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Autor Martin Schlegel mit einem Entstehungsbericht zu Darwinci

Darwinci von LudoArt

Wissenschaftshommage anatomisch versteigert

In gewisser Weise hat die Entstehungsgeschichte von Darwinci einen bei meinen Spielen typischen Ablauf: Es dauert. Das hat nichts damit zu tun, dass ich Beamter bin, sondern liegt einfach an meiner Tätigkeit als Statistiker, wo für mich gilt: Pedantisch in der Produktion, locker in der Präsentation. In jedem Produkt – ob nun Spiel oder Tabelle – steckt massig Arbeit, filigraner Fleiß.

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Die Grundidee entstand 2003. Zum Spiel gehören kleine Karten mit unterschiedlichen Informationen. Damals sah man Inseln mit verschiedenen Gebäuden, unterschiedlichen Tieren und außerdem Fahnen, die die Wertigkeit der Karten festhielten. Die Karten werden versteigert, wobei in jeder Runde so viele Karten auf den Tisch kommen, wie Personen am Tisch sitzen. Dabei bestimmen die Spieler, welche Karten versteigert werden. Ein wesentliches Element ist die Fähigkeit, für einen Mitspieler eine Karte zu ersteigern. Gern genutzt, wenn Minus-Karten im Angebot sind. Aus den ersteigerten Karten baut jeder sein Inselreich und muss dabei die Karten punktebringend in seiner Ablage platzieren, kein leichtes Unterfangen. Wer als Erster ein 3×4-Rechteck zusammengesteigert hat, hat die Partie beendet, aber noch lange nicht gewonnen.

Der Prototyp erhielt den drögen Titel Seeland und wurde später, als die Geschichte in die Südsee umzog, in Bogga-Bogga umgetauft. Bei dem Umzug kamen Enten hinzu, von denen man zu Anfang möglichst wenig, bei Spiel-Ende aber reichlich haben sollte. Diese Änderung brachte den bei den Testern geliebten „Entenschwächling“, den der Spieler mit den wenigsten Enten erhielt.

Martin Schlegel in seiner Messekostümierung zum Spiel Darwinci 2009 von Martin SchlegelWeitere Tests und Änderungen verfeinerten den Mechanismus. Der Ablauf wurde optimiert, die Spieldauer reduziert. Hier wurden neue Karten eingeführt, dort kam ein Baumeister dazu – und ging wieder. Dazwischen gab es lange Ruhephasen, denn einem Spiel – wie auch Whisky und Wein – tut es gut, eine Weile in der Ecke zu liegen.

2007 kreuzte ich mit ein paar Prototypen bei LudoArt-Chef Czarnè in Wuppertal auf. Bogga-Bogga gefiel auf Anhieb. Zur Rettung des Abends gehörte wohl, dass Frank Czarnetzki, wie er im sonstigen Leben heißt, ein sehr höflicher Mensch ist. Mechanismus, Spielablauf und Spannungsbögen sagten ihm zu, doch bei Grafik und Thema haben sich ihm die Nackenhaare gesträubt.

Also ging die Arbeit weiter. Aus Inseln wurden Fliesen. Fliesen, wie sie vor einigen Jahrhunderten von den Franzosen geliebt wurden, von Spitzen-Handwerkern hergestellte Stücke von höchster Qualität. Die von Czarnè gezeichneten Grafiken waren einfach phantastisch, doch in jeder Testgruppe fragte einer: „Bin ich denn Fliesenleger?“ Durchgefallen. Pause. Das Spiel wurde verschoben.

Nächster Anlauf. Czarnè kam mit dem Vorschlag von Knochenfunden durchs Telefon. Diese Knochen würden versteigert und damit könnte man doch gut Kreaturen legen. Skepsis auf meiner Seite, die sofort verflog, als ich die ersten Entwürfe sah. Der morbide Charme fing schnell alle Testgruppen ein. Aus bei der Nennung der Themas fragenden Gesichtern wurden Leute, die mit begeisternder Neugier die Karten in die Hand nahmen. Die Knochen, die Schmuckstücke, diese detailverliebten Karten faszinierten. Nun kamen Thema, Optik und Mechanismus an, obwohl die Tests gar nicht mit den edlen Glassteinen durchgeführt wurden und das Geld noch aus simplen Chips bestand.

Das Spiel war fertig. Fast. Denn beim Titel – Creature – gab es noch Fragezeichen. Bei der Suche nach der Lösung des Titel-Problems halfen zwei Große dieser Welt: Leonardo da Vinci und Charles Darwin.

Der italienische Maler, Bildhauer und Naturforscher Leonardo da Vinci (1452 – 1519) widmete sich sein Leben lang der Anatomie. Ein bedeutsamer Teil seiner Studien sind seine Aufzeichnungen über den Aufbau und die Funktionsweise des menschlichen Körpers. Der britische Biologe Charles Darwin (1809 – 1882) ist der Begründer der Evolutionstheorie, die er 1859 in seinem Werk „Von der Entstehung der Arten“ niederlegte. In Erinnerung an den großen Naturforscher wurde 2009 zum Darwin-Jahr erklärt.

Diesen beiden Wissenschaftlern verdanken wir Darwinci. Damit hatte dieses skurrile Versteigerungsspiel endlich seinen Namen. Ab der Essener Messe können die Spieler wertvolle Knochenfunde ersteigern und zu möglichst großen Figuren zusammenbauen. Dabei entstehen Kreaturen, bei denen Darwin seine liebe Not gehabt hätte, diese in seine Theorie einzuordnen. Ganz im Zeichen Leonardo da Vincis wird dabei anatomischer und blühender Forschergeist belohnt.

Ich weiß nicht, welche Spiele Darwin und da Vinci geliebt haben. Aber ich weiß, an Dar-winci hätten sie ihren Spaß gehabt – selbst bei einer Niederlage.

Zum Fotoalbum zum Spiel Darwinci

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