Wir haben für unsere Meisterschaften üblicherweise je eine Turnierserie, in 2024 waren das fünf – 6 nimmt!, Bohnanza – Das Duell, Saboteur, SET und Wizard. Zusammen sind das über 150 einzelne Turniere mit über 1.600 reporteten Teilnehmenden.“
Wie müssen sich das Unwissende vorstellen: Wie läuft das Turnier aus Sicht eines Spielenden ab?
„Das unterscheidet sich nur ein wenig von einer Spielrunde am heimischen Tisch und kommt ganz auf das Turnierlevel an. Eine Vorrunde wird durch einen Veranstalter durchgeführt und hier werden mehrere Runden gespielt, um am Ende eine Rangliste zu haben, nach der die Qualifikationsplätze verteilt werden, sofern es welche gibt.
Bei einer Meisterschaft wird vorab bei der Anmeldung am Turniertag geprüft, ob der Spielende startberechtigt ist. Von uns ausgewählte Schiedsrichter wachen darüber, dass jeder fair spielt, und stehen für Regelfragen oder zur Streitschlichtung bereit. Die Runden fangen für alle Angemeldeten zur gleichen Zeit an und man füllt Punktezettel aus, die von unseren Administratoren dann in eine Turniersoftware eingegeben werden. Daraus entsteht die Sitzverteilung für die Folgerunden.“
Ein Goldnugget als Hauptgewinn
Gibt es denn etwas zu gewinnen? Was ist der Hauptpreis?
„Auch hier kommt es ganz auf das Turnierlevel an. Bei den Vorrunden werden Qualifikationsplätze sowie Kartenspiele als Sachpreise vergeben. Auf der Deutschen Meisterschaft für 6 nimmt!, Saboteur und Wizard erhalten die vorderen Plätze eine Qualifikation für die Weltmeisterschaft und je nach Platzierung auch einen Reisepreis, das bedeutet, AMIGO bezahlt die Anreise zur Weltmeisterschaft.
Auf der Weltmeisterschaft dann erhalten die Erstplatzierten eine Qualifikation sowie einen Reisepreis zur nächsten Weltmeisterschaft, im Falle von Saboteur sogar ein Goldnugget, da diese ja buchstäblich das Gold gefunden haben.“
Profis mit besseren Chancen beim Spieleturnier?
Es gibt sicher auch einige Turnierprofis, die gern immer wieder an den Events teilnehmen. Lässt sich durch eure Aufzeichnungen bestätigen, dass Turniererfahrung zu mehr Erfolg führt?
„Nicht immer. Wir haben bei der Deutschen Meisterschaft durchaus Personen, die häufig in den vorderen Rängen abschneiden oder auch ‚Stammgäste‘ bei den Weltmeisterschaften, die einfach die Besten in ihren jeweiligen Ländern sind. Ebenso ist es schon vorgekommen, dass jemand, der bereits Welt- oder Vizeweltmeister war, gar kein Kartenglück mehr hatte und weit abgeschlagen platziert wurde.“
Die Organisation der Turniere erfordert ein Jahr Vorlaufzeit
Lass uns bitte mal die Perspektive wechseln: Wie läuft die Organisation solcher Events ab? Welche wichtigen Eckpunkte gibt es zu erledigen, bis zum Turnierstart die Karten im wahrsten Sinne des Wortes auf den Tisch kommen?
„Da gibt es so viel, dass ich einen Projektplan habe, dessen Zeitlinie für das Folgejahr startet, sobald die Weltmeisterschaft des aktuellen Jahres vorbei ist. Wir müssen einen geeigneten Veranstaltungsort finden und buchen, Hotelzimmer reservieren, Dekomaterialien und Rahmenprogramm bestimmen sowie natürlich Personal für alle Positionen auf so einem Turnier finden – für das Judge-Team, für die Berichterstattung, Foto- und Video Creator und natürlich auch für Promotion-Positionen. Das gilt natürlich nur für die Deutschen Meisterschaften der Spiele, davor steht natürlich noch die Vorrundenphase mit den eingangs erwähnten 150+ Qualifikationsturnieren.
Hierfür haben wir eine stetig wachsende Anzahl an Turnierveranstaltern, die entweder ganzjährig an unseren Organized-Play-Programmen wie AMIGO Spielezeit (lockere Turnierrunden mit kleinen Preisen), Tischturnierrunden für L.A.M.A. oder Combo Up (ehemals Krass Kariert) und AMIGO Christmas Charity Events teilnehmen, aber auch die ‚U-Boot-Clubs‘, die auftauchen, sobald die Vorrundenanmeldungen veröffentlicht wurden und dann für jedes unserer Turnierspiele eine Qualifikationsrunde anmelden.“
Die Events funktionieren mit Partnern
Wie akquiriert ihr diese Partner und was müssen diese vorweisen, um mitmachen zu können?
„Die überwiegende Anzahl der Vorrundenveranstalter sind Spieleclubs oder (soziale) Einrichtungen, die mit großer Freude und Enthusiasmus die Qualifikationsrunden ausrichten. Möchte jemand ein solches Turnier anmelden, dann prüfen wir, ob der Turnierort öffentlich zugänglich ist und für jeden erreichbar. Ist der Veranstalter eine Privatperson oder agiert diese für einen Spieleclub oder eine öffentliche Einrichtung, dann kann eine Vorrunde angemeldet werden.
Ausnahmsweise gestatten wir auch Privatpersonen die Durchführung einer Vorrunde, falls im umliegenden Gebiet keinerlei Organized Play-Programme durchgeführt werden, aber auch hier gilt, dass der Veranstaltungsort öffentlich kommuniziert wird und für alle zugänglich.“
Spieleturniere sind ein internationaler Spaß
Wie international sind diese Events? Nehmen Personen aus anderen Ländern teil und gab es schon Turniere im Ausland?
„Die Deutschen Meisterschaften sind auf in Deutschland lebende Personen begrenzt, also entweder muss man seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland haben oder die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Die SET Open sind offen für alle Teilnehmenden, hier durften wir in den vergangenen Jahren bereits eine Familie aus der Schweiz begrüßen. Bei der Weltmeisterschaft dieses Jahr hatten wir natürlich einige Nationen mehr zu begrüßen. Es nahmen 16 Nationen teil, darunter Abgesandte aus den USA und Kanada, aus Taiwan und China. Wir versuchen, die Weltmeisterschaft regelmäßig in anderen Ländern stattfinden zu lassen: Hierbei werden wir durch unsere dort agierenden Exportpartner tatkräftig unterstützt.
AMIGO stellt aber auch die Preise für die nationalen Meisterschaften in Österreich, Luxembourg oder Südtirol, also so gesehen finden durchaus Turniere in anderen Ländern statt, die wir unterstützen.“
Der Effekt: Alles nur Marketing?
Die Turniere für die verschiedenen Spiele laufen seit unterschiedlicher Zeit. Ist der Erfolg einer Reihe eine Blaupause für alle Spiele und nach welchen Kriterien entscheidet ihr, für welche Spiele ihr ein Turnier startet?
„Ganz und gar nicht. Das Spiel selbst muss sich ohne große Abwandlungen für Turniere eignen – es gibt eine ganze Reihe AMIGO-Spiele, die sich beim bloßen Draufschauen durchaus anbieten, aber spätestens bei der Festlegung von Turnierregeln oder einem Punktesystem fällt schnell auf, dass sich dieses Spiel überhaupt nicht eignet.
Auch die Lebensdauer eines Spiels ist entscheidend, gibt es keine Community, die das Spiel regelmäßig auf den Tisch bringt, dann wird auch ein Turnierformat meist nicht dauerhaft angenommen.“
Abseits von der gewünschten Verbindung zu den Spielenden: Welchen Vorteil haben die Turnierserien für den Verlag?
„Es gibt natürlich durch Organized Play die Möglichkeit, mehrfach über das Spiel zu berichten, Marketingmaterialien öffentlich zu präsentieren oder über die Erfahrung der Spielenden einen Werbeeffekt zu erhalten, wenn diese von ihren (hoffentlich positiven) Erlebnissen beim Besuch eines Turniers oder einer Meisterschaft berichten.
Irgendein schlauer Mensch hat mal (bei Sammelkartenspielen) festgestellt, dass eine spielende Person beinahe viermal länger bei einem Produkt bleibt, wenn es aktiv gespielt wird. Hier hilft das Organized Play als Teil des Marketings, dieses Spiel eben aktiv zu halten und in regelmäßigen Abständen das Messen der eigenen Spielstärke zu ermöglichen, sowohl auf lokaler, nationaler als auch auf internationaler Ebene.“
Die Verbundenheit der Turniercommunity
Noch eine völlig andere Frage: Bei so vielen Turnieren gibt es sicher auch kleine Anekdoten und verrückte Geschichten von den Veranstaltungen. Welche Erlebnisse fandest du selbst am lustigsten oder beeindruckendsten?
„Bei einer vergangenen Wizard-Meisterschaft haben sich Teilnehmende als Zauberer und Hexen verkleidet, mit Zauberstab, wallender Kleidung und Zauberhüten – das fand ich schon sehr witzig, da es ja dann doch über das Fan- oder Clubshirt hinausgeht.
Ein Erlebnis, das mir im Gedächtnis geblieben ist: Nach einem Tag voller Pannen und Verzögerungen und dem Angebot, das Finale am nächsten Tag spielen zu können, hat sich der Finaltisch um 21:50 Uhr noch entschieden, das Turnier zu Ende zu bringen und das Finale ohne Zeitlimit zu spielen. Die Menge an Konzentration, die aufgeboten wurde, war sehr beeindruckend.
Mich hat außerdem die Bitte nach einer Schweigeminute aus der Spielendenschaft für einen kurz zuvor gestorbenen Wizard-Meister beeindruckt, der seinen Titel nicht mehr verteidigen konnte. Das war für mich ein starker Beweis, wie sehr sich die Turniercommunity verbunden ist.“
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