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Im Interview: Max J. Kobbert

Max J. Kobbert von Max J. Kobbert

Der Autor des verrückten Labyrinths

Herr Kobbert, wie kamen Sie damals auf die Idee zu Das verrückten Labyrinth, insbesondere auf den Mechanismus des sich ständig verändernden Spielbretts?
„Labyrinthe faszinieren mich seit jeher. Doch jeder Irrgarten verliert sein Geheimnis, wenn man seine verwinkelten Wege kennt. Seit meiner Schülerzeit verfolgte mich darum immer wieder der Gedanke eines veränderlichen Labyrinths. Ich bastelte damals mehrere Modelle mit Drehtüren und variablen Wänden – alle viel zu aufwendig für ein Brettspiel.
Der Zauberwürfel von Ernö Rubik, der um 1981 erschien, löste bei mir eine Kette neuer Ideen aus. Zuerst konstruierte ich eine Kugel mit veränderlicher Oberfläche. Sie wurde patentiert, aber nie hergestellt, weil zu aufwendig. Ich verlegte das Prinzip in die Fläche: Scheiben, die sich überschnitten und bei Drehung ihre Teile austauschten. Auf die Teile zeichnete ich Wegstücke und Abzweigungen, so dass sich immer neue Labyrinthmuster ergaben. Frustriert bemerkte ich, dass auf die Idee mit den sich überschneidenden Scheiben schon Andere gekommen waren.
Aber wie das so ist – mitten im tiefsten Frust erkannte ich plötzlich, dass sich das Prinzip des veränderlichen Labyrinths noch viel einfacher verwirklichen lässt: Ein Muster aus feststehenden Quadraten, zwischen denen sich bewegliche Quadrate reihenweise verschieben lassen. Rasch war ein Muster aus 7 x 7 Quadraten gemacht und ein Wegemuster darauf gemalt. Die Sache funktionierte besser als erwartet – ein richtiges Heureka-Erlebnis!“

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Wie lange dauerte die Weiterentwicklung der Idee bis zur Veröffentlichung durch Ravensburger und welche Änderungen durchlief das Spiel/der Mechanismus bis dahin?
So reichte Max Kobbert seinen Spieleentwurf bei Ravensburger ein: Die veröffentlichte Version orientiert sich in Regel und Gestaltung eng am Prototypen von Max J. Kobbert„Das Wesentlichste, das verändert wurde, war der Name. Ursprünglich hatte ich das Spiel Magisches Labyrinth genannt, weil es etwas von Zauberei an sich hatte. Mit der Umbenennung in Das ver-rückte Labyrinth musste ich mich erst anfreunden, aber das war nicht schwer. Denn dieser Titel passte besser zu dem Familienspiel, das es ja ist. Und das Spiel ist ja auch verrückt, in mehrfacher Hinsicht. Allein schon dadurch, dass man Wege bewegt, um zum Ziel zu kommen.
Es dauerte drei Jahre bis zur Veröffentlichung. Wenn man sieht, wie ähnlich das Ravensburger Spiel dem ursprünglichen Muster ist, fragt man sich vielleicht, was da so lange gedauert hat. Doch es ist ein großer Unterschied, ob man in der Heimwerkstatt etwas zusammenbastelt, oder ob in einem Herstellerwerk große Stückzahlen kostengünstig produziert werden sollen. Manches geht in Heimarbeit einfacher, anderes geht maschinell einfacher. Aus bloßem Karton einen funktionsfähigen Mechanismus zu fertigen, war nicht einfach. Die Teile mussten gut gleiten und von präziser Größe sein, durften keine Stanznasen haben etc. Die notwendige Kartonstärke erforderte leistungsfähige Schneidwerkzeuge. Das fertige Spiel sieht so einfach aus, dass man den Aufwand dahinter gar nicht vermutet.
Einfach ist auch die Spielregel, die vom ersten Muster an unverändert blieb. Abgewandelt wurden nur Kleinigkeiten etwa in der Motivwahl. Zu den 24 Geheimnissen im Labyrinth gehörte bei meinem Muster zum Beispiel eine Mumie. Sie wurde durch den Geist aus der Flasche ersetzt.“

Waren Sie vom Erfolg des Spiels überrascht?
„Ich glaube, der Verlag war überraschter als ich darüber, dass das Spiel innerhalb kurzer Zeit zum Bestseller wurde. Natürlich ist man als Autor sehr voreingenommen und von seiner Idee überzeugt, dagegen ist man im Verlag auf dem Hintergrund jahrzehntelanger Erfahrung zunächst einmal skeptisch. Aber als hauptberuflicher Psychologe kann ich mir den mehr oder weniger erwarteten Erfolg doch gut erklären. Es kommen mehrere Punkte zusammen:
1. Das Spiel ist von der Regel her extrem einfach. In kürzester Zeit kann der Neuling mitspielen.
2. Trotz dieser Einfachheit ist es doch sehr variabel und stellt eine immer neue Herausforderung dar – auch für den Kenner.
3. Es ist ein perfektes Familienspiel, für alle Altersstufen ab etwa 6 Jahren. Das liegt daran, dass im Spiel das räumliche Vorstellungsvermögen gefordert ist, und darin sind Kinder den Erwachsenen nicht selten überlegen. Kinder haben also eine echte Chance gegenüber den Erwachsenen.
4. Das ständige Suchen und Finden neuer Wege entspricht der menschlichen Neugier und dem Erfolgserlebnis beim Lösen von Problemen. Darum ist auch mein Motto, nicht nur bei diesem Spiel: ‚Was ist schöner, als einen Weg zu finden, der unmöglich schien?'“

Sind die nachfolgenden Labyrinth-Spiele „Kinder des Erfolgs“ oder hatten Sie bei der Entwicklung bereits weitere Ideen (Ringe, Kartenspiel, Meister-Variante), deren Umsetzung durch den Erfolg lediglich begünstigt wurden?
Ein Stück aus der Sammlung von Max J. Kobbert: Eine gläserne Spielfigur aus Phönizien aus vorchristlicher Zeit - in zeitloser Form von Max J. Kobbert„Von Anfang an war mir bewusst, dass der Mechanismus des Schiebelabyrinths sich für verschiedene Spielregeln nutzen lässt, so wie der Würfel ein Zufallsmechanismus ist, der die vielfältigsten Spiele gestattet. Zu Beginn suchte ich zunächst nach der einfachsten Möglichkeit. Der erste Regelentwurf hieß: Gewonnen hat, wer zuerst aus dem Labyrinth herausfindet. Aber dann wäre das Spiel aus gewesen, bevor es richtig angefangen hat. Wie von selbst ergab sich die Regel, die Spielfiguren per Karten hin und her durch das Labyrinth zu schicken, und das war auch schon eine optimale Form. Aber nur eine mögliche.
Wenn ein Künstler eine neue Formidee hat, dann malt er nicht nur ein Bild, sondern entwickelt sie durch mehrere Bilder hindurch. Für den Spieleautor ist die Situation zum Teil vergleichbar, aber er muss die Bereitschaft der Spieler mit bedenken, sich auf seine Einfälle einzulassen. Der Spielemarkt ist nicht so grenzenlos wie die Welt der Ideen.
Kritiker behaupten, die nachfolgenden Labyrinthvarianten seien an den ersten Erfolg angehängt worden. Doch das ist so nicht richtig. Tatsächlich ist auf dem Markt nur ein Bruchteil der Ideen zum Labyrinth verwirklicht, die in Kopf und Schublade schlummern.
Man muss aufpassen, dass zu viele Varianten nicht den Erfolg des Ursprungsspiels in Frage stellen. Es kann passieren, dass sie sich gegenseitig ‚kannibalisieren‘.
Die Mitglieder der Labyrinth-Familie sind alle sehr bedacht in Absprache zwischen Verlag und Autor entwickelt worden, und machen jedes auf seine Weise Sinn.“

Sind weitere Labyrinth-Ableger geplant?
„Irgendetwas brodelt immer in der Alchimistenküche, und man weiß nie, ob und wann etwas Brauchbares herauskommt. Auch wenn es nicht immer der Stein der Weisen ist, den man findet – bei dem Versuch, Gold zu machen, erfanden die Alchimisten das Porzellan. Lassen wir uns also überraschen.“

Welches Ihrer Labyrinthe mögen Sie am liebsten?
„Natürlich das Erste, weil es das ursprüngliche ist. In meinem Geburtsland Ostpreußen sagte man mit bissigem Humor: Der erste Flins‘ wird meist nuscht – und meinte damit, dass die ersten Versuche oft schief gehen. Bei Das ver-rückte Labyrinth war das anders. Es war auf Anhieb so prägnant, dass es sich kaum verbessern lässt. Das ist einerseits gut, andererseits aber ein Problem für mögliche Varianten, wenn Manche dann den gleichen Grad an Neuartigkeit oder eine Verbesserung erwarten. Doch die Varianten sollen ja keine Verbesserungen sein. Sie sind vielmehr Alternativen mit je eigenen Charakteristika, so wie jedes Mitglied einer Familie seine Eigenarten hat.“

Ihre anderen Spiele sind nicht zu so bekannten Klassikern geworden. Sind Sie darüber enttäuscht? Welchem Ihrer Spiele hätten Sie einen ähnlichen Erfolg am ehesten zugetraut bzw. gewünscht?
„Ich habe seinerzeit angefangen, Spiele zu machen, weil sie eine ganz eigene Art kreativer Erfindungen mit einer gehörigen Portion Psychologie sind. Es macht Freude, wenn Ideen Wirklichkeit werden und im Kreis von Mitspielern Leben bekommen. An Verkaufserfolge habe ich ursprünglich gar nicht gedacht. Auch Bildermalen und Klavierspielen machen die meisten Menschen ja aus reiner Freude am Tun.
Wenn man dann Erfolg hat, besteht die Gefahr, dass man die Unschuld dieser Freude verliert. Mir ist es wichtig, sie zu bewahren, und so freue ich mich auch über kleine Verkaufszahlen von Spielen wie etwa Arkado, die aufwendig in der Herstellung sind und sich schlecht in Massen fertigen lassen, aber eine prägnante Idee in schöner Form realisieren.
Es gibt aber auch Spiele, für die ich mir einen größeren Erfolg gewünscht hätte. In Memo Crime und der Kinderversion Die Story vom Pferd geht es darum, verrückte Geschichten zu erfinden, was Kindern und Erwachsenen einen Riesenspaß macht. Ich halte sie für eine meiner besten Spielideen, nicht nur, weil sie das Gedächtnis trainieren, sondern weil sie bei den Spielern in unerwartetem Maße Kreativität freisetzen.“

Haben Sie unter den anderen Autoren Vorbilder oder werden Sie von Spielen/Spielmechanismen bestimmter Autoren mehr angesprochen?
Sonne und Regen entwarf Max Kobbert im Alter von acht Jahren von Max J. Kobbert„Andere Spieleautoren habe ich erst zehn Jahre nach Veröffentlichung meines ersten Spiels kennen gelernt und hatte insofern keine Vorbilder. Aber es gibt einige Kollegen, die ich besonders schätze. Hier muss ich in erster Linie Alex Randolph nennen. Seine Spiele sind nicht nur erfindungsreich, sondern sie haben auch einen unnachahmlichen poetischen Charme und schalkhaften Witz. Vor allem aber ist Alex Randolph ein Beispiel dafür, dass es möglich ist, höchste Professionalität in der Entwicklung von Spielideen mit einer ewig-kindlichen Freude am Spiel selbst und mit herzlicher Menschlichkeit zu verbinden.“

Wie sind Sie zum Spiele-Entwickeln gekommen (immerhin sind Sie ja eigentlich „echter“ Wissenschaftler)?
„Von den zwei Seelen in meiner Brust ist die des Spieleerfinders die ältere. Alle Kinder beginnen ihr Leben als Spieleerfinder, und ich habe mir etwas davon bewahrt. Vor einiger Zeit fand ich einen Spielplan wieder, den ich mit acht Jahren gezeichnet habe. Das Spiel sollte Sonne und Regen (Anmerkung der Redaktion: siehe Abbildung!) heißen, aber ich weiß leider nicht mehr, wie es ging.
Als Wissenschaftler bin ich Psychologe an einer Kunstakademie, die auch Kunsterzieher ausbildet. Zwischen Kunst und Spiel gibt es viele Berührungspunkte, von der Freiheit und der Kreativität des Schaffenden bis hin zur aktiven Rolle des Mitspielers. Kunsterziehung ist nicht zuletzt deshalb wichtig, weil es das einzige Fach ist, das das anschauliche Denken schult. Die anderen Fächer dienen hauptsächlich dem sprachlichen und dem logischen Denken.
Meine Lehrtätigkeit ist darauf gerichtet, das Verständnis für die Eigenart und die Bedeutung des anschaulichen Denkens zu vermitteln. Dass viele meiner Spiele das anschauliche Denken ansprechen, ist kein Zufall – es ist mein praktischer Beitrag zu einem Thema, mit dem ich im Hauptberuf theoretisch zu tun habe. Dass dieser praktische Beitrag mit den Labyrinthspielen weltweit viele Millionen Menschen erreicht hat, freut mich natürlich. Spielen soll in erster Linie Freude machen. Aber es kann ja nicht schaden, wenn es nebenher Fähigkeiten wie das bildhafte und räumliche Denken trainiert.“

Sie gelten als Sammler von Spielfiguren und Würfeln. Wann begann diese Leidenschaft? Wie groß ist Ihre Sammlung?
„Ich habe 1971 geheiratet, zufällig kam im gleichen Jahr der erste Vertrag mit einem Spieleverlag zustande. Erwin Glonnegger, der ehemalige Direktor des Ravensburger Spieleverlags, schenkte meiner Frau und mir zur Hochzeit seine Edition ‚Schöne alte Spiele‘. Das war der Anstoß für das Interesse daran, dass die Menschen schon seit tausenden von Jahren Regelspiele kennen und mit Leidenschaft spielen.
Nun ist das Sammeln von antikem Spielmaterial nicht so einfach wie Briefmarkensammeln, dazu ist das Material zu selten. Mit den Briefmarken hat die Sammlung aber gemein, dass die Teile meistens so klein sind, dass die ganze Sammlung auf gut zwei Quadratmetern Platz findet: gläserne Spielsteine der alten Römer und Phönizier, Astragale aus dem vorchristlichen Syrien, ägyptische Senet-Figuren aus der Zeit der Pharaonen. Pachisi-Spiele aus Indien, Figuren und Würfel, die geheimnisvoll klingeln, Figuren aus Kamelknochen und Terrakotta, die aus der Frühzeit des Schach-Spiels stammen, indische Spielkarten aus bemaltem Elfenbein. Wie sorgfältig alle Stücke in Handarbeit gemacht sind, oft aus edlen Materialien, verrät, mit welcher Hingabe sich die Menschen seit jeher dem Spiel gewidmet haben. Hier wird greifbar, dass Spiele seit jeher zu den schönsten und lebendigsten Kulturgütern gehören, die es gibt.“

Hinweis:
Dieses Interview gehört zu unserem Artikel Labyrinth – Eine verrückte Spiele-Familie.

 

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