Wie Gelegenheitsspieler über Vielspieler denken
Im Grunde bedienen wir Spieler, also die sogenannten „Vielspieler“, also Freaks, ein Klischee. Früher waren wir ungewaschen, dick, langhaarig und hatten Jesuslatschen an. Heute sind wir ungewaschen, dick, kurzhaarig und tragen andere Schuhe. So ganz weltfremd ist diese Kategorisierung bei allem Spaß vielleicht noch nicht einmal.
Etwas erstaunt war ich aber, als ich vor wenigen Tagen ein ganz anderes Urteil über „uns“ hörte. Eines, das auf die inneren Werte einging und mich nachdenklich machte. Eine selbst gelegentlich spielende Bekannte sagte über Spieler: „Die sind langweilig spießig, pseudointellektuell und soziophob.“ Uff, das hat gesessen. Dann: Das kann doch nicht sein! Wir haben Spaß, spielen, suchen also Gesellschaft und brauchen ein Mindestmaß an Grips. Auf das Ergebnis meiner Nachfrage kamen mir dann aber doch Zweifel.
Gesellige Spieler – oder doch soziophob?
Spieler sind gesellig, weil sie nicht alleine spielen. Spielen sie aber auch, weil sie die Gesellschaft anderer suchen? Ist es nicht bei vielen Spielern so, dass sie zum Spielen eben jemanden brauchen und deshalb notgedrungen ihre stille Kammer verlassen, um mehr oder weniger regelmäßig in Spielerunden aufzutauchen? Sind sie vielleicht sogar deshalb so vertieft in das Spiel, damit sie sich nicht unterhalten müssen?
Spaß oder doch nicht?
Spieler sind intellektuell und spielen aus Spaß. Sind sie in Wirklichkeit aber nicht die größten Spießer? Frei nach dem Motto „ich muss nicht gewinnen, ich will Spaß“ optimieren sie, was das Zeug hält, pflegen das Dauergrübeln, ärgern sich, wenn ein Mitspieler einen guten Zug macht, der ihren eigenen beeinträchtigt und ergötzen sich am eigenen Sieg, mit dem sie auf die Mitspieler herabschauen können. Ein egozentrisches Verhalten! Und was ist mit dem Erklärbär, der entweder versucht, die Kenntnisse der Spielanleitung für sich – für ein besseres Spiel – zu nutzen, oder aber von den Mitspielern bedauernd angesehen wird, weil er den Spielablauf wieder einmal nicht richtig ‚rüberbringt? Steht das alles nicht im Gegensatz zum Begriff Spaß?
Meine Bekannte kam letztlich zu dem Schluss, dass sie bei Ihrer Meinung bleibt, da half auch kein Argumentieren. Sie pointierte: Spieler sind langweilig und haben Probleme mit anderen Menschen.
Ist das so? ist das das Bild, das wir vermitteln? Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass ich lieber wieder lange Haare tragen würde. Und Jesuslatschen.
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11 Kommentare
Dann nehme ich als langhaariger Vielspieler mich mal der Meinung dieser Bekannten an:
Langweilig: Na gut, ich selber gehöre nicht mehr zur Partygeneration, die wöchentlich auf mindestens einem dutzend Events gewesen sein muß, allerdings füllen ein sportlicher Trainingstermin und zwei (nicht identische) Spielergruppen als Hobby meinen wöchentlichen Terminplan neben Beruf und Familie ganz gut auf.
Soziophob: Wie oben sichtbar gehöre ich in meiner Freizeit schon drei nicht deckungsgleichen Gruppen an. Da die Spielabende der Gruppen öffentlich sind, finden sich auch immer wieder neue Teilnehmer, von denen viele dann immer wieder erschienen, weil eine zwanglose Atmosphäre herrscht und auch über ganz andere Themen als Spiele geredet wird.
Egozentrisch: Natürlich spielen wir auch, um zu gewinnen. Wer als Spieler etwas anders sagt, der belügt sich selbst. Und das Tüfteln und Ärgern gehört einfach dazu. Die Bemerkungen, die bei uns beim Spielen über den Tisch fliegen, um unserem ‚Ärger‘ Luft zu schaffen oder Spielzüge zu kommentieren gehören einfach dazu. Und was das Intellektuelle angeht: Aus reinem Spaß kommen auch oft reine Nobrainer wie Heckmeck am Bratwurmeck auf den Tisch und jeder freut und ärgert sich beim gedankenfreien Würfeln.
Fazit: Diese Bekannte leidet wohl unter den Vorurteilen all derer, die selten Kontakt mit Spielen haben und die wohl auch gar nicht die Zeit zum Verstehen von Spielen aufbringen wollen.
General Wotan
Welche inneren Werte hat denn die zitierte Bekannte? Borniert, oberflächlich, blond? Fragt sich nicy
Jepp, im der Beschreibung deiner Bekannten kann ich micht wiederfinden, während deine Klassifizierung als langhaarig mit Jesuslatschen mit total neu war – ich hätte hier eher die Rollenspier verortet. Eigentlich entspircht die Einschätzung deiner Bekannten auch dem Brettspielerklischee, das ich so kenne.
Natürlich spiele ich nicht mit meinen Mitspielern, weil ich gesellig bin, sondern weil sie mir als Gegner im Spiel ein Höchstmaß an Flexibiltät ins Spiel bringen – einmal absehnen von Spielstrategien, auf die ich einfach nicht gekommen wäre. Ein Grund, warum ich menschliche Spieler einer KI vorziehe. Ich will spielen und mich nicht mit Leuten unterhalten.
Langweilig ist das natürlich für jeden, der fürs Brettspiel keinen Zugang hat. Das gerade das Spiel auch emotional sehr bewegend sein kann, wirkt auf Außenstehende eher befremdlich – und das festhalten an Regeln und deren Befolgung eben auch als spießig, was ja ohnehin ein Begriff ist, den man beliebig zuweisen kann. Es gibt ja auch nicht den Spielercharakter – so manche spielt verbissen, will unbedingt gewinnen, erwartet eine gewisse Achtsamkeit im Umgang mit dem Spiel – Eigenschaften, die durchaus für Sportler oder Manager geschätzt werden, wirken beim Brettspiel, wenn man keinen Bezug dazu hat, verbissen oder eben spießig. Und natürlich verfolgt jeder sein Ziel, egoistisch eben, statt den anderen gewinnen zu lassen.
Das Spielen kein Spaß ist, wissen wir alle – es ist ein Herausforderung und das Vergnügen liegt im Bestehen der Herausforderung. Man setzt sich der Möglichkeit des Verlierens aus, man bewegt sich in einem Regelsystem, dass auch nocht andere erdacht haben, fremdbestimmt und siegorientiert Statt Party zu machen, stundenlang mit dem Mobiltelefon zu kommunizieren oder ähnlichen sinnfreien Tätigkeiten liest man lieber Spielregeln – oder spielt sogar gegen sich selbst. Das ist natürlich Langweilig.
Ich habe mich immer gewundert, wie stark das Selbstbild und die Selbstdarstellung mancher Spieler vom durchaus nicht unzutreffenden Bild der Nichtspieler abweicht. In einer Spaß und konsumorientierten Gesellschaft, die jede Form von Einschränkung verabscheut und im Belanglosen individulle Bestätigung sucht, die Kommunikation zur Selbstdarstellung zum Selbstzweck erklärt hat. tritt die Charakterisierung des Vielspielers (wobei ich die Bezeichung Hobbyspieler vorziehe), ziemlich genau.
Vielleicht liegt das an den Spieleleuten in deiner Gegend 😉
Es ist in vielen Hardcorerunden so, solange du spielen kannst, ist alles tutti. Wenn du in einer laufenden Partie einen Herzkasper bekommst, steht schon ein Stand by bereit. Einen Arzt kann man nach Spielende rufen. Es könnte so bei manchen der Eindruck entstehen, dass es nur um das spielen geht und nicht um den Menschen.
Und ja, wenn es denn so sein soll. Dann bin Ich eben für andere ein lanweiliger Typ, stock konservativ, laber wirres Zeug und kriege Durchfall wenn ich an einem Tisch mit drei Personen sitze. Macht mir nichts. 🙂
Deiner These, Spieler würden sich sozusagen prostituieren, weil sie nur aus ihrer Kammer kämen, weil sie ‚irgend einen‘ Spielpartner benötigten, möchte ich widersprechen. Ich kenne eine Spielrunde, die sich wöchentlich trifft. Viele übrigens, sicher immer zwischen 15 und 25 Leuten. Ich gehe da – wenn überhaupt – nur selten hin, weil ich die meisten Typen schlichtweg nicht mag. Sie sind mir unsympathisch und deswegen möchte ich auch nicht mit ihnen spielen.
Wenn man am Spieltisch nicht ein Mindestmaß an Charakteren findet, mit denen man sich nicht nur über Regelfragen austauschen könnte, macht auch das Spielen – mir jedenfalls – deutlich weniger Spaß.
Axel Bungart
Spiel‘ doch!! Feigling…
Was mir jetzt mehrfach aufgefallen ist: Wenn es drauf ankommt die eigenen Belange/Leute (z.B. Deutsches Spielearchiv/Spieliothek in Mannheim) bei einem Problem zu unterstützen, wird sich erst mal über Sinn und Zweck einer solchen Hilfsaktion ausgetauscht, Verständnis für die negative Maßnahmen (ist nur spielen und gespart werden muss ja) geäußert und dann vergessen.
In Duisburg soll ein städtisches Filmforum geschlossen werden. Ist nur ein Kino und gepart werden muss auch hier. Ihr glaubt nicht, wer alles diese Aktion unterstützt. Sind unsere Archive und Spieliotheken vielleicht weniger kulturell "wert" als ein Kino?
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