Ulrich Blum über die Entstehung seines Spiels
Entwicklunsgtagebuch zum Spiel Grand Cru – Teil 1: Von einem Unglück und der ersten Idee. Alles fängt sehr unerfreulich an. Im Oktober 2004, zwei Tage vor der mit Freude erwarteten Messe in Essen, wurde ich auf dem Rad von einem Auto angefahren. Mehrere, zum Teil offene Beinbrüche, vier Operationen und sechs Wochen Krankenhaus und Reha später, fand ich mich mit zwei Krücken zu Hause wieder. Der Heilungsprozess würde etwa ein Jahr dauern, so die Ärzte. Ein Jahr, in dem ich in meinen angestammten Berufen als Schauspieler und Koch nicht arbeiten konnte. Nun ist „Nichtstun“ durchaus ein verlockender Gedanke, nur nutzt sich der Reiz sehr schnell ab. Eine Beschäftigung musste also her.
Ich weiß nicht mehr, wie ich auf den Gedanken kam, ich glaube, es war gar keine bewusste Entscheidung, aber irgendwann war da eine Idee für ein Spiel. Ich spielte damals oft Age of Steam und war sehr angetan davon. Ich mochte es, dass das Spiel eine wirkliche Herausforderung darstellt. An meine erste Partie erinnere ich mich gut: wir waren am Ende des Spiels alle schweißgebadet, so hatten wir uns angestrengt, gezittert und gehofft, dass unsere Pläne aufgehen würden. Inspiriert, weniger von den konkreten Mechanismen, als von diesem fordernden Spielgefühl, entschloss ich mich also ein Spiel zu entwickeln.
Ein Wirtschaftsspiel sollte es werden, langfristige Planung sollte eine wichtige Rolle spielen und die Spielerinnen sollten durch Zinszahlungen unter Druck gesetzt werden. Eine Weile lang spielte ich wild mit den verschiedensten Ideen herum. Irgendwann hatte ich die Idee, dass man Aktionen vorausplanen muss. Man entscheidet sich also in der aktuellen Runde, was man in einer erst später folgenden tun möchte. Dabei wurden die Aktionen immer stärker, je länger man voraus plante.
Diese Idee fand ich sehr interessant, allerdings hatte ich an diesem Punkt keine Lust mehr, rein abstrakt mit Ware A, B und C zu handeln und damit Firma X, Y und Z zu beliefern. Also überlegte ich mir, was man denn da tut: Wir legen Aktionen verdeckt vor uns aus, diese werden erst nach einiger Zeit aktiv, je länger ich warte, desto stärker werden die Aktionen … Ich plane also über einen langen Zeitraum … Ich muss vorhersehen, wie sich der Markt in einigen Jahren präsentiert … Wir sind also in einer Branche die nicht in Quartalszahlen denkt, sondern längerfristig plant … Was gibt‘s denn da so?… Die klassischen Industriezweige fallen da schon mal weg … Es müsste ein Gut sein, dass einen eher langfristigen Wert hat … Diamanten? … Naja, die werden auch nur geschürft und anschließend verkauft… Vielleicht planen wir ja nicht langfristige Handlungen, sondern es sind unsere Produkte, die im Wert steigen, je länger wir warten? … Was wird denn wertvoller, je älter es wird? … Antiquitäten? … Aber die sind ja schon alt, wenn sie überhaupt interessant werden … Wein? … Wein! Ja, Wein altert und wird dabei wertvoller. Viele Sorten kann man überhaupt erst sinnvoll verkaufen, nachdem sie eine gewisse Reife erreichen. Zudem muss ich mir beim Keltern schon Gedanken darüber machen, wie ich den Wein in ein paar Jahren verkaufe …
Das war das Thema! Winzer sollten wir sein. Was der zu tun hat, ist relativ klar. Erst mal muss er sich ein Weingut aufbauen. Dann muss er Weinlesen durchführen, den Wein keltern und diesen dann sorgfältig lagern, um ihn schließlich möglichst gewinnbringend zu verkaufen. Durch das aufnehmen von Krediten sollten verschiedene Strategien ermöglicht werden. Nehme ich wenig und habe ein kleines feines Weingut mit wenigen Zinsen, oder nehme ich viel und baue mir ein Imperium auf, welches aber auch eine erhebliche Zinslast zu stemmen hat?
Auch die Idee mit den reifenden Weinen war sofort klar. Ich glaube, es ist der einzige Mechanismus, der sich in der ganzen Entwicklungszeit nicht, oder nur unwesentlich verändert hat: Im Weinkeller sind mehrere Fässer. Frisch geernteter Wein kommt immer in das Fass ganz links. Mit jedem Jahr, das vergeht, wandert der Wein ein Fass nach rechts. Je nach Sorte ist er dann nach kürzerer oder längerer Lagerung reif für den Verkauf. Ähnlich dem Gegensatz viele Kredite – wenige Kredite, sollte hier der Strategische Gegensatz schnell und billig oder lang und teuer ermöglicht werden.
Die Grundidee stand also. Jetzt galt es, diese Vorgänge mit Mechanismen zu füllen und zu einem interessanten Spiel zusammenzufügen …
Hinweis
Dieser Entwicklungsbericht zum Brettspiel Grand Cru besteht aus drei Teilen:
Teil 1 – Von einem Unglück und der ersten Idee
Teil 2 – Vom Reifen eines Spiels
Teil 3 – Von einer Auszeichung und der Publikation
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