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Autoren zahlen für ihre Verlagseinsendungen

Verena Weishaupt von Reich der Spiele

Wie Ravensburger zukünftig mit Spielevorschlägen umgeht

„Aber genau um die geht es doch gar nicht,“ wundert sich Verena Weishaupt. Die Pressesprecherin für den Bereich Spiele von Ravensburger war etwas irritiert, dass die Meldung so verzerrt bei den Autoren und in der Szene ankam. Was war geschehen? Am Tag vor dem Göttinger Spieleautorentreffen 2004 kam die Meldung von Ravensburger über den Ticker, dass der Verlag zukünftig für die Bearbeitung von unverlangt eingesendeten Spielevorschlägen eine Agentur einschaltet, die eine Gebühr von den Autoren verlangt.

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Das soll so laufen. Spielideen und Prototypen werden ab 1. Juli 2004 direkt an die von dem langjährigen Spiele-Redakteur Christian Beiersdorf geführte Agentur Pro Spiel geschickt. Diese sendet den Autoren eine kurze Info. Soll das Spiel bearbeitet werden, wird eine Gebühr von 65 Euro fällig, für Autoren aus dem Ausland ist diese höher. Damit hat der Autor jedoch zugleich das Recht auf eine ausführliche und konstruktive Stellungnahme zu seinem Spielevorschlag. Ausgenommen von der Bezahl-Regelung sind Autoren, die bereits bei Ravensburger veröffentlicht haben oder wie Verena Weishaupt sagt „in Kontakt zu uns stehen“. Wie dieser Kontakt aussehen kann, scheint (absichtlich?) so ungenau wie weit gefasst zu sein.

Ravensburger hat sich zu diesem Schritt entschlossen, weil jährlich über 1500 Spielevorschläge von ambitionierte Hobbyautoren an den Verlag geschickt werden. Kaum ein Spiel davon hat eine Chance auf Veröffentlichung. „Das liegt im Wesentlichen daran, dass die meisten Vorschläge vor allem Abwandlungen bestehender Spiele-Ideen wie Memory, Malefiz oder Pachisi sind“, erklärt Ravensburger-Redakteur Lothar Hemme. Um vielleicht doch einen in dieser Menge an Ideen versteckten Schatz zu finden, ist viel Arbeit nötig, die beträchtliche Kosten verursachen und natürlich Personal binden. Also beauftragt Ravensburger eine Agentur, von der sie sicher ist, dass sie kompetent und zuverlässig arbeitet, und lässt gegen einen Fixbetrag diese mühevolle Arbeit von Pro Spiel erledigen. Doch weil das die Kosten nicht deckt, werden auch die Autoren finanziell beteiligt.

Agentur und Verlag stehen ständig in einem engen Kontakt, sodass Pro Spiel jederzeit über die gewünschten Themen und Mechanismen von Ravensburger informiert ist. Wichtig ist für Lothar Hemme die konstruktive Kritik an die Autoren: „Die Schwächenanalyse ist für Nachwuchsautoren ein ganz wichtiger Punkt, nur so können sie ihre Ideen verbessern. Wir erhoffen uns damit eine qualitativ verbesserte und auch für die Autoren effizientere Zusammenarbeit.“

Der Aufschrei unter den Autoren in Göttingen und später in der gesamten Spieleszene war groß. Als „Abzocke“ und „Hürden für den Nachwuchs“ wurde das Konzept teils in sehr scharfem Ton bemängelt. Die wenigsten Autoren haben aber offensichtlich begriffen, dass es gar nicht um sie geht. Denn die „Redakteure von Ravensburger werden auch weiterhin auf allen Autorentreffen und Spielefesten anwesend sein, um interessante Spiele zu sichten und von den Autoren Prototypen anzufordern,“ erklärt Verena Weishaupt und ergänzt: „Dafür fällt dann selbstverständlich keine Gebühr an.“ Übertrieben könnte man sagen, es geht dem Verlag eher um Abschreckung der Hobby-Autoren, in deren Spielevorschläge kaum eigene Ideen stecken. Also, wer in Göttingen, Berlin oder auf Spielefesten und Messen seine Prototypen zeigt, muss keine Gebühr bezahlen, wenn dort die Redakteure Interesse zeigen. Auch ein direkter – wie auch immer gearteter Kontakt – zur Spieleredaktion von Ravensburger umgeht das Gebühren-Verfahren.

Die Spieleautorenzunft, in der ein großer Teil der Autoren organisiert sind, sieht dem neuen Konzept gelassen entgegen. Sie erkennt an, dass die 65 Euro nur einen Teil der Kosten für einen ausgiebigen Test decken. In einer Stellungnahme des Vorstands heißt es sogar: „Wir begrüßen, dass die Firma Ravensburger mit diesem veränderten Modus dafür sorgen will, dass auch die Autorinnen und Autoren abgelehnter Spielvorschläge konstruktive Kritik erhalten, und Ravensburger diese dadurch befähigen will, ihre abgelehnten Spiele zu verbessern. Wir erkennen an, dass Ravensburger sich auf diesem Weg bemühen will, die Professionalisierung unserer Berufsgruppe zu unterstützen.“ Ablehnung klingt anders. Allerdings fordert die Spielautorenzunft auch einen Nachweis darüber, ob das Versprechen der konstruktiven Kritik wirklich eingehalten wird. Dazu wird sie ihre Mitglieder befragen. Außerdem solle der Verlag in einem Jahr das Verfahren überprüfen und das Ergebnis öffentlich machen.

Man darf also gespannt sein, wie das neue System bei Ravensburger anläuft, ob es effektiv und für die Autoren wirklich auch bei einer Ablehnung die versprochene Hilfe sein wird.

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