Das Spiel, das in Massen vorkommt
- Sudoku – das Brettspiel (Ravensburger) – Aufwärmübung für das Ausfüllen von Lottoscheinen
- Joachim Zischke: Eulers Zerwürfnis (Terra Authentica) – Edles Material, authentische Umsetzung, jedoch Regelupdate erforderlich
- Reiner Knizia: Sudoku – das Brettspiel (Kosmos) – Von diesem Autor sind wir Besseres gewohnt
- DVD Boardgame Sudoku (Piatnik) – Stress mit DVD-Unterstützung
- Sudoku – das Spiel (Winning Moves) – Wo Spiel draufsteht, sollte auch Spiel drin sein
- Jeff Widderich: Su.dok.tive (Cardchess) – Momentan noch mehr verwirrend als verführerisch
- Phil Balmforth: Sudoku Dice (Hanzo Games) – „Wo sind denn da die Würfel?“ – „Hier! Und Aktionskarten gibt es auch.“
- Leo Colovini, Dario de Toffoli, Dario Zaccariotto: Challenge Sudoku (Clementoni) – Ein gutes Spiel des italienischen Autoren-Trios
- Code Sudoku (Jumbo) – Sehr praktisches Material – doch das Spiel ist nur Beiwerk
- Einordnung – Sudoku – das Spiel, das in Massen vorkommt
„Die Zahl, die alleine steht“ – ist die etwas holprige aber geläufige Übersetzung des japanischen Titels ‚Sudoku’. Hierzulande wäre ‚Das Spiel, das in Massen vorkommt’ eine treffendere Bezeichnung. Etwa ein Dutzend Sudoku-Spiele sind bisher erschienen, oftmals Schnellschüsse, denen mehr oder weniger anzusehen ist, dass das populäre Rätsel mit brachialer Gewalt in die äußere Form eines Spieles gepresst wurde.
Es scheint, Prokrustes sei auferstanden und beliefere als Spieleautor diverse Spieleverlage mit seinen Kreationen. Im Winter 2005/2006 erschienen eine ganze Reihe von Spielen zum Thema Sudoku. In unserem Artikel nimmt Günter Cornett sich neun dieser Mehrspieler-Kreationen der Solitär-Knobelei kritisch vor und ordnet sie vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen in der Spieleszene ein. |
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Sudoku – das Brettspiel (Ravensburger)
Aufwärmübung für das Ausfüllen von Lottoscheinen
Das Ravensburger Sudoku enthält einen abwischbaren Spielplan, 60 Aufgabenkarten, fünf Faserschreiber und eine Sanduhr. Damit eignet es sich schon einmal gut, um auch Sudokus aus anderen Quellen solitär lösen zu können. Stellt man einen Fehler fest, so wischt man einfach die falschen Zahlen weg und macht weiter. Aber gutes Material ellein macht noch kein Spiel.
Ein wichtiges Element, um aus der Denksportaufgabe ein kurzweiliges Spielchen zu machen, ist die beiliegende Sanduhr. Langes Nachdenken ist anstrengend und öde. Ein wenig Zeitdruck sorgt daher für Ligretto-Feeling. Bei einer vorgegebenen Bedenkzeit von 30 Sekunden verzichtet der Spiele-Marktführer Ravensburger darauf, dass alle Zahlen korrekt eingetragen werden müssen. Eine Zahl gilt als richtig eingetragen, wenn sie in Reihe, Spalte und Quadrat nur einmal vorkommt. Ob das Sudoku dadurch unlösbar wird, ist nicht von Belang. Das Ravensburger Sudoku hat mit dem Rätsel Sudoku deshalb nur wenig zu tun. Es geht nur allein, eine Zahl in ein Kästchen zu schreiben, die in keinem von 24 anderen Kästchen steht.
Eine echte Farce ist jedoch die Punktwertung: Da jeder Spieler seine Zahlen mit einem Stift eigener Farbe einträgt, kann man sie bei Spielende den Spielern zuordnen: Für eine eins gibt es einen Punkt, für eine zwei zwei Punkte und so weiter. Logischerweise trägt man die Zahlen beginnend mit der neun absteigend ein. Klar, dass der Startspieler dabei im Vorteil ist. Ein Startspieler, der nicht gewinnt, ist ein echter Dummkopf. Daher empfiehlt die Regel auch, mehrere Partien mit wechselndem Startspieler zu spielen und die Ergebnisse zu addieren. Zwei Faktoren sind es, die dann über Sieg und Niederlage entscheiden: Tomaten auf den Augen und der jeweilige Zeitpunkt, an dem eine Zahl nicht mehr eingetragen werden kann und die nächst niedrigere genommen werden muss. Letzteres ist theoretisch durch taktische Überlegung beeinflussbar, jedoch kaum innerhalb von 30 Sekunden.
Die angebotene Variante für Fortgeschrittene ist mehr zum Fortlaufen: Hier darf jeder so viele Zahlen eintragen, wie er in 30 Sekunden schafft. Das heißt, zu Beginn, wenn noch alle hohen Zahlen verfügbar sind, hängt der Spielerfolg von Übersicht und Feinmotorik ab. Gegen Ende, wenn die Sucherei etwas anspruchsvoller wird und man nur noch niedrige Zahlen eintragen kann, darf man dagegen seinen Grips vergeblich anstrengen, um noch etwas zu reißen. Welch (Ent-) Spannungsbogen!
Da die Spielanleitung auch die richtigen Sudoku-Regeln beinhaltet, besteht glücklicherweise die Chance, dass man sie irrtümlich mit den Spielregeln verknüpft und nur das Eintragen von Zahlen zulässt, die am Ende ein komplett gelöstes Sudoku ergeben. Auch hier ist der Startspieler im Vorteil, jedoch nur leicht. Es ist nicht mehr möglich, gleich zu Beginn alle hohen Zahlen zu verbraten. Man muss nachdenken: Trage ich nun niedrigere Zahlen ein oder denke ich doch etwas stärker über Achten und Neunen nach? Egal, was schreibe ich hier eigentlich! Dieses Spiel gibt es doch gar nicht!
Die verlagseigene Denkspielreihe Think muss verdammt schlecht gelaufen sein, wenn Ravensburger seinen Sudoku-interessierten Kunden (ab 14 Jahren!) nicht einmal ein Minimum an Denkfähigkeit zutraut. Das Ravensburger Sudoku ist vor allem Leuten zu empfehlen, die nach einer Aufwärmübung für das Ausfüllen von Lottoscheinen suchen.
Joachim Zischke: Eulers Zerwürfnis (Terra Authentica)
Edles Material, authentische Umsetzung, jedoch Regelupdate erforderlich
Mehr Gedanken über eine sinnvolle Punktwertung hat sich Joachim Zischke gemacht. Die Sudoku-Spielsteine für sein edles (und daher auch teures) Teatro-Spielbrett sind beidseitig mit Zahlen bedruckt, jede Seite in einer der beiden Spielerfarben. Jeder Spieler verfügt über einen Vorrat von jeweils vier Spielsteinen, die restlichen Steine befinden sich in einem Beutel. Wer am Zug ist, setzt zwei Steine regelkonform auf das Teatro-Spielbrett und zieht zwei Steine aus dem Beutel nach. Regelkonform heißt auch hier: Das Sudoku muss nicht aufgehen. Jedoch bietet die Wertungsregel Raum für taktische Überlegungen.
Die Spieler kämpfen um die Mehrheit an abgelegten Spielsteinen in den neun aus drei mal drei Felder bestehenden Gebieten. Jede Mehrheit bringt bei Spielende zehn Punkte. Zusätzlich gibt es Punkte für Reihen aus drei, vier oder fünf aufeinander folgenden Zahlen: zwei Punkte für ein „Trip“, fünf Punkte für ein „Quad“ und zehn Punkte für ein „Quin“. Diese Punktwertung halte ich für unausgewogen, da es mir viel leichter erscheint, ein Gebiet zu erobern, als ein „Quad“ oder gar „Quin“ zu legen.
Das Legen eines Spielsteins hat somit mehrere Auswirkungen: Ich beeinflusse die Mehrheit in dem Gebiet, in dem er liegt, schränke aber auch die Legemöglichkeiten in vier anderen Gebieten ein. Zudem bauen ich an Zahlenreihen und blockiere die meines Mitspielers. Diese Fernwirkung bringt schon echtes Sudoku-Feeling ins Spiel. Einzelne Zahlen zu blockieren, und damit das Sudoku am Ende nicht aufgehen zu lassen, geschieht nicht zufällig, sondern ist in Eulers Zerwürfnis Teil taktischer Überlegungen. Dieses Spiel wirkt deshalb nicht aufgesetzt.
Leider schweigt sich die Anleitung darüber aus, ob man die Spielsteine des Mitspielers sehen darf. Und folgende Situation dürfte bei den Testspielen des Autors wohl immer nur gegen Spielende aufgetreten sein: „Kann ein Spieler in einem Spielzug keine Steine ablegen, muss er keine zusätzlichen Steine aufnehmen. Er sagt ‚Prorsum’ (Vorwärts!) und sein Gegenspieler ist an der Reihe.“ Mit anderen Worten: Hat ein Spieler einmal Pech beim Nachziehen, ist er raus. Er kann bis zum Ende der Partie nur noch ‚Prorsum’ sagen und zuschauen, wie sein Mitspieler zum Alleinspieler wird. Das kann der Autor nicht gemeint haben. Als Spieler kommt man bei einem so offenkundigen Fehler jedoch von selbst darauf, dass man sich über die Spielregel hinwegsetzen und die Steine austauschen muss.
Deswegen und wegen der unausgeglichenen Punktwertung warte ich lieber auf ein Regelupdate, bevor ich Eulers Zerwürfnis für gut betuchte Sudoku-Freunde empfehlen kann. Prorsum, lieber Joachim!
[Anmerkung der Redaktion:
Joachim Zischke von Terra Authentica hat inzwischen auf die Kritik reagiert! Die Prorsum-Regel ist verschwunden, die Punktwertung geändert: Trip, Quad und Quin sind nun gegenüber der Gebietsmehrheit aufgewertet. Günter Cornett ist skeptisch, ob diese Veränderung ausreicht, da es ein Quin weiterhin zu leicht zu verhindern ist.]
Reiner Knizia: Sudoku – das Brettspiel (Kosmos)
Von diesem Autor sind wir Besseres gewohnt
Sudoku – das Brettspiel von Kosmos. Auch das Kosmos-Sudoku muss am Ende nicht komplett gelöst sein. 72 Zahlenkärtchen liegen verdeckt neben dem Spielplan, neun Kärtchen sind bereits ausgelegt. Jeder Spieler zieht ein Kärtchen. Wer am Zug ist, legt sein Kärtchen auf den Spielplan und zieht ein neues nach. Dieses Spiel zeichnet sich vor allem durch eine besondere Punktwertung aus: Jedes gelegte Kärtchen bringt einen Punkt pro bereits im selben Block, in der selben Reihe und in der selben Spalte liegendem Kärtchen. Das ist alles. Wer bis 20 zählen kann und ein glückliches Händchen beim Kartenziehen hat, ist klar im Vorteil.
Wegen der Altersempfehlung (ab zehn Jahre) habe ich die zweiseitige Spielanleitung mehrfach gedreht, gewendet, gegen das Licht gehalten, um irgendwo den besonderen Pfiff zu entdecken. Gefunden habe ich lediglich eine vereinfachte Version für Kinder, sechs mal sechs Felder mit Tierkärtchen statt Zahlen. Das Material sieht nett aus und schreit danach, Spiel zu werden.
DVD Boardgame Sudoku (Piatnik)
Stress mit DVD-Unterstützung
DVD Boardgame Sudoku von Piatnik. Sudoku mit DVD-Unterstützung – das ist modern. Auf der DVD befinden sich Aufgaben, leicht, mittelschwer und schwer, sowie eine Stoppuhr, um die Zeitkonten der Spieler zu verwalten. Wer am wenigsten Zeit für seine Spielzüge benötigt, gewinnt. Die Spielanleitung enthält eine Anweisung für die Fernbedienung – zu dumm, wenn man keinen DVD-Player zur Verfügung hat, sondern am Notebook spielt. Eine Übersicht über die nötigen Tastaturbefehle wäre wirklich hilfreich gewesen.
Eine funktionierende Zeitkontoverwaltung ist an sich eine feine Sache, auch für andere Spiele, bei denen mancher Mitspieler den Spielfluss durch extrem lange Denkzeit zum Erliegen bringt. Die DVD ermöglicht das Einfügen von 30 Strafsekunden zur Korrektur fehlerhafter Spielzüge und fünf Strafminuten beim völligen Passen. Das ist nicht gerade flexibel, allerdings für das DVD Boardgame Sudoku ausreichend. Nicht immer ausreichend ist der Anzeigebereich der digitalen Stoppuhr. Die Regel sieht vor, alle 30 Minuten eine Spielmarke zu nehmen, um festzuhalten, dass die Uhr ihren Anzeigebereich einmal durchlaufen hat. Hallo? Handelt es sich hierbei etwa um eine Reminiszenz an die Carcassonne-Punkteleiste? Wollte man zusätzliche haptische Elemente ins Spiel bringen oder die Spieler daran erinnern, dass es langsam Zeit wird, zum Ende zu kommen? Meinem Verständnis nach sollte die Uhr die Spieler unterstützen, nicht umgekehrt.
DVD Boardgame Sudoku ist nicht wirklich ein Spiel sondern ein Wetträtsel. Zwei Varianten werden angeboten: Beim „Logikspiel“ steht am Ende ein korrekt gelöstes Sudoku, beim „Zeitspiel“ braucht es am Ende nicht aufzugehen. In beiden Fällen gewinnt der Spieler, der am wenigsten Zeit benötigt hat.
Der Zeitfaktor bringt Stress vor allem ins „Logikspiel“. Anstatt sich entspannt in das Rätsel hineinzudenken und Zusammenhänge zu erkunden, muss man schnell sein. Die Spielzüge der Mitspieler ändern die Situation immer wieder, sodass man sich ständig auf eine neue Situation einstellen muss. Wer es mag, zehn Mal beim Lesen eines Zeitungsartikels unterbrochen zu werden, wird auch daran Gefallen finden.
Ein klarer Nachteil dieses Zeitspiels ist, dass sich oftmals schon recht früh abzeichnet, wer gewinnt oder verliert. Das kann ganz schön frustrierend sein. Mitunter führt es aber auch dazu, dass die schnelleren Spieler den langsameren Tipps geben. Stoppuhr und Spielsieg verlieren an Bedeutung. Sudoku wird (ungewollt) zum kooperativen Spiel. Hierfür sind das Rätsel und die großen Spielbretter der verschiedenen Hersteller hervorragend geeignet. Leider scheint das niemandem aufgefallen zu sein.
Sudoku – das Spiel (Winning Moves)
Wo Spiel draufsteht, sollte auch Spiel drin sein
Das Spiel gegen die Zeit bestimmt auch die Ausgabe von Winning Moves. 100 Blätter mit Sudoku-Aufgaben in vierfacher Ausfertigung, eine Sanduhr und 4 Bleistifte finden sich in der kompakten Schachtel. Jeder der bis zu vier Spieler löst das gleiche Rätsel auf einem eigenen Blatt. Der spielerische Gehalt ist mager, aber wer gerne um die Wette rätselt, wird gut bedient. Er könnte sich aber genauso gut mehrere identische Sudoku-Hefte kaufen.
Ein paar Worte noch zur Spielanleitung: Wo Redaktionen sich sonst um kurze verständliche Anleitungen bemühen, hat man hier die Spielanleitung im offensichtlichen Bemühen nicht vorhandene Substanz vorzutäuschen auf eine Spielesammlung mit „fünf Spielmöglichkeiten“ künstlich aufgebläht: „Bureen – harte Nuss“ (ein Spieler spielt auf Zeit aber ohne vorgegebenes Zeitlimit), „Tokei – gegen die Uhr“ (ein Spieler spielt auf Zeit mit vorgegebenem Zeitlimit), „Ichiban – als erster fertig“ (zwei bis vier Spieler spielen auf Zeit, aber ohne vorgegebenes Zeitlimit), „Taimu – gegen die Uhr“ (zwei bis vier Spieler spielen auf Zeit mit vorgegebenem Zeitlimit. Wer bei diesen vier Varianten nach Ablauf der Zeit am meisten Zahlen richtig eingetragen hat, gewinnt. Da die Sanduhr nur einen Zeitraum von einer Minute anzeigen kann, sieht die Spielanleitung vor, dass sie nur zur Anzeige der letzten Spielminute verwendet wird. Für die restliche Zeit nimmt man eine andere Uhr …
Bei der fünften Variante, Hinto – Tipps geben wird es versuchsweise innovativ: Man kann die Lösung für die erste oder letzte Reihe oder für die vier Ecken nachschlagen und erhält dafür neun beziehungsweise vier Punkte abgezogen. Was als Hilfe für weniger geübte Spieler gedacht ist, wird für den auf Sieg spielenden Sudoku-Samurai von Anfang an zur Pflicht. Denn der geringe Punktabzug steht bei den schweren Aufgaben in keinem vernünftigen Verhältnis zum Nutzen. Schließlich erhält man nicht nur neun Zahlen sondern vor allem wertvolle Hilfe für die Lösung der gesamten Aufgabe. Anstatt Hinto zu spielen, kann man sich daher genauso gut gleich für eine leichtere Aufgabe entscheiden.
Auch diese Spielanleitung bleibt trotz gegenteiligen Bemühens gut verständlich, trägt aber eindeutig die Handschrift der eingangs erwähnten griechischen Sagenfigur.
Jeff Widderich: Su.dok.tive (Cardchess)
Momentan noch mehr verwirrend als verführerisch
Der Kanadier Jeff Widderich ist Insidern bekannt für seine meist sehr ansprechenden mitunter auch etwas eigenwilligen Spiele-Kreationen. Sein rundum gelungenes 3D-Wortspiel Kreuzwort-Pyramiden lässt den Klassiker Scrabble nicht nur optisch recht flach aussehen.
Daher war ich sehr gespannt auf sein in der Vorschau zur Spiel ’05 auf der Webseite des Fachmagazins Spielbox angekündigtes, aber dann doch nicht veröffentlichtes Su.dok.tive. Ich ließ mir von ihm Regeln und Grafiken mailen und bastelte mir meine eigene Version. Schnell wurde mir klar, weshalb er den Erscheinungstermin verschoben hatte. Die unübersichtliche Grafik beanspruchte zu viel Konzentration, um die taktischen Möglichkeiten wirklich auszuschöpfen.
Ein Satz Sudoku-Plättchen besteht aus neun verschiedenen Symbolen. Jeder Spieler verfügt über fünf Sätze in seiner Farbe. Beim Legen gelten die weichen Sudoku-Regeln: Das gelegte Symbol darf in keiner Reihe, Spalte oder eines Gebietes vorkommen; das Sudoku braucht aber am Ende nicht aufzugehen. Beim Vervollständigen einer Reihe, Spalte oder eines Gebietes darf auch ein Symbol gelegt werden, das bereits in einer unvollständigen Reihe, Spalte oder Gebiet vorkommt. Diese „Zwillinge“ werden dann geschlagen und dem Spieler zurückgegeben.
Für das Vervollständigen einer Reihe, Spalte oder eines drei mal drei großen Gebietes erhält ein Spieler einen Punkt, für die Mehrheit in einem solchen vollständigem Gebiet zwei Punkte. Diese Wertung führt zu einer für mein Empfinden etwas zu lang dauernden Einführungsphase. Spannend wird es erst im Endspiel, wenn das letzte Drittel des Spielbrettes belegt wird. Zeitlich beansprucht dieses Endspiel jedoch locker zwei Drittel der Spielzeit.
Das Schlagen von Spielsteinen ist ungewöhnlich für ein Sudoku. Es bringt nicht nur interessante taktische Möglichkeiten sondern bewirkt auch eine weitgehende Selbstheilung des Sudoku-Rätsels. In den meisten Fällen bleiben am Ende aber dennoch einige Felder frei.
Durch das Schlagen kommt es immer wieder vor, dass Symbole, für die es zuvor keinen Platz gab, doch noch gelegt werden können und mitunter wertvolle Punkte bringen. Das erfordert eine ständige Übersicht, die bei Widderichs Su.dok.tive keinesfalls gegeben ist. Es lohnt sich daher, auf die überarbeitete Ausgabe zu warten.
Phil Balmforth: Sudoku Dice (Hanzo Games)
„Wo sind denn da die Würfel?“ – „Hier! Und Aktionskarten gibt es auch.“
Wer bei den bisherigen Sudokus die in vielen Spielen obligaten Würfel vermisst, sollte sich Sudoku Dice näher anschauen. Außer einem Sudoku-Brett und Kärtchen mit den Zahlen von eins bis neun befinden sich vier zehnseitige Würfel und ein paar Aktionskarten in der Schachtel. Wer am Zug ist, zieht eine Aktionskarte und würfelt. Drei der vier erwürfelten Zahlen werden auf das Raster gelegt. Nullen sind Joker. Das Füllen einer Reihe, Spalte oder eines Blocks bringt dem Spieler drei, vier oder fünf Punkte. In der Grundversion entscheiden vor allem die Würfel, wem diese ehrenvolle und punktebringende Aufgabe zufällt. Leider reduziert sich das Bestreben der Spieler bei einer solchen Punktwertung vor allem darauf, den Mitspielern keine Vorlage zu liefern. Das ist schade, denn der Einsatz der Würfel sorgt durchaus für Spiel-Vergnügen.
Die Aktionskarten erlauben das Einsetzen zusätzlicher Zahlen, nochmaliges Würfeln, das Vertauschen zweier Kärtchen auf dem Spielplan … oder aber bewirken, dass ein Spieler seinen kompletten Zug verliert. Letzteres ist schon etwas unbefriedigend. Ansonsten fügen sich die Karten ganz gut ins Spiel ein.
Die Regeln für Fortgeschrittene belegen den Spieler mit einer Strafe von zwei Punkten, dessen Spielzug dazu führt, dass eine Zahl nicht mehr regelgerecht abgelegt werden kann. Die Punkte erhält der Spieler, der den aktiven Spieler hierauf hinweist. Diese Strafregel führt dazu, dass auch beim Spiel mit voller Besetzung (sechs Spieler) jeder die Chance hat, unabhängig von Würfelglück und Sitzposition Punkte zu machen. Zudem achten alle ständig darauf, welche Auswirkungen ein Spielzug auf die Lösbarkeit des Sudokus hat.
Der Autor Phil Balmforth ist ehemaliger Lehrer und hat neben Sudoku Dice ein weiteres Spiel im Programm seines 2005 gegründeten Eigenverlages Hanzo Games. Phil Balmforth hat sich mehr Gedanken über den Einsatz spielerischer Elemente gemacht als die meisten der etablierten Verlage. Sudoko Dice ist zwar nicht wirklich spannend, aber dafür ein wenig verspielter als die eher trocken wirkenden „klassischen“ Sudoku-Spiele.
Leo Colovini, Dario de Toffoli, Dario Zaccariotto: Challenge Sudoku (Clementoni)
Ein gutes Spiel des italienischen Autoren-Trios
Challenge Sudoku von ClementoniDass Sudoku und Familienspiel keine unvereinbaren Gegensätze sein müssen, demonstrieren uns drei italienische Autoren: Leo Colovini und Dario de Toffoli sind ein eingespieltes Autorenteam mit einem Dutzend Spieleveröffentlichungen. Zusammen mit Dario Zaccariotto haben sie Challenge Sudoku entwickelt.
Die 81 Zahlenkarten werden bei Spielbeginn verdeckt auf das Sudoku-Raster des Spielplans gelegt. Wer am Zug ist, deckt eine Karte auf. Kommt diese Zahl kein zweites Mal in derselben Reihe, Spalte oder demselben Block vor, so bleibt die Karte dort liegen und der Spieler erhält einen Punkt für jede in derselben Reihe, Spalte und Block liegende Karte. Je mehr Karten bereits aufgedeckt sind, desto mehr Punkte kann man erzielen, desto wahrscheinlicher ist es aber auch, dass eine Karte nicht passt. Dann nimmt der Spieler die Karte an sich. In späteren Zügen hat er die Möglichkeit, diese auf einen passenden freien Platz zu legen und dafür bis zu 20 Sonderpunkte zu kassieren.
Im Normalfall erhält man für eine abgelegte Karte zehn Punkte abzüglich der Anzahl der Karten, die man noch auf der Hand hat. Man ist also bestrebt, seine Handkarten schnell wieder loszuwerden. Zehn Extrapunkte gibt es jedoch, wenn man an einer Stelle die einzige mögliche Zahl legt oder für eine Zahl die einzige noch mögliche Position findet. Beispiele: Ich lege die drei auf Feld X, weil andere Zahlen dort nicht mehr gelegt werden können. Ich lege die sieben auf Feld Y, weil die sieben nicht mehr woanders abgelegt werden kann.
Das Finden von einzig möglichen Positionen oder Zahlen ist nur bedingt dem Zufall überlassen. Gezielt kann insbesondere der sudoku-erfahrene Spieler bestimmte Felder öffnen, um seine Handkarten ablegen zu können oder gar die Sonderpunkte zu kassieren. Gleichzeitig ist man bestrebt, den Mitspielern ebensolches zu verwehren. Interaktion und Taktik, Sudoku und Spiel vereinen sich zu einem gar nicht so kopflastigen Familienspiel.
Für die Spieler, die sich intensiver für Sudoku interessieren, gibt es zudem eine zweiseitige Anleitung mit Lösungsstrategien, die in aller Kürze und gut verständlich auch fortgeschrittene Techniken des Sudoku-Lösens erklärt. Unterstützt wird die intensive Beschäftigung mit dem Sudoku-Rätsel durch 300 Mini-Kärtchen, die in die einzelnen Felder des Spielplans gelegt werden können, um die dort noch möglichen Zahlen anzuzeigen.
Code Sudoku (Jumbo)
Sehr praktisches Material – doch das Spiel ist nur Beiwerk
Code Sudoku von JumboCode Sudoku fällt durch besonders durchdachtes Material auf: Unter das praktische Plastik-Brett wird einer der 48 Aufgabenzettel gelegt. So erspart man sich das bei anderen Sudoku-Spielen unvermeidliche Eintragen von Aufgaben – natürlich nur, sofern man nicht die Blanko-Vorlage nutzt, mit deren Hilfe man weitere Rätsel aus Büchern übertragen kann.
Zudem enthält jedes der 81 Felder neun kleine Zahlen, die man auf dem Plastikbrett mit einem wasserlöslichen Stift ausstreichen kann, um die auf diesem Feld noch möglichen Zahlen hervorzuheben. Das ist noch um einiges eleganter gelöst als im Challenge Sudoku. Wie dieses enthält auch das Code Sudoku eine kurze und gut verständliche Anleitung zum Lösen von Sudoku-Rätseln – trotz eines Sinn entstellenden aber doch offensichtlichen Druckfehlers (Seite 5 unten: ‚9i’ und ‚9c’ vertauscht). Soweit ist Code Sudoku wirklich sehr schön gemacht.
Im krassen Gegensatz dazu steht die undurchdachte Regel des Spiels. Sie befindet sich auf der letzten Seite der Anleitung und ist ganz offensichtlich nur unwesentliches Beiwerk: In einem vorgegebenem Zeitlimit von einer Minute versucht der aktive Spieler so viele Plättchen abzulegen, wie möglich. Dann ist der nächste Spieler an der Reihe. Für jedes abgelegte Plättchen erhält der Spieler einen Punkt. Einen Bonus von zwei Punkten gibt es widersinniger Weise für die leichteste Übung: Das Vervollständigen einer Reihe, Spalte oder drei mal drei Felder großen Box. Da wäre es nur konsequent, auch noch denjenigen Spieler zu belohnen, der die von ihm gerade gelegte Zahl richtig benennen kann …
Einordnung
Sudoku – das Spiel, das in Massen vorkommt
Bei aller Kritik – Sudoku scheint sich glänzend zu verkaufen. Kosmos vermeldet 50.000 verkaufte Spiele nur in den ersten zwei Monaten. Ist es das – wie eine Marke fungierende aber nicht schützbare – magische Wort „Sudoku“, das die Leute zum Blindkauf verführt? Müssen sich die Käufer nicht verhohnepiepelt vorkommen, wenn sie ein Spiel erwarten und nur Material zum Rätseln vorfinden? Erwarten sie überhaupt ein Spiel? Oder gerade Material zum Rätseln?
Letzteres trifft wohl auf einen Großteil der Käufer zu. Sudoku wird häufig von Lehrern nachgefragt, die es in der Schule einsetzen. Bei diesen und bei den leidenschaftlichen Ratefüchsen kommt es auf andere Qualitäten an als auf den spielerischen Gehalt. Ist das Material praktisch für den Einsatz im Unterricht, geeignet zum Zeitvertreib in der Bahn, nicht zu teuer, robust …? Erstmalig kann ein großer Teil der Käufer durch bloße Inaugenscheinnahme den Wert dessen beurteilen, was sich in einer Spieleschachtel befindet. Denn mehr ist nicht drin.
Für die Schule und das gemeinsame Rätseln mit Freunden ist das Nichtspiel Code Sudoku mein persönlicher Favorit. Für unterwegs ist das The Times Sudoku von Parker/Hasbro mit seinem rutschfesten Gitterbrett eine Empfehlung wert, so man bereit ist, einen recht stolzen Preis dafür zu zahlen. Die Spielanleitung kann man jedoch getrost zu Hause lassen. Auch den Times-Redakteuren (oder wem auch immer) ist in ihrer Fantasielosigkeit nichts besseres eingefallen als ein hektisches Wetträtseln: Beide Spieler legen gleichzeitig möglichst viele ihrer farbigen Zahlenplättchen auf das gemeinsame Rätselbrett. Welch unübersichtliches Gefummel im Namen der altehrwürdigen Londoner Times!
Diese Zeitung war es übrigens auch, die Sudoku bei uns populär gemacht hat. Das Rätselfieber breitet sich hierzulande aus, seit der Neuseeländer Wayne Gould der Times vor Mitte 2004 ein Computerprogramm zur Verfügung stellte, mit dem sich Sudokus generieren lassen. Für diese Rätselart bedarf es nun keines menschlichen Autors mehr. Das Computerprogramm kennt weder Schaffenskrisen noch Honorarforderungen sondern beliefert die Redaktion zuverlässig und völlig kostenfrei mit immer neuen Sudoku-Aufgaben.
Schnell entdecken auch die Spieleverlage die lukrative Einnahmequelle. Viele übernehmen dabei das Konzept der autorenlosen Schöpfung. Wohl im Vertrauen darauf, dass die meisten Käufer keine Spieler sind, das Material allenfalls zum Rätseln nutzen, hat man sich wohl gedacht: Es muss nur aussehen wie ein Spiel, braucht aber kein Spiel zu sein.
Eile ist angesagt, die Zeit ist gerade bei den größeren Verlagen zu knapp, um einen oder mehrere Spieleautoren ernsthaft werkeln zu lassen. Das Ergebnis dieser Eile ist nur zu oft eine dem Sudoku im Grunde fremde Hektik als vorherrschendes Spielprinzip und hemmungslose Stümperei, gegenüber der die 97. Variante von Mensch ärgere Dich nicht wie ein innovatives Brettspiel auf der Höhe der Zeit erscheinen muss. Sorry, aber solche Verlage haben nichts anderes verdient, als mit den unsinnigsten idiotischsten Spielevorschlägen zugeschüttet zu werden.
Gerade weil man mit Sudoku andere, nicht-spielende Zielgruppen erreicht, ist es umso betrüblicher, dass hier eine Chance vertan wurde, mehr Menschen für das Medium Spiel zu interessieren, Spiel als anspruchsvolle Unterhaltung, als kulturelles Gut zu präsentieren, das eben mehr ist als bloßes Spielzeug. Das zuletzt Geschriebene gilt natürlich nicht für die gute Arbeit des italienischen Verlages Clementoni und die redlichen Bemühungen vor allem der genannten kleineren Verlage.
Fotos:
Reich der Spiele (5), Jochen Corts (Sudoku Dice), Winning Moves (Sudoku – das Spiel)
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