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Was macht eigentlich ein Spiele-Redakteur?

Stefan Brück mit Autor Andreas Seyfarth (l.) und Vertriebspartner Jay Tummelson von Rio Grande Games (r.) von Stefan Brück

Interview mit Stefan Brück, alea Spiele

Stefan, du bist als Spieler-Redakteur bei Ravensburger für die alea-Reihe zuständig. Was umfasst dein Aufgabenbereich?
„Im Grunde alles, was mit der Entstehung der alea-Spiele zu tun hat. Also vor allem Lektorat, Redaktion, Art Direction et cetera. Anschließend übernimmt dann Ravensburger: Produktion, Vertrieb (auch international), Presse- und Öffentlichkeitsarbeit et cetera.
Zum Lektorat zähle ich vor allem: Prototypen kriegen, Eingang bestätigen und dann, möglichst mehrfach, mit verschiedenen Gruppen und verschiedener Spieleranzahl, testen. Und dann, meistens, wieder zurückschicken. Das mache ich 99 Mal, bevor ein Mal Folgendes passiert: Prototypen kriegen, testen, noch einmal testen, noch ‚mal testen, für gut befinden, Vertrag machen – und jetzt kommt der Schritt zur Redaktion und zur Art Direction: Welt bestimmen, Titel recherchieren und festlegen, Grafiker/Illustrator suchen und briefen, mehrmals kalkulieren lassen, Texte erstellen, immer wieder Grafiken und Illustrationen für gut oder noch nicht gut genug befinden, Spielregeln schreiben, und noch mal schreiben, und noch mal … und vieles andere mehr.  Und zwischen alldem noch ganz viel testen und tunen und tunen und testen, idealerweise mit dem Autor zusammen.“

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Fifth Avenue von Wilko Manz von Reich der SpieleGlaubst du, dass die Arbeit eines Spiele-Redakteur aus einem guten Spiel erst ein richtig gutes Spiel macht?
„In den meisten Fällen ja. Der Redakteur geht unbelastet und objektiv an das Spiel heran; etwas, was dem Autor verständlicherweise schwer fällt. Dadurch spürt der Redakteur, zusammen mit seinen ja ebenfalls unbelasteten Testern, schneller die Fehler im System, die Ecken und Kanten, die es noch zu glätten, die Stolpersteine, die es noch zu entfernen gilt. Dies findet dann idealerweise, zumindest bei alea, in regem Austausch mit den Autoren statt. Und je kreativer und flexibler sie sind und je besser sie manchmal auch Liebgewonnenes ‚loslassen‘ können, desto besser wird im Allgemeinen das Produkt. Weder Puerto Rico noch Die Fürsten von Florenz oder Die Händler von Genua, um nur einige herauszugreifen, waren am Anfang das, als was sie nun im Regal stehen!“

Welche Rolle spielt deiner Meinung nach eine gute Spielanleitung für den Erfolg eines Spieles?
„Nun, für den Erfolg in der breiten Masse halte ich dies für unerlässlich! Bei der Kern-Zielgruppe von alea ist’s aber sicher etwas anders, was man beispielsweise an dem Erfolg von Sankt Petersburg sieht, dessen (erste) Regel ja wirklich kein Ruhmesblatt für Hans im Glück darstellt. Das Spiel wurde aber trotzdem zum Spiel des Jahres nominiert und gewann just den Deutschen Spiele Preis. Bei der Jury Spiel des Jahres oder den Wählern zum Deutschen Spiele Preis spielte die Qualität der Regel also offensichtlich keine ausschlaggebende Rolle. Aber ‚draußen‘, also in der normalen Welt, außerhalb unseres ‚Freak-Kosmos‘, leistet eine umständlich oder lückenhaft geschriebene Regel dem Spiel sicher einen Bärendienst, kommt es so möglicherweise doch nie dazu, dass das Spiel ordentlich, also ‚im Sinne des Erfinders‘, gespielt wird, wenn überhaupt …
Da auch alea letztlich möglichst viele Menschen mit seinen Spielen ansprechen möchte, versuchen wir, die Regeln so ausführlich wie nötig und so prägnant wie möglich zu schreiben, um so beiden Seiten gerecht zu werden. Und das scheint uns soweit auch ganz gut zu gelingen, haben wir doch noch keine einzige unserer bislang 14 Regeln ändern müssen. Dass wir innerhalb der letzten fünf Jahre bereits drei Mal die Goldene Feder der Stadt Essen für die vorbildliche Spielanleitung gewonnen haben, mag als ein weiteres Indiz für die Qualität dienen.“

Puerto Rico von Andreas Seyfarth von RavensburgerBist du trotz der Erfolge beim Deutschen Spiele Preis sehr enttäuscht, dass noch kein Spiel von alea Spiel des Jahres wurde?
„Im Grunde wäre ich nur enttäuscht, wenn alea beim Deutschen Spiele Preis noch keinen Erfolg gehabt hätte. Aber dem ist ja ganz und gar nicht so … Denn das ist – neben dem International Gamers Award – die Auszeichnung, die sozusagen direkt von der Kern-Zielgruppe von alea verliehen wird. Hätten wir hier keinen Erfolg, würde dies bedeuten, dass wir unsere Arbeit falsch machen oder zumindest falsch verstanden haben.
Nichtsdestotrotz wäre, aus wirtschaftlicher Sicht, natürlich ein Spiel des Jahres schon ‚recht hilfreich‘ für den Fortbestand der Marke alea, denn die Situation, sprich die Absatzzahlen, verschlechtern sich leider jedes Jahr ein bisschen mehr. Aber vielleicht gelingt es uns ja eines Tages doch noch …“

Kannst du als Redakteur eine Ursache für die sinkenden Absatzzahlen ausmachen?
„Schwer zu sagen. Das ist ja der allgemeine Trend bei Familien- und Erwachsenenspielen und kein besonderes alea-Problem. Es ist wohl schon die sich ständig verändernde Gesellschaft. Fernsehen, Internet und die vielen anderen Freizeitangebote rauben den Menschen immer mehr die Zeit – und die Lust? – zum Spielen …“

Was bedeutet das für eine kleine Marke wie alea, wenn die Zahlen auch in den nächsten drei, vier Jahren nicht gehalten werden können? Weniger Spiele? Wird alea vielleicht sogar als Marke aus der Spielewelt verschwinden?
„Na ja, noch viel weniger Spiele als zwei pro Jahr kann man ja kaum noch machen. Was diese Entwicklung konkret für alea bedeutet, wird sich in den nächsten Jahren herausstellen. Solange es ab und und an Ausreißer nach oben, wie Puerto Rico, gibt, haben wir aber noch Hoffnung, die Marke endgültig am Markt etablieren zu können. Aber es bleibt eine große Herausforderung …“

In Essen stellst du regelmäßig Prototypen vor, die im folgenden Frühjahr veröffentlicht werden. Auf welches Spiel können sich die Besucherinnen und Besucher dieses Mal freuen?
„Diesmal werden wir das bereits zweite Spiel von Rüdiger Dorn im alea-Programm präsentieren, namens Louis XIV. Es ist ein Spiel um Macht und Einflussnahme am französischen Hof des Sonnenkönigs. Die zwei bis vier Spieler haben zirka 90 Minuten beste Unterhaltung und höchste (An-) Spannung; der Spielausgang bleibt bis zum Ende offen. Ein Spiel also in bester alea-Tradition, das wohl eine fünf auf unserer Anspruchsskala erhalten wird.“

Webseite von alea

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