Die vielfältige Schönheit des Waldes spielerisch erleben
Mischwald von Kosch ist Siegertitel beim Deutschen Spielepreis 2024. Der Titel von Lookout Spiele ist für 2 – 5 Personen ab 10 Jahren geeignet und hat bereits eine enorme Fangemeinde. Irgendetwas muss also dran sein. Da es bei uns aus verschiedenen Gründen bisher durch das Rezensionsraster gefallen ist (hey, wir können nicht immer alles perfekt machen), habe ich es mir zugelegt. Nach wenigen Partien habe ich zumindest einen Ersteindruck für euch – ein Spielgefühl.
Erster Eindruck nach dem Regellesen: Echt? So einfach?
Nach dem Lesen der recht kurzen Spielregel zeichnete sich sofort ein kleines Fragezeichen auf meiner Stirn. Ich dachte: „Echt? So einfach? Das soll die Nerds so fesseln?“. Im zweiten Schritt dachte ich sofort: „Oh, ja. Doch. Aber das wird ähnlich unübersichtlich wie Race For The Galaxy.“ Fast hätte ich recht behalten. Denn es ist noch etwas vertrackter.
Verzwickte Punktwertung bei Mischwald
Das Problem bei Mischwald sind nicht die Regeln. Es ist die Punktwertung. Kurz erklärt: Im Spiel sind Bäume auszulegen und an die vier Seiten der Bäume (oben, unten, links, rechts) Tiere, Pilze, Insekten und vieles mehr. Dabei verweisen viele der Karten auf wiederum andere, sodass man schon sehr genau hinsehen muss, was am Ende wie viele Punkte bringt. Alles übrigens in der Währung des Waldes: Eicheln.
Es gibt sogar eine App, die beim Zählen helfen soll. Habe ich nicht ausprobiert. Aber die Abrechnung ist schon ganz schön fordernd. Einfach, weil es so viele Dinge gibt, die zu berücksichtigen sind.
Thema Wald: Atmen, einfach nur atmen
Der Weg dorthin ist jedoch spannend. Aber erfordert eine Lernkurve. Doch zunächst ein Wort zum Thema. Der Wald ist ein gigantischer Lebensspender. Autor Kosch hat das mit wunderbar einfachen und in der Wertung eben total verzwickten Abhängigkeiten herrlich gezeigt. Die Grundregeln: Baum oder Lebewesen legen oder zwei Karten ziehen. Bämm! So einfach und so schön kann Natur sein.
Dass der Wald zudem erstklassig in Szene gesetzt ist, kommt noch hinzu. Mischwald ist wie ein Spaziergang durch die grüne Lunge vor unserer Haustür. Einfach raus, dann rein in den Wald und genießen.
Genau so funktioniert auch das Spielgefühl: Einfach durchlaufen, die Luft einsaugen und wohlfühlen. Regeln? Einfach. Wertung? Egal, einfach machen.
Wer es wirklich genauer wissen will, studiert eben die Punkteoptionen bis ins Letzte. Aber dann bekommt der Spaziergang Längen wie bei Leuten, die nicht auf dem Weg bleiben. Sie schauen links, dann rechts, krabbeln unter Wurzel und versuchen noch eine Eiche zu erklimmen. Für alle ist der Besuch im Mischwald eine Wohltat. Ob das akribische Untersuchen besser ist? Was nutzt es denn, wenn man sich stundenlang auf die Lauer legt und am Ende kein Tier zu sehen ist?
Am Anfang sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht!
Das Spielgefühl von Mischwald ist dennoch mehrstufig. So gibt es Menschen, die keine Lust darauf haben, die verschiedenen Wertungsabhängigkeiten zu lesen und sich zu merken. Es wird eben schnell unübersichtlich abseits der Wege. Solche Leute und für alle in der ersten Partie gilt: Bei Mischwald sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht. Zumindest zuerst.
Es gibt eine klare Struktur bei Mischwald
Erst nach und nach lichtet sich der üppige Bewuchs der Überforderung und eine klare Struktur der Pflanzen- und Tierwelt wird sichtbar. Wolf nur mit Reh, Wildschwein nur mit Frischling. Pilze bringen Nachschub, Schmetterlinge sollte man sammeln, Hasen nur im Rudel, Bären horten alles in der Höhle, Holzbienen, Salamander, Fledermäuse, Bären, Vögel … Alles hat irgendwie einen nachvollziehbaren Platz im Wald und eine logische Wertung.
Die Karten sind übrigens recht fies. Während Bäume Ausgangspunkt sind, zeigen alle anderen Doppelmotive. Entweder rechts/links oder oben/unten sind die Karten geteilt. Es lässt sich aber immer nur eine der Kartenhälften an den Baum anlegen. So entsteht ein Baum mit vier Halbkarten daran. Je mehr Bäume und je besser die Halbmotive platziert sind, desto mehr Eicheln winken am Spielende.
Ein spannendes Kartenspiel, eine zu optimierende Eichelausbeute
Mein Ersteindruck: Mischwald gefällt mir sehr gut.
Aber es ist ganz schön anstrengend, alle Motive und die verschiedenen Auswirkungen beim Legen, die Wechselwirkungen beim Wertungen und die Punkte im Auge zu behalten. Doch, es macht Spaß. Wie gesagt: Mischwald ist völlig aus dem Bauch heraus spielbar. Nach und nach kommen Erfahrung und Wissen um die Eicheln dazu. Dann klappt es auch mit einer hohen Punktzahl.
Super Spiel, aber nicht für alle
Ich werde es weiter ausprobieren. So ein Wald reizt mich. Leider mögen es nicht alle. Aber ich gebe nicht auf. Denn dazu sind die Kombinationen zu schön, der Wald zu lebendig und der Ablauf zu reizvoll. Und wenn niemand mitmachen will, habe ich die Chance, die Soloregeln des Verlages zu nutzen, die dieser inzwischen auf seiner Webseite veröffentlicht hat.
Vielleicht lege ich mir dann auch eine Erweiterung zu. Mischwald: Waldrand oder Mischwald: Alpin. Es reizt mich. Deutlich mehr als bei Race For The Galaxy damals. Der lebendige Wald ist vermutlich auch gesünder als ein nahezu leerer Raum ohne Luft.